Afghanistan - Nach der Flucht von Präsident Ghani erobern islamistische Kämpfer den Präsidentenpalast / Erste deutsche Botschaftsangehörige werden ausgeflogen

Kabul fällt in die Hände der Taliban

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dpa
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Ein US-Hubschrauber vom Typ Chinook über Kabul. Taliban-Kämpfer sind am Sonntag in die afghanische Hauptstadt eingedrungen. © dpa

Kabul/Berlin. Nach dem rasanten Eroberungszug der Taliban in Afghanistan ist Präsident Aschraf Ghani ins Ausland geflohen. Zuvor hatten die islamistischen Aufständischen am Wochenende weitere Großstädte in dem Krisenstaat erobert und auch die Hauptstadt Kabul eingekesselt. Am Sonntagabend rückten dann Talibankämpfer in die Millionenmetropole ein und besetzten auch den Präsidentenpalast.

Die Bundesregierung begann angesichts der brisanten Lage unter Hochdruck mit der Evakuierung des Personals der deutschen Botschaft. Die ersten Angehörigen sollten noch am Sonntag ausgeflogen werden, kündigte Außenminister Heiko Maas (SPD) an. Außerdem sollten in der Nacht zum Montag Bundeswehr-Transportflugzeuge aufbrechen, um weiter Menschen auszufliegen. Die Botschaft in Kabul wurde zunächst dichtgemacht, die Mitarbeiter wurden zum militärischen Teil des dortigen Flughafens gebracht. Auch die USA begannen mit der Räumung ihrer Botschaft.

Die Bundeswehr wird nach Angaben Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vor allem Fallschirmjäger der Division Schnelle Kräfte (DSK) einsetzen. „Wir sind auf alle Szenarien eingerichtet.“ Es handele sich um eine sehr schwierige Situation für die Menschen vor Ort – „aber auch für die Soldatinnen und Soldaten“. Kramp-Karrenbauer betonte: „Es ist ein gefährlicher Einsatz, in den wir sie jetzt schicken.“

Viele Städte kampflos gefallen

Ghani schrieb zur Begründung seiner Flucht auf Facebook, andernfalls wären zahlreiche Landsleute getötet und die Stadt Kabul zerstört worden. „Ich entschied mich zu gehen, um dieses Blutvergießen zu verhindern.“ Die Taliban hätten ihre Macht mit Waffengewalt errungen und seien nun dafür zuständig, die Leben, das Vermögen und die Ehre der Bürger zu schützen. Der Vorsitzende des Nationalen Rats für Versöhnung, Abdullah Abdullah, äußerte sich empört. Er sagte in einer Videobotschaft, Gott möge Ghani zur Rechenschaft ziehen. Angaben dazu, wohin Ghani abreiste, machte Abdullah nicht. Lokale Medien berichteten, er sei nach Tadschikistan geflogen.

Die Taliban hatten in den vergangenen knapp eineinhalb Wochen fast alle Provinzhauptstädte eingenommen. Viele waren kampflos an sie gefallen. Am Samstagabend hatten sie Masar-i-Scharif im Norden und am Sonntagmorgen Dschalalabad im Osten erobert. In Masar-i-Scharif war bis vor wenigen Wochen ein großes Feldlager der Bundeswehr gewesen, erst Ende Juni sind die deutschen Soldaten von dort abgezogen. Die Bundeswehr hatte zuletzt afghanische Sicherheitskräfte im Zuge des Nato-Einsatzes „Resolute Support“ ausgebildet.

Die Taliban versuchten, die Furcht zu zerstreuen. Suhail Schahin, ein Unterhändler bei den Gesprächen mit der afghanischen Regierung in Katar, erklärte der BBC: „Wir versichern den Menschen (. . .), dass ihr Hab und Gut und ihre Leben sicher sind.“ Es werde „keine Rache an irgendjemandem“ geben. dpa

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