Berlin. Vor einer Spitzenrunde der Ampel-Regierung sind Forderungen nach weiteren Entlastungen der Bürger wegen der Energiekrise und steigender Preise lauter geworden. Dabei kritisierten SPD und FDP den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte von ihm eine Korrektur der Gasumlage, die der Stützung großer Energieimporteure in Not dienen solle, aber eine „Fehlkonstruktion“ sei. SPD-Chef Lars Klingbeil warf Habeck handwerkliche Fehler vor und forderte statt „schöner Worte“ eine Politik mit Substanz.
Wegen der stark gestiegenen Preise von Energie und vielen Verbrauchsgütern arbeitet die Bundesregierung an einem weiteren Entlastungspaket. Am Dienstag und Mittwoch berät sie bei einer Kabinettsklausur im Gästehaus Schloss Meseberg nördlich von Berlin.
Aus der Opposition sowie von Ökonomen und Wirtschaftsverbänden kommen weiter Forderungen nach einer Reform oder einem Verzicht auf die Umlage, die Privathaushalte und Industrie ab Oktober zahlen sollen. Auch der Präsident des Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, ist für einen Verzicht auf die Umlage. Es sei davon auszugehen, dass die Mehrwertsteuersenkung die Lasten durch die Umlage nicht vollständig ersetze, sagte er.
Korrekturen geplant
Die Umlage soll die wegen knapper russischer Gaslieferungen stark gestiegenen Kosten von Großimporteuren ausgleichen, um diese vor einer Pleite und das Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Alle Gaskunden sollen zusätzlich 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Kritisiert wird vor allem, dass auch Firmen profitieren könnten, denen es wirtschaftlich gutgeht. Deshalb prüft die Bundesregierung nun Korrekturen.
Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte zur Kritik der Regierungspartner: „Ich würde mir wünschen, dass, wenn wir als Ampelkoalition gemeinsam Gesetze beschließen zwischen allen Ministerien, zwischen allen Fraktionen, dass wir gemeinsam versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Grünen-Co-Chef Omid Nouripour plädiert für Änderungen, warnt aber, dass ein kompletter Verzicht auf die Umlage zu einem „Fiasko ohne Ende“ führen könne.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fordert, stärker die finanzielle Situation der Firmen und ihre Systemrelevanz zu berücksichtigen. Im Redaktionsnetzwerk Deutschland nannten die IW-Ökonomen die Idee grundsätzlich richtig, die zusätzlichen Kosten der Gasbeschaffung über eine Umlage solidarisch aufzuteilen.
Der Präsident des RWI-Leibniz-Institutes, Christoph Schmidt, plädierte in der „Rheinischen Post“ dafür, Unternehmen, die in extremen Schwierigkeiten stecken, gezielt zu stützen.
Neue technische Wartung
Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnte vor einer weiteren Drosselung russischer Gaslieferungen. Russlands Präsident Wladimir Putin sei mit seiner Ankündigung einer „technischen Wartung“ von Nord Stream 1 zum 31. August „Preistreiber Nummer eins“, sagte Müller der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Wenn Putin nach dieser Wartung den Gashahn weiter zudrehe, müssten entweder noch mehr als 20 Prozent eingespart oder es müsse noch mehr Gas von anderen Ländern aufgetrieben werden.
Die Lage sei auch deshalb schwierig, weil ein „Viertel unserer Speicher, und dazu gehören ausgerechnet die größten, wie Rehden in Niedersachsen, trotz guter Fortschritte noch weit von den vorgeschriebenen Füllständen entfernt sind“, sagte Müller. dpa
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