Das Problem echter Dilemmata ist, es gibt keine einfache Lösung. Und der Sinn oder Unsinn etwaiger Ansätze zeigt sich meist erst nach Jahren. So ein Dilemma ist die Frage nach Krieg und Frieden in der Ukraine.
Aber es gibt einige belastbare Prämissen. Putins Ziele sind eher nicht nur einige Landstriche im Osten und Süden. Sein Ziel, und das machte er in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder deutlich, ist die Relativierung des Westens. Er will den Werte-Triptychon aus Demokratie, Menschenrechten und regelbasierter Weltordnung demontieren. Ein Bewegstrang des Westens war in den Augen des Politikwissenschaftlers Peter R. Neumann, der Versuch, die Anarchie zu verrechtlichen. Diese Idee ist seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine unter Beschuss geraten. Deutlich wird das auch, wenn man die weltweite Unterstützerkoalition in den Blick nimmt. Vorneweg der Iran, der Russland mit Drohnen beliefert. Nordkorea, das schwere Artillerie und Soldaten schickt. Und China, das dem russischen Regime zur Seite steht. Sie eint, die Demokratie zu schwächen. Vor diesem Hintergrund wird Putins ständige Eskalation nachvollziehbar.Darauf mit Zögern und Nichthandeln zu reagieren, wird als Zeichen der Schwäche interpretiert. Auch Appeasement kann sich kriegstreibend auswirken – gerade in Europa müsste es dafür eine gewisse Sensibilität geben.
Zugleich gilt, so der syrische Schriftsteller Yassin al-Haj Saleh: „Alle Militarisierung befördert Gewalt.“ Bei allen Gründen Putin zu stoppen, ja stoppen zu müssen, könne in der Folge eine gefährliche Dynamik rund um den militärisch-industriellen Komplex entstehen. Auch das wäre das Ende der Idee Europas. Erasmus von Rotterdam schrieb 1517 in seinem Traktat „Die Klage des Friedens“, dass Kriege aus dem Krieg heraus erzeugt würden. Weshalb Waffen per se ein Risiko seien. Vor dem Hintergrund, dass 2023 die weltweiten Militärausgaben bei über 2,4 Billionen Dollar lagen, ist die Welt ein zunehmend gefährlicher Ort.
Aber zur Sicherheit gehört die Zähmung der Aggression. Der israelische Schriftsteller Amos Oz schrieb in den 1990er Jahren, dass das absolut Böse die Aggression sei und nicht der Krieg. Das Einfrieren eines Konfliktes, wie es Trump vorschwebt, ist kein Stoppen der Aggression, sondern ein Einhegen, das eher der Samen für zukünftige Gewalt wäre. Immanuel Kant schrieb einmal, dass so etwas lediglich ein Aufschub von Feindseligkeiten sei und kein Frieden: Dass nicht geschossen wird, bedeutet eben noch lange nicht, dass Frieden herrscht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Krieg und Frieden
Stefan Kern betrachtet hier die Forderungen im Ukraine-Krieg.