Mannheim. Der Mannheimer Gesundheitsamtschef Peter Schäfer hat sich dafür ausgesprochen, die tägliche Erfassung und Weitergabe der neuen Corona-Zahlen einzustellen. „Wir müssen aufhören, auf die Sieben-Tage-Inzidenz zu starren. Diese ist wegen der hohen Dunkelziffer ohnehin kaum noch aussagekräftig“, sagte Schäfer dieser Redaktion. Nach seinen Schätzungen sei die tatsächliche Zahl der Infizierten mittlerweile bereits dreimal so hoch wie der offiziell registrierten Fälle. Gleichwohl binde die Erfassung aller positiven PCR-Befunde und die tägliche Übertragung an das Land in den Gesundheitsämtern enorme Ressourcen. In Mannheim mache das ungefähr ein Viertel der Arbeitsbelastung des Corona-Teams aus.
Nach Schäfers Eindruck ist das nicht nur seine persönliche Meinung, sondern einhellige Auffassung der deutschen Gesundheitsämter: „Das Problem ist überall das gleiche.“ Ein Amtsleiter-Kollege aus einem anderen Bundesland habe die bisherige Erfassung und Bearbeitung der Corona-Zahlen kürzlich als „Beschäftigungstherapie“ bezeichnet. „Dem kann ich nur zustimmen.“
„Jetzt Krankheit wie die Grippe“
Schäfer argumentierte auch, Corona sei ist jetzt „eine Krankheit wie die Grippe, die wir unverändert ernst nehmen müssen, die aber einfach zum Alltag gehört“. Es schaue ja auch niemand in den Gesundheitsämtern auf die täglichen Zahlen von Influenza- oder Magen-Darm-Infizierten. Trotzdem hätten sie als Fachleute auch diese Viruserkrankungen durchgängig im Blick.
Der Mannheimer Gesundheitsamtschef verwies auch auf andere Indikatoren, mit denen sich das jeweilige Corona-Infektionsgeschehen verlässlich erfassen lasse. Dazu gehörten neben den Patientenzahlen in den Krankenhäusern auch Abwasseruntersuchungen oder Mittel wie beispielsweise das Grippe-Monitoring des Robert Koch-Instituts, bei dem Bürger gezielt wöchentlich mögliche Beschwerden angäben. Stichproben über Arztpraxen hätten sich ebenfalls bewährt, etwa bei Influenza oder Atemwegserkrankungen von Kindern.
Arbeiten trotz Infektion?
Die Sieben-Tage-Inzidenz galt lange als wichtigster Maßstab zur Beurteilung der Corona-Lage. Nach ihr richteten sich vielfach auch die geltenden Schutzmaßnahmen. Aktuell liegt der Wert in Deutschland bei 354,5. In Mannheim beträgt er 450,4, im Rhein-Neckar-Kreis 315,4 und in Heidelberg 265,2. Auch die Zahlen der Covid-Patienten in den Krankenhäusern sind zuletzt überall deutlich zurückgegangen.
Schäfer sprach sich auch dafür aus, im Herbst das Thema Quarantäne anzugehen, um große Personalnöte zu vermeiden. „Die Ansage muss wie bei anderen Infektionen lauten: Wer sich nicht gut fühlt, bleibt daheim.“ Aber es gebe Menschen, die auch am siebten Tag nur deshalb nicht wieder arbeiten gingen, weil der Selbsttest noch einen schwachen Balken zeige. „Die sind in der Regel nicht mehr ansteckend“, sagte der Mannheimer Gesundheitsamtsleiter. Derzeit können Infizierte erst fünf Tage nach einem positiven Testergebnis die Quarantäne beenden, sofern sie in den letzten 48 Stunden keinerlei Krankheitssymptome mehr hatten.
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