Geschichte: Heute vor genau 150 Jahren wurde in Port Said mit dem beschwerlichen Bau des Suezkanals begonnen

Der weite Weg zur Wasserstraße durch den Wüstensand

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Ferdinand de Lesseps, Präsident der "Compagnie universelle du Canal maritime de Suez", setzte vor 150 Jahren den ersten symbolischen Spatenstich.

Klaus Bruske

Es war bereits das siebte Mal, dass der "erste Spaten" in den Wüstensand der Sinai-Halbinsel gestochen wurde. Denn: Ferdinand de Lesseps, französischer Diplomat und Präsident der Aktien-, Bau- und späteren Betreibergesellschaft des Suezkanals, der am 25. April 1859 bei Port Said zur Tat schritt, hatte einige Vorgänger. Darunter Pharaonen wie Sesostris I. oder Ramses II.

Doch waren die Durchstiche durch die Landenge immer wieder versandet. Ein Grund: Es fehlte an Massengütern, die vom Mittelmeer ins Rote Meer und umgekehrt gewinnbringend verschifft werden konnten. Jetzt aber, im Zeitalter der industriellen Weltrevolution und des massenhaften Welthandels, wurde es erstmals ernst mit dem Jahrtausendprojekt zwischen Port Said und Suez.

Der 160 Kilometer lange "Suezkanal" Nummer 7 wurde daher mit modernster Dampf-Technik in Rekordzeit, in zehn Jahren und knapp acht Monaten, vollendet sowie vor knapp 140 Jahren, am 17. November 1869 feierlich eingeweiht.

Die Vorteile eines Kanals zwischen Mittel- und Rotem Meer waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts zu evident, um das Großprojekt noch lange vor sich herschieben zu können. Der Seeweg nach Fernost, nach Indien, Indochina, China und Australien, verkürzte sich im Vergleich zur klassischen Afrika-Route um das Kap der Guten Hoffnung herum auf fast die Hälfte oder um etwa einen Monat Fahrzeit. In Fernost hatte vor 150 Jahren vor allem die damalige "Werkstatt der Welt" England mit seiner Kolonie Indien handfeste Interessen.

Mit allen Wassern gewaschen

Dennoch waren es diesmal die Franzosen - Kaiser Napoleon III., seine Gemahlin Eugénie und der ihr verwandte Suez-Compagnie-Chef Ferdinand de Lesseps - die dem ewigen englischen Konkurrenten zunächst einmal im ägyptischen Wüstensand die Nase vorn hatten. Das aber hatte sehr viel mit den vielfältigen Gaben Lesseps' zu tun. Als Diplomat und Nahost-Kenner wusste er wie kaum ein anderer Europäer, sich auf dem Glatteis zwischen der "Hohen Pforte" (Ägypten gehörte offiziell zur Türkei) und ihrem rebellischen Vizekönig in Kairo, Muhammed Said Pascha, zu bewegen.

Und Lesseps war ein mit allen Wassern gewaschenes Finanzgenie, das über seine Aktiengesellschaft "Compagnie universelle du Canal maritime de Suez" die rund 400 Millionen Gold-Francs, die der Kanal schließlich kostete, trotz des energischen Widerstandes Englands relativ mühelos zusammensammelte.

Vor allem aber hatte der windige Franzose keine Planungskosten. Denn die zwingend notwendigen gedanklichen Vorarbeiten hatte der österreichische Ingenieur Alois Negrelli, Ritter von Moldelbe (1799-1858), bereits für ihn erledigt. Seit 1836 beschäftigte sich Negrelli mit der Planung des Kanals. Der ägyptische Vizekönig Said ernannte ihn 1857 nach dem Studium seiner Detailplanung zum Generalinspektor aller ägyptischen Kanalbauten und zum technischen Direktor der Suezkanal-Gesellschaft. Dann jedoch, am 1. Oktober 1858, starb Negrelli an den Folgen eines Nierenleidens.

Lesseps, der sich zuvor ausschließlich um die Finanzierung gekümmert hatte, übernahm das Gesamtprojekt, nachdem er nach Negrellis frühem Tod auf recht mysteriöse Art und Weise an die Originalpläne kam. Der überwiegende Teil der Karten, Zeichnungen und Berechnungen war nach einem Kondolenzbesuch Lesseps' bei der Witwe Negrellis plötzlich verschwunden.

Es ist für den windigen Charakter von Ferdinand de Lesseps bezeichnend, dass er lange Zeit erfolgreich den wahren Autor seiner Baupläne verschleiert hat. Erst viel später, als der Baron im Dschungel von Panama an dem nächsten Kanalprojekt grandios scheiterte, kam nun auch die Wahrheit über die wahre Urheberschaft der Suezkanalpläne ans Tageslicht.

Dennoch: Der französische Baron und seine Compagnie vollbrachten zwischen 1859 und 1869 eine große Leistung. Vor allem logistisch. Denn alles Material, alle Werkzeuge, Maschinen, Kohlen, Eisen und jedes Stück Holz musste aus Europa geholt werden.

Der Hauptlieferant für Bauholz war der Forstunternehmer Leopold Popper aus Bitsch(a) (jetzt Bytca) im Norden des Königreiches Ungarn, heute Slowakei. Sein Holz wurde per Floß die Waag und dann die Donau abwärts transportiert, in Galatz auf Seeschiffe verladen und durch die Dardanellen nach Port Said verschifft.

Die Erbauer allerdings, überwiegend Zwangsarbeiter, wurden aus Ägypten selbst rekrutiert. Insgesamt sollen über die Jahre 1,5 Millionen Menschen mit Schaufel und Spitzhacke im Wüstensand gebuddelt haben. 25 000 desertierten. 125 000 starben, hauptsächlich an der Cholera.

Kaiserin eröffnet Kanal

Das logistische Hauptproblem stellte die Trinkwasserversorgung dar. Anfangs waren an die 2000 Lastkamele ständig in Bewegung, was allein Kosten von 8000 Francs täglich verursachte. Dennoch: Dank damals modernster europäischer Dampfmaschinen-Technik schritten trotz Unglücksfällen, Cholera und Massenflucht die Arbeiten munter fort.

Am 18. November 1862 wurde über den Kanal eine trockene Wüstensenke mit 80 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Mittelmeer geflutet - der Timsahsee entstand. Am nordwestlichen Ufer des Sees errichtete die Kanalverwaltung in der neu gegründeten Stadt Ismailia ihre Residenz.

Dann, am 18. März 1869, trat Meerwasser in den Großen und in den Kleinen Bittersee. Sechs Monate später war Ägyptens nach den Pyramiden aufwendigstes Baudenkmal vollendet. Es wurde am 17. November 1869 von Frankreichs Kaiserin Eugénie höchstpersönlich an Bord ihrer Jacht "L'Aigle" eröffnet.

Ägyptens Vizekönig aber ließ nochmals 20 Millionen Francs springen und lud den internationalen Hoch- und Geldadel zur Festwoche ein. Alle, alle kamen - Österreich-Ungarns Kaiser und König Franz Joseph und Preußens Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere "99-Tage-Kaiser" Friedrich III., an der Spitze.

Allein die Chefin der "Weltfirma" England, Queen Victoria von Großbritannien, glänzte durch Abwesenheit. Das Mutterland der industriellen Weltrevolution hatte von Anfang an Front gegen das vor allem von Frankreich getragene Großprojekt gemacht - zählte alsbald aber zu den größten Nutznießern des lange sabotierten Kanalbaus.

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