Mordprozess Rot am See - Angeklagter war offenbar nicht bei allen Morden voll schuldfähig / Staatsanwalt fordert lebenslänglich und Unterbringung in Psychiatrie

Mit der Tat „innerem Drang“ gefolgt

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Erwin Zoll
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Bei allen Morden heimtückisch vorgegangen: Der Staatsanwalt hat für den mutmaßlichen Todesschützen von Rot am See die höchste Strafe gefordert, die ein deutsches Gericht verhängen kann. © Michael Weber-Schwarz

Für den Todesschützen von Rot am See hat der Staatsanwalt eine lebenslange Freiheitsstrafe und die Unterbringung in der Psychiatrie beantragt. Diesen Freitag soll das Urteil verkündet werden.

Ellwangen/Rot am See. Erster Staatsanwalt Carsten Horn hat bei der Strafe, die er für den 27-jährigen Angeklagten beantragt hat, ganz hoch gegriffen: Für sechsfachen Mord und zweifachen versuchten Mord soll Adrian S. eine lebenslange Freiheitsstrafe erhalten, und die Schwurgerichtskammer soll außerdem die besondere Schwere seiner Schuld feststellen. Das wäre die höchste Strafe, die ein deutsches Gericht verhängen kann.

Horn hat zudem dafür plädiert, den Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, weil seine Schuldfähigkeit bei drei der sechs Morde vermindert gewesen sei und er wegen seiner psychischen Erkrankung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

Am Donnerstag, dem sechsten Verhandlungstag, hat sich das Gericht mit den Erkenntnissen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin befasst. Bei der Obduktion der sechs Todesopfer hatte die Eppelheimer Fachärztin Dr. Kirsten Marion Stein festgestellt, dass mit Ausnahme der Tante des Angeklagten alle Toten Kopfschüsse erlitten hatten, die tödlich waren.

In den meisten Fällen hätten aber auch die übrigen Schussverletzungen etwas später zum Tod geführt. Den 65-jährigen Vater haben demnach vier Schüsse von der Seite und von hinten getroffen, die 56-jährige Mutter drei oder vier Schüsse, den 69-jährigen Onkel drei Schüsse, den 36-jährigen Halbbruder vier Schüsse, davon einer in den Rücken, die 36-jährige Halbschwester vier Schüsse und die 62-jährige Tante drei Schüsse.

Je einen weiteren Schuss hat Adrian S. auf eine 64-jährige Frau und einen 68-jährigen Mann abgegeben, die verletzt entkamen. Für die Kriminaltechnik berichtete ein 57-jähriger Hauptkommissar, dass im „Deutschen Kaiser“, 15 Patronenhülsen gefunden wurden, hinter dem Haus weitere 15. Deshalb ist davon auszugehen, dass Adrian 30-mal geschossen hat; er hat dabei zweimal das Magazin seiner Pistole gewechselt.

Ein leeres Magazin wurde im Flur des Erdgeschosses gefunden, ein zweites hinter dem Haus neben dem toten Onkel. Bei der Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten hat sich der Staatsanwalt nach den Aussagen des psychiatrischen Gutachters Dr. Peter Winckler gerichtet. Der Angeklagte leide zwar an wahnhaften Störungen und einer schizoiden Persönlichkeitsstörung, erklärte Horn. Er sei aber nicht schuldunfähig, weil er bei der Vorbereitung der Tat über einen langen Zeitraum zu einem planvollen Vorgehen in der Lage gewesen sei.

Bei den Morden an seiner Mutter seiner Halbschwester und seinem Vater, auf die sich die Wahnvorstellungen des Angeklagten gerichtet hätten, habe es einen „inneren Drang zur Tatausführung“ gegeben, durch den seine Steuerungsfähigkeit und damit seine Schuldfähigkeit vermindert gewesen seien.

Das gelte jedoch nicht für die übrigen Morde, weil sich der Wahn nicht gegen diese Opfer gerichtet habe. In diesen Fällen sei Adrian S. voll schuldfähig.

Bei allen Morden sei der Angeklagte heimtückisch vorgegangen. „Die Opfer haben nicht im Ansatz damit gerechnet, dass sie angegriffen werden“, sagte Horn. Er verwies darauf, dass Adrian S. seinem Vater vorgetäuscht hatte, er fahre an dem Tattag nach Stuttgart.

Stattdessen hatte er sich in seinem Zimmer im zweiten Obergeschoss des „Deutschen Kaisers“ versteckt gehalten, um dann ohne Vorwarnung als erstes auf seinen Vater zu schießen.

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