Heidelberg/Wiesbaden/Berlin. Prävention und Früherkennung spielen nach Ansicht von Experten eine viel zu geringe Rolle im Kampf gegen Krebs. Die Erfolge der Therapien dürften nicht über die hohe Zahl von Krebsneuerkrankungen hinwegtäuschen, betonte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), Michael Baumann, im Vorfeld des Weltkrebstages an diesem Samstag. „Es fehlt an evidenzbasierten, kosteneffektiven und flächendeckenden Präventionsangeboten.“
Nach DKFZ-Informationen erkranken bundesweit noch immer 500 000 Menschen im Jahr neu an Krebs, 200 000 sterben daran. Weltweit werde sich die Zahl der Krebsneuerkrankungen Schätzungen zufolge von 19,3 Millionen im Jahr 2020 bis 2030 auf 30 Millionen erhöhen. In Deutschland soll die Zahl bis Ende des Jahrzehnts auf 600 000 Neuerkrankungen im Jahr wachsen. Dies ist vor allem auf die Alterung der Gesellschaft zurückzuführen. Insgesamt lebten in Deutschland derzeit rund vier Millionen Menschen mit und nach Krebs, so Baumann.
Individuellere Vorsorge nötig
Die massive Zunahme an Krebsfällen könne nur verhindert werden, wenn massiv in Prävention und Früherkennung investiert werde. „Wir müssen Krebserkrankungen verhindern, bevor sie entstehen“, sagte der Krebsforscher weiter. Politik und Gesellschaft müssten für das Thema sensibilisiert werden. Auch für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei das Thema derzeit nicht besonders interessant. Dies hänge unter anderem damit zusammen, dass es lange Zeit dauere, bis Erfolge spürbar seien.
Als wichtiges und in Deutschland unterschätztes Instrument der Prävention nannte Baumann die HPV-Impfung, die – im Jugendalter verabreicht – vor Gebärmutterhals-, Penis- und Analkrebs schützen kann. In Deutschland, wo die Impfung von Nobelpreisträger Harald zur Hausen entwickelt wurde, seien nur etwa 40 Prozent der Jugendlichen geschützt, in anderen Ländern sei die Impfrate viel höher.
Ähnlich wie bei der Behandlung bereits an Krebs erkrankter Menschen müsse die Prävention stärker individualisiert werden. Die Vorbeugung müsse sich an speziellen Risikofaktoren eines Menschen orientieren, wie Rauchen, ungesunde Ernährung, Übergewicht, hoher Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel. Nach Informationen von Susanne Weg-Remers vom DKFZ könnten Früherkennungsuntersuchungen wie die Mammographie in Zukunft je nach Risiko der Frauen unterschiedlich häufig angeboten werden.
In der Pandemie haben die Deutschen generell weniger Krebs-Früherkennungsuntersuchungen genutzt als in den Jahren zuvor. Dies könnte unter anderem erklären, warum 2021 weniger Krebspatientinnen und -patienten in Krankenhäusern behandelt wurden. (mit dpa)
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