Was einmal ein Ferienparadies war, kämpft heute gegen Schlagzeilen über Mord und Totschlag. Die mexikanische Stadt Acapulco hat ihre besten Zeiten längst hinter sich.
An den Wänden zeugen nur noch ein paar vergilbte Fotos vom Ruhm vergangener Jahrzehnte. Das Hotel "Los Flamingos" in Acapulco war einmal ein Hotspot des weltweiten Tourismus. In der mexikanischen Hafenstadt genossen Hollywood-Größen wie Clark Gable und Elizabeth Taylor den herrlichen Blick über die Bucht, um sich hier vom Stress des Filmemachens zu erholen. Das "Los Flamingos" war das Epizentrum jener goldenen Epoche, als die Filme noch überwiegend schwarz-weiß und die Filmstars noch mehr als heute stilbildende Ikonen ihrer Zeit waren. Die sogenannte "Hollywood Gang" um John Wayne, Tarzan-Darsteller Johnny Weissmüller, Cary Grant, Richard Widmark und Errol Flynn kaufte sich damals die Herberge. Tarzandarsteller Johnny Weissmüller zog gleich ganz ein, denn er hatte sich unsterblich in das Hotel verliebt, das so idyllisch in den Klippen Acapulcos lag.
Touristen können sein ehemaliges Domizil im Herzen der Hotelanlage mieten. Als "Casa Tarzan" wird es angeboten. Die kleine Villa hat keine Fenster, so dass die Windböen des Pazifiks stets für eine frische Brise sorgen. Zum Schutz vor lästigen Moskitos wurden immerhin Fliegengitter in die Fenster- und Türöffnungen eingesetzt. Laut Preistafel an der Rezeption kostet eine Nacht in dem schmucken Rundbau 3000 mexikanische Pesos (etwa 180 Euro). Aber dieser Preis ist verhandelbar, denn viele Touristen verirren sich nicht mehr nach Acapulco.
An der Geschichte des Hotels "Los Flamingos" lässt sich der Niedergang Acapulcos nachvollziehen. Denn wie die Stadt hat es den Absprung in die Moderne verpasst. Wer auf WiFi angewiesen ist, wird sich im "Flamingos" schwertun, gerade einmal zwei Zimmer in unmittelbarer Nähe zur Rezeption bieten solch einen Internetzugang. Klobige Klimaanlagen kämpfen unüberhörbar gegen die Hitze, alte Röhrenfernseher mit dem Empfang der analogen TV-Signale. Für eine oder zwei Nächte hat das durchaus Charme, danach aber wird es für die Gäste mühsam.
Wer hier übernachtet, will abtauchen in die eigene Vorstellungskraft und in Erinnerungen an ruhmreiche Zeiten schwelgen. Immerhin haben an dieser Stelle Hollywoods ganz große Stars ihre rauschenden Partys gefeiert. Die vielen Fotos an der Wand, die davon zeugen, sind allerdings schon ein halbes Jahrhundert alt. Der Gartenzaun des Weissmüller-Anwesens galt als Grenze für "gewöhnliche" Hotelgäste. Dahinter senkte sich der Mantel der Verschwiegenheit über die Dinge, die in der kleinen, aber feinen Villa vor sich gingen.
Paparazzi gab es zwar auch schon damals, nur hatten diese keine Chance, sich den prominenten Gästen unbemerkt zu nähern. Denn das Haus liegt am Hang, geschützt vor neugierigen Blicken. Die höchsten Klippen Acapulcos verhindern eine Annäherung auf dem Küstenweg.
Ganz in der Nähe der "Casa Tarzan" ließ sich Johnny Weissmüller einen Balkon in die Klippen bauen. Von hier aus beobachtete er oft stundenlang, wie sich in der Tiefe die Brandungswellen des Pazifiks an den Klippen austobten. Als der Felsenbalkon bedenkliche Risse zeigte, ließ die Hotelverwaltung kurzerhand einen neuen Aussichtspunkt anlegen, der auch heute noch für Gäste geöffnet ist.
Ein paar Hoffnungsschimmer
Acapulcos Abstiegskampf ist fast überall zu spüren. Javier Aluni ist seit wenigen Wochen der neue Tourismus-Manager der Stadt. Sein Büro an der traditionsreichen Strandpromenade Miguel Aleman, vermittelt den Charme einer abbruchreifen Schaustellerbude. "Wir brauchen als Erstes ein repräsentatives Büro", sagt er und blickt auf den Schimmel an den Wänden im Treppenhaus und die blanken Stromkabel, die aus dem unverputzten Gemäuer ragen.
Aluni redet nicht lange um den heißen Brei herum: "Es sind viele Fehler gemacht worden in Acapulco, sonst wäre die Situation nicht so, wie sie ist." Als erfolgreicher Hotelmanager kennt er die Sorgen der Tourismusindustrie. "Was ich versprechen kann, ist, dass wir den Leuten erst einmal zuhören", versichert er. Aluni meint, dass ein Comeback Acapulcos möglich ist. "Wir werden zurückkommen, und zwar stärker denn je."
Auch andere scheinen an die Stadt zu glauben: Mexikos Milliardär Carlos Slim, der reichste Mann der Welt, investiert in die Renovierung der Strandpromenade. Seit Wochen sind Arbeiter damit beschäftigt, Pflastersteine zu verlegen und rund um den Hafen eine Flaniermeile anzulegen. Ein Anfang, mehr nicht.
Denn die triste Realität sieht anders aus. Das einst traditionsreiche Hotel "Villa Vera" wurde jüngst geschlossen, weil die Touristen ausblieben. Jetzt kommen nur noch Bauarbeiter hierher. Sie versuchen, die Substanz des Hotels zu retten, um es möglichen Investoren schmackhaft zu machen. In den 1940er Jahren war das Luxushotel "Villa Vera" von dem Schweizer Musikers Teddy Stauffer gegründet worden. Als "Swing-König" wurde er berühmt, nach seiner Karriere kam er nach Mexiko. "Mr. Acapulco", wie ihn viele nannten, brachte Glanz und Gloria mit sich.
Negativ-Werbung Drogenkrieg
Doch dieser Glanz ist längst verblasst. Selbst die berühmten Klippenspringer von Acapulco schaffen es nicht mehr, die Touristen aus den USA oder dem Rest der Welt anzulocken. Seit den 1990er Jahren überschatten Meldungen aus dem mexikanischen Drogenkrieg, Nachrichten von Mord und Totschlag, die heile Welt an der Küste.
"Wir spüren, dass sich die Medienberichterstattung auf die Besucherzahlen auswirkt", sagt Mariana Echanove. Sie ist Managerin im Hotel "Las Brisas", einem der wenigen Vorzeigehotels in Acapulco. Es sind die Nachrichten über enthauptete Leichen, in Säure aufgelöste Körper oder erpresste Lehrer und Kindergärtnerinnen, die nun das mediale Bild Acapulcos bestimmen, sagt sie.
Das hat Konsequenzen: Von ehemals 80 Prozent auswärtiger Gäste hat sich der Zahl internationaler Touristen auf 20 Prozent reduziert. Internationale Direktflüge sind seltener geworden, auch viele Kreuzfahrtschiffe machen mittlerweile einen Bogen um die Bucht von Acapulco.
Dazu kommt die nationale Konkurrenz: Traditionell machen Touristen aus den Vereinigten Staaten den Löwenanteil der internationalen Gäste aus. Doch die wollen sich im Urlaub nicht mit sozialen Problemen belasten. Und so fliegen sie mittlerweile lieber ans andere Ende des Landes, in die Retortenstadt Cancún. Die Strände sind schneeweiß, die Bettenburgen modern, überall gibt es Fast Food. Und der Drogenkrieg ist weit weg.
2000 Kilometer westlich, in Acapulco, verfallen derweil die Hotels. Auf der Avenida Miguel Alemann gibt es Dutzende leerstehende Ruinen, das Unkraut wuchert auf den Balkonen. Trotzdem ist Hotelmanagerin Mariana Echanove zuversichtlich. "Wir haben eine Menge zu bieten. Da ist zu allererst diese unvergleichliche Historie mit all ihren Anekdoten. Acapulco hat ein unvergleichliches Klima und den weltweit wohl schönsten Blick über eine Bucht", rührt sie die Werbetrommel.
Im Hotel "Las Brisas" ist von den Problemen der Stadt nur wenig zu spüren, was auch am einmaligen Konzept liegt. Statt in Hotelzimmern übernachten die Gäste in kleinen Häusern, in denen sie entweder ganze Suiten oder Gebäude mieten. Die Häuser sind über den ganzen Hang verteilt, Jeeps bringen die Gäste von der Rezeption zu ihrem Domizil, zu den Restaurants oder in den privaten Beach Club am Meer. Es ist eine Luxus-Oase inmitten eines untergehenden touristischen Reiches. An dieser Stelle ist Acapulco noch so, wie es einmal war. Und versprüht seinen unvergleichlichen Charme. Hier übernachteten bereits der spanische König Juan Carlos oder Weltstar Luciano Pavarotti.
Touristenführer Carlos Vargos hat Konsequenzen aus der Krise gezogen. "So wie bisher kann es nicht weitergehen. Es kommen immer weniger Touristen, der Kuchen wird immer kleiner." Er will nun eine Website ins Internet stellen. In mehreren Sprachen will er den Besuchern seine Dienste als Historiker anbieten. Statt zu Ausflugszielen wie den Klippenspringern, die ohnehin kaum noch jemand bucht, will er die Touristen an die geschichtsträchtigen Orte der Stadt lotsen. Dorthin, wo einst Johnny Weissmüller übernachtete und Elizabeth Taylor ihren begnadeten Körper badete. Vargos glaubt an sein Konzept: "Ein Ausflug in die Vergangenheit ist weitaus interessanter als der in die traurige Gegenwart. Vielleicht ist das unsere letzte Chance."
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/deutschland-welt_artikel,-welt-und-wissen-das-perfekte-urlaubsbild-bekommt-risse-_arid,375219.html