Alexander Demandt hat einen Ruf zu verlieren. Der seit 2005 emeritierte Althistoriker (Jahrgang 1937) am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin hat zahlreiche Klassiker in seinem Forschungsschwerpunkt – die römische Welt und die Spätantike – vorgelegt. Zu den erfolgreichen Werken gehört auch „Das Attentat in der Geschichte“, das Demandt als Herausgeber 1996 veröffentlicht hat. Das Buch basiert auf einer Ringvorlesung im Wintersemester 1995/96.
Davon ist jetzt eine überarbeitete Neuauflage erschienen. Aus der Originalausgabe wurden drei Attentate aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit gestrichen. Dafür kamen der Mordversuch an Papst Johannes Paul II. und – ein Sonderfall – der Anschlag auf das World Trade Center in New York von 2001 hinzu. Ansonsten finden sich hier die „Klassiker“: Harmodios und Aristogeiton, Caesar, Wallenstein, Marat, Abraham Lincoln, Alexander II., Elisabeth von Österreich („Sisi“), Franz Ferdinand, Rathenau, John F. Kennedy, Anwar el-Sadat und einige mehr.
Ansonsten wenig Mehrwert
Eine Anzahl zeitloser Erkenntnisse hat zu Recht ihren Weg auch in die Neuausgabe gefunden. So etwa, dass das Attentat „auf der Grenze von Politik und Kriminalität“ liegt und „auf der Skala zwischen Heimtücke und Notwehr, zwischen Abscheu und Bewunderung unterschiedlichsten Deutungen“ ausgesetzt ist. Es ist eine Form eines Konflikts, „die aus Unzufriedenheit mit den Machtverhältnissen entspringt, aber mit fairen Mitteln nicht lösbar scheint“. So weit, so gut.
Doch die Aktualisierung stößt an natürliche Grenzen. So sind sechs der 21 Autoren bereits verstorben. Ihre Beiträge wurden nur um wenige Literaturangaben ergänzt. Und leider gilt Gleiches auch für die anderen Aufsätze. Da bewegt sich der Mehrwert doch in sehr engen Grenzen. Ein Schlagwortverzeichnis und eine Liste mit den Autoren sucht man zudem vergebens. Zudem ist die Forschung fortgeschritten.
So hat der Literaturwissenschaftler Manfred Schneider 2010 die Geschichte des Attentats aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet. Offenkundig wurde Demandts Band ohne großen Aufwand neu auf den Markt geworfen, möglicherweise um die Gunst der Stunde nach seiner erfolgreichen Marc-Aurel-Biografie (2018) zu nutzen. Aber der Autor und Herausgeber sollte aufpassen. Er hat einen Ruf zu verlieren.
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