Gebhard Hölzl
Ein Schlawiner war Claude Chabrol - wie sein erklärtes Vorbild Alfred Hitchcock - schon immer. Mit falschen Spuren und versteckten Bosheiten, verführerischen Frauen und kulinarischen Ausflügen lenkt der 79-jährige Filmemacher nur allzu gerne vom Thema ab. Federleicht, beiläufig wirken seine Inszenierungen und dabei ist nur eines wirklich sicher: Nichts ist, wie es scheint.
Spielt nicht der Titel von Leinwand-Opus 58, "Kommissar Bellamy", auf Guy de Maupassants berühmten Romanhelden Bel-Ami an, jenen Aufsteiger, der für seine Karriere über Leichen geht? Nein, so einen Mann sucht man hier vergebens. Der Filmemacher selbst behauptet, eine Straße in Nantes habe ihn zu dem Titel inspiriert, und außerdem spiele er damit auf die drei Maupassant-Adaptionen an, die er nach "Die zweigeteilte Frau" (2007) fürs Fernsehen inszenierte.
Eine Hommage an einen Schriftsteller ist die Arbeit dennoch, an Georges Simenon und dessen Kommissar Maigret. Den idealen Darsteller für den Mann, den bei einem Mord stets mehr das Warum als das Wer interessierte, hatte Chabrol schon lange im Auge: Gérard Depardieu. Zwei frühere Projekte hatten sich zerschlagen. Endlich war die Zeit gekommen. Ideal geradezu, denn der Film drängte sich, gemäß dem Altmeister, für eine Art Porträt Depardieus geradezu auf. So erfahren wir Zuschauer zunächst, dass Depardieu alias Bellamy ein bequemer Mensch ist, während der Ferien die Ruhe seines gepflegten Hauses im südfranzösischen Nimes genießt, fernsieht, döst und Kreuzworträtsel löst - während Filmgattin Françoise (Marie Bunel) viel lieber eine Nil-Kreuzfahrt unternommen hätte.
Doch mit der Entspannung wird's nichts werden, das verraten im Vorspann bereits Eduardo Serras Bilder. Zu den Klängen von Matthieu Chabrols Soundtrack gleitet seine Kamera über die Küstenstraße, fängt auf dem Friedhof von Sête kurz das Grab des Chansonsängers Georges Brassens ein und lugt neugierig über eine Klippe. Unten liegt ein ausgebranntes Auto nebst verkohlter Leiche -und ein abgetrennter Kopf daneben.
Nicht ganz so handfest
Aber keine Angst, so spektakulär, so handfest, geht's nicht weiter. Chabrol hat lediglich einen Köder ausgeworfen. Der Rest besteht primär aus Dialog, einem höchst verschachtelten Plot, der um einen Versicherungsbetrug kreist. Dazu inspirieren ließen sich Chabrol und seine "Hausautorin" Odile Barski von einem echten Fall, der angeblich voll der Wahrheit entspricht und sich dabei absolut unglaublich anhört. So unglaublich, dass man sich bald nicht mehr mit dem Verbrechen beschäftigen mag. Weil sich nicht zwingend erschließt, wer dieser Noël Gentil (Jacques Gambin) ist, der vorgibt einen Obdachlosen getötet zu haben, um dessen Identität zu übernehmen. Und ist er, der gleich zwei Doppelgänger hat, wirklich von übergeordnetem Interesse?
Denn da gibt's ja noch Jacques Lebas (Clovis Cornillac), einen schwermütigen Alkoholiker und Spieler, der die Gäste seines Halbbruders Paul Bellamy beklaut, einen Verteidiger, der durch ein gesungenes Plädoyer seinen Mandanten freibekommt und die kluge Françoise, die einen mehr in den Bann schlägt als alle Herren zusammen.
Sieht man freilich von Gérard Depardieu ab, dessen schiere Präsenz den Mix aus kriminalistischem Vexierspiel und Familiendrama dominiert und aus dessen Blickwinkel die Geschichte erzählt wird - so konsequent übrigens , dass sogar die Rückblenden die Sichtweisen des Titelhelden wiedergeben. Claude Chabrol hat sich auch in diese Figur eingeschlichen.
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