Kommentar Die Mannheimer Macherinnen von "Sei (D)ein Freund" sind echte Vorbilder!

Wer krank ist, fliegt aus der Leistungsgesellschaft. Bei Brustkrebs wird das deutlich, die Diagnose entweiblicht scheinbar. Der Norm als Frau genügen? Ohne Haare und Brüste? Ein Team stellt sich gegen Vorurteile. Gut so, findet Lea Seethaler

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Lea Seethaler
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Mannheim. Man kann nicht gegen Krebs kämpfen! Aber gegen eine Gesellschaft, die Krankheiten tabuisiert. Und genau das passiert gerade in Mannheim. Mit dem großartigen Projekt „Sei (D)ein Freund“, das Brustkrebs-Betroffene gestartet haben.

Defizite im Umgang mit "Krankheit"

Was sagt es aus, dass Frauen so viel Kraft aufbringen, ein Fotoprojekt zu entwickeln, das Betroffene in ihrer Einsamkeit abholt? Es zeigt, dass wir große Defizite im Alltag, im Privat- und Berufsleben mit dem Umgang von Krankheit haben. Das verwundert nicht. In unserer schnelllebigen, digitalisierten Leistungs- und Optimierungsgesellschaft fällt jemand, der krank ist, einfach raus. Er oder sie wird an den Rand gedrängt. Wie ausgestoßen. Das klingt hart. Ist aber so.

"Schöner, jünger, gesünder?"

Bei der Krankheit Brustkrebs ist das noch einmal ganz besonders der Fall. Denn die Diagnose entweiblicht scheinbar. Der Norm als Frau genügen? Ohne Haare? Ohne Brüste? Während sich alle anderen im täglichen Wettstreit von „schöner, jünger, gesünder“ messen? Die Schilderungen der Frauen, die beim Projekt teilnehmen, bewegen. Denn immer wieder kommen dabei die Kontrastierungen zur „normalen, zur gesunden“ Welt auf.

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Eine Chemoschwester mit „wunderschönen langen Haaren“ brachte etwa Mitinitiatorin Nicoletta Prevete zu ihrer ersten Therapie, „ohne mir überhaupt irgendwie beizustehen, Gefühle zu zeigen, eiskalt“, erzählt sie. Der Friseur, der ihr die Haare abrasieren soll „hatte nicht mal die Zöpfe der Vorgängerin entfernt“, sie sei „aus dem Laden gestürmt“, musste zu einem anderen wechseln.

Jeder verarbeitet anders

Wir alle müssen deshalb, wo es geht, versuchen, das Maximum an Empathie für Menschen in dieser Situation aufzubringen. Erstens. Und zweitens, müssen wir respektieren, wie Menschen mit der Diagnose umgehen. Der oder die eine möchte Rückzug, Ruhe. Andere aktives Verarbeiten, soziale Kontakte und Aktivität. Letzteres bietet das Mannheimer Projekt.

Die Kampfmetapher ist falsch

Aber dort passiert noch viel mehr. Wir können endlich deutlich hören, was Betroffene fühlen und brauchen. Ihre Lebensbejahung und Positivität spüren. Denn sie erzählen ihre Geschichten. Frei von Stigmata und Vorurteilen. Und zeigen uns klar: Wir müssen weg von der Kampfmetapher, von „ Du Kämpferin, du schaffst das“, hin zum „Wie fühlst du dich?“.

Ich hoffe, dass „Sei (D)ein Freund“ Vorbild wird. Für viele weitere Projekte. Denn durch das Projekt der Mannheimer kommt „Krankheit“ mitten ins Leben, in den Alltag. Dort wo sie hingehört. Dort, wo sie uns alle früher oder später einmal irgendwie betrifft.

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion