Messel. Die Grube Messel gilt als einzigartige Fundstätte von versteinerten Säugetieren, Reptilien und mehr. Vor allem die rund 48 Millionen Jahre alten fossilen Urpferde verhalfen dem Ort in der Nähe von Darmstadt zu Weltruhm.
Die Grube Messel ist weltweit einzigartig. Zehntausende Fossilien aus der Zeit des Eozäns wurden bisher aus dem versteinerten Sediment des vor knapp 50 Millionen Jahren entstandenen, einstigen Maarvulkan-Sees geborgen. Jährlich kommen rund 3000 neue Funde hinzu. Neben der hohen Anzahl und Artenvielfalt an Tier- und Pflanzenfossilien ist die einzigartige Erhaltung besonders in der Grube Messel.
Als kleine Oase im Darmstädter Umland bietet sie inzwischen auch zahlreichen Vögeln, Fledermäusen, Eidechsen, Schlangen und Insekten eine Heimat. Nicht zuletzt deshalb ist der ehemalige Steinbruch eine von nur drei Unesco-Natur-Welterbestätten in Deutschland. Dabei wäre um ein Haar alles ganz anders gekommen – und das Idyll zur Mülldeponie geworden.
Anfang der 1980er Jahre hatte das Land Hessen beschlossen, dass die einstige Abbaustätte von Ölschiefer mit Müll aufgefüllt werden sollte. Eigens dazu wurde eine breite Straße in die Grube gezogen. 80 Millionen Tonnen Müll sollten dort abgekippt werden, wo heute allerlei seltene Tiere leben. Dass es nicht so gekommen ist, verdankt die 4000-Einwohner-Gemeinde Messel weltweiten Protesten und einer Klage von Aktivisten gegen die Pläne des Landes. Durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts in Kassel wurde das Planfeststellungsverfahren schließlich aufgehoben – und die Grube gerettet. Nicht nur das, im Jahr 1995 wurde sie zur ersten Unesco-Natur-Welterbestätte in Deutschland.
Weltweit einzigartig
Doch was macht die Grube so besonders, dass Forscher weltweit mit ihrem Schicksal fiebern? Die Antwort darauf weiß Diplom-Biologin Christine Hogefeld, Sprecherin und Tourleiterin der Grube Messel: „Besonders ist, dass die Fossilien wirklich sehr gut erhalten sind. Teilweise sogar noch komplett mit ,Haut und Haaren’. Es gibt sogar trächtige Tiere! – Das alles gefällt mir besonders gut.“ Auch Fossilien mit dem kompletten Mageninhalt seien gefunden worden. Dadurch erhalten Wissenschaftler wertvolle Auskunft darüber, was die Tiere zu ihrer Zeit gegessen haben. Apropos Zeit, auch diese ist besonders für eine solche Fundstätte: 48 bis 49 Millionen Jahre alt sind die Versteinerungen, die in Messel gefunden wurden. „Das ist eine Epoche, in der das Zeitalter der Dinosaurier beendet war und die Säugetiere sich gerade ausgebreitet haben.“
Die Wissenschaftler vermuten, dass vor rund 50 Millionen Jahren ein Vulkanausbruch ein sogenanntes Maar geformt hat. Also einen Krater, der sich anschließend mit Wasser füllte und zum Biotop für allerlei Tiere wurde. Darunter unzählige Fischarten, Schildkröten, Krokodile und natürlich auch zahlreiche Säugetierarten. „Insgesamt 46 Arten sind hier gefunden worden – so viele wie auf keiner anderen Stelle der Welt“, betont Hogefeld. Allen voran die weltberühmten, nur etwa fuchsgroßen Urpferde und verschiedene kleine Affenarten.
Die zahlreichen Reptilienfunde deuten es an: Es muss ein eher subtropisches bis mediterranes Klima geherrscht haben. Hogefeld: „Wir gehen davon aus, dass Südhessen damals etwa auf der Position des heutigen Siziliens gelegen hat.“ Dass die Funde so gut erhalten sind, deute außerdem darauf hin, dass das Mar etwa 300 Meter tief gewesen sein muss – tief genug also, dass am Grund kein Sauerstoff mehr im Wasser gelöst war. Das verhindert, dass die toten Tiere, die sich dort sammelten, verwesen können. Schicht für Schicht lagerten sich abgestorbene Algen mit den Kadavern am Grund des Maares ab, füllten es schrittweise auf und sorgten schließlich dafür, dass es verlandete. „Dieser Prozess dauerte etwa eine Million Jahre“, erklärt die Biologin.
Über 48 Millionen Jahre lang blieb die Grube verschüttet unter den Sedimenten, trieb als Teil der Eurasischen Kontinentalplatte weiter gen Norden hin zur heutigen Position. Erst im 19. Jahrhundert wurde sie bei der Suche nach Rohstoffen entdeckt: Forscher fanden dort unter anderem Raseneisenerz und Braunkohle. Als das abgebaut war, trat eine Ölschiefer-Schicht zutage, die mit ihrer braun-grünen Farbe der Braunkohle ähnelte. Nach etlichen Versuchen gelang es schließlich, aus dem Ölschiefer Paraffin zu gewinnen – mit heutigen Maßstäben ist das allerdings nicht lohnenswert.
1870 wurde dann das erste Fossil – ein versteinertes Krokodil – gefunden. Da der Ölschiefer jedoch ein sehr wasserreiches Gestein ist, das bei zu viel Trockenheit zerfällt, dauerte es Jahrzehnte, bis es gelang, die Funde dauerhaft zu konservieren. Heute werden die Steine dazu in Epoxidharz gegossen und so bewahrt.
Eher für ältere Kinder
Das alles können Besucher der Grube Messel hautnah erleben – in der Ausstellung, aber vor allem auch bei einer der zahlreichen angebotenen Führungen (siehe Tipps). Auch der Abstecher in das Besucherzentrum lohnt sich: In der Ausstellung geht es um Industriegeschichte, Landschaft und Vulkanismus, den Regenwald und die Evolution. Allerdings ist sie sehr informationslastig, Fossilien gibt es nur wenige zu bestaunen – und logischerweise auch keine Dinosaurier. Sie ist daher vor allem für ältere Kinder empfehlenswert, die Interesse an Naturwissenschaften und der Evolution haben.
Info: Fotostrecke unter morgenweb.de/hiergeblieben
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