Das Interview - Heino über Nazi-Vorwürfe und „Wir sind mehr“, seine Kindheit ohne Vater, Rammstein, Heidi Klum und Hannelore

„Ich würde den gleichen Weg noch mal gehen“

Von 
Katja Schwemmers
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Ein Bild aus Heinos goldensten Zeiten: Bis in die 1980 Jahre konnte er in Trophäen baden. © Altengarten/Sony

98 Prozent der Deutschen kennen ihn angeblich. Fast 60 Jahre steht Heino schon auf der Bühne und hat 50 Millionen Tonträger verkauft. Am 13. Dezember ist der Schlagerbarde, Volksmusik-Interpret und späte Rocker 80 Jahre alt geworden. Zuvor hatte er angekündigt, mit dem Album „...und Tschüss“ auf Abschiedstournee zu gehen. Diese führt den als Heinz Georg Kramm geborenen Düsseldorfer am 3. März in den Mannheimer MS Connexion Komplex. Im Telefoninterview mit dieser Zeitung lässt der 80-Jährige besondere Lebensmomente Revue passieren und erzählt von seiner Mutter, seiner Ehefrau Hannelore und Enkel Sebastian, von Heidi Klum, Freddy Quinn und Rammstein.

Heino, haben Sie schon Rammstein-Tickets?

Heino: Nein, die sind ja schon ausverkauft, habe ich gelesen.

Aber seit Ihrem gemeinsamen Auftritt beim Wacken Open Air 2013 haben Sie doch bestimmt Beziehungen?

Heino: Ja, ich müsste wohl nur anrufen. Wenn sie in Düsseldorf oder Köln sind, werde ich vielleicht mal anfragen. Aber im Grunde genommen sind das nicht unbedingt Konzerte, die ich sehen muss. Aber es freut mich für Rammstein, dass ihre Konzerte voll sind. Es ist ja toll, wenn sie die Stadien stürmen.

Anders als andere Künstler, deren Liedgut Sie coverten, haben Rammstein mit Ihnen gemeinsame Sache gemacht.

Heino: Rammstein haben damals bei meinem Manager angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mit ihnen in Wacken „Sonne“ zu singen. Klar konnte ich mir das vorstellen! Es hat mir auch sehr viel Spaß gemacht. Es war ein schöner Moment, mit ihnen auf der Bühne zu stehen. Und ich muss wirklich sagen: Das waren nette Jungs, die sich sehr um mich bemüht haben.

Sind Sie dankbar für das, was seit 2013 passiert ist – also nachdem sie auf dem Platinalbum „Mit freundlichen Grüßen“ erfolgreich deutsche Pop und Rock-Hits neu interpretiert haben?

Heino: Na klar, das waren turbulente Jahre. Ich bin jetzt fast 60 Jahre dabei und versuche immer, etwas Neues zu kreieren; neue Texte zu bekommen, neue Melodien. Ich habe damals gesagt: Wenn ein Mensch mit 75, der sein Leben lang Volkslieder gesungen hat, anfängt Rock-Sachen zu singen, dann wird das ein Medianaufschlag. Und ich hatte recht. Der Riesenerfolg, den das Album „Mit freundlichen Grüßen“ mit sich brachte, war für mich natürlich sehr erfreulich.

Auf Ihrer neuen Platte covern Sie nun unter anderem Trios „Da da da“. Wie lange brauchen Sie, um so einen Titel einzusingen?

Heino: Vielleicht eine halbe Stunde? Der Song ist auch einfach zu singen.

Ihre Platten sind dann ja Gelddruckmaschinen…

Heino: Das Singen ist ja mein Job. Wenn ich 90 Minuten lang auf der Bühne stehe, dann singe ich auch 30 Songs hintereinander. Die könnte man normalerweise so nehmen und so produzieren.

Ihre Version des Kraftwerk-Titels „Das Model“ haben Sie Heidi Klum gewidmet. Wie finden Sie, dass sie mit dem 16 Jahre jüngeren Tom Kaulitz von Tokio Hotel zusammen ist?

Heino: Der Altersunterschied zwischen Heidi und Tom ist ein bisschen groß, aber wenn es passt, dann passt es – ist doch Wurscht! Heidi und ich kennen uns noch aus einer meinen Fernsehsendungen von früher. Vor vier Wochen war sie beruflich in Düsseldorf, und da habe ich die Brüder von Tokio Hotel auch gesehen. Denen hatte ich mal einen Bambi überreicht. Das sind wirklich nette Jungs.

Die Kaulitz-Brüder polarisieren wie Sie. Hat es Ihnen immer gefallen, Reizfigur zu sein?

Heino: Ja, natürlich. Das ist Teil meines Erfolges. Ich hatte immer viele Fans, aber auch viele Neider, weil ich provoziert habe. Aber wenn man keine Ecken und Kanten hat, dann wird man auch nicht alt in diesem Beruf.

Worauf sind Sie im Hinblick auf Ihre Karriere am meisten stolz?

Heino: Dass ich trotz aller Anfeindungen 60 Jahre erfolgreich gesungen habe.

Gibt es Sachen, die Sie rückblickend bedauern?

Heino: Nein. Ich bedauere, dass ich jetzt mit 80 Jahren aufhören muss, denn ich habe immer noch großen Spaß am Singen. Aber irgendwann muss ja mal Schluss sein. Ich hatte mir als Zeitpunkt gesetzt, dass ich zum 80. Geburtstag meine letzte Tournee verkünde. Mal schauen, wie es danach weitergeht. Dadurch, dass mein Enkel Sebastian (Kramm, Anm. d. Red.) jetzt Musik macht, bin ich ja nicht von der Bildfläche verschwunden.

Und die Sache mit Südafrika, wo Sie Anfang der 1980er trotz UNO-Embargo aufgetreten sind, tut Ihnen auch nicht leid?

Heino: Ich bin damals nach Südafrika gereist, weil ich der Meinung war, dass ich auch ein Recht habe, dort zu singen, wenn Freddy Quinn, Udo Jürgens und der Günter-Kallmann-Chor da gesungen haben und James Last dort gespielt hat. Ich hatte das wohl falsch eingeschätzt. Die Medien sind dann über mich hergefallen, nur weil ich mehr Erfolg hatte als andere.

Es wurde immer mal wieder behauptet, dass Sie mit der Interpretation von Volksliedern, die sich auch die Nazis zu eigenen gemacht haben, rechtes Gedankengut bedienen. Wie sind Sie mit der Kritik umgegangen?

Heino: Das stimmt ja alles gar nicht. Volksmusik hat natürlich einen altmodischen Klang, aber das sind Lieder von uns. Wenn ich jetzt „Am Brunnen vor dem Tore“ oder „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ singe, sehe ich überhaupt gar keinen rechten Gedanken. Wer bös’ denkt, ist bös’. Das habe ich damals schon immer als Blödsinn abgetan. Ich habe diese Lieder von Herzen gerne gesungen, und ich würde den gleichen Weg noch mal gehen. Weil dieser Weg, den ich gegangen bin, war richtig für mich.

Wie beurteilen Sie die rechten Strömungen in den ostdeutschen Ländern? Würden Sie auf einer Veranstaltung wie „Wir sind mehr“ am 3. September 2018 in Chemnitz auch mit den Toten Hosen singen?

Heino: Ich habe noch nie auf einer politischen Veranstaltung gesungen, auch wenn man mir das schon mal untergeschoben hat. Politisch habe ich mich noch nie geäußert, und das tue ich bis zum heutigen Tage nicht.

Und trotzdem haben Sie ein Lied zu Ehren von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Ihrer neuen Platte.

Heino: Ich finde, sie ist eine gute Kanzlerin. Sie hat Hannelore und mich vor fünf Monaten mal zu einer Veranstaltung eingeladen. Sie kam zu mir und hat mich an die Hand genommen. Das war ein schöner Nachmittag.

Vor Ihrer Musikkarriere arbeiteten Sie als Lehrling im Fach Bäckerei und Konditorei. Können Sie noch backen?

Heino: Nein, ich war auch immer ein schlechter Bäcker. Es hat mich einfach nicht interessiert. Ich hatte meiner Mutter zuliebe drei Jahre Bäcker gelernt, und dann noch mal zwei Jahre Konditor hinterher. Aber in dem Jahr, wo ich meine Prüfung gemacht habe, habe ich umgeschwenkt und dann angefangen mit Musik.

War es in den Anfängen Ihrer Karriere eine bewusste Entscheidung von Ihnen, Volkslieder zu singen?

Heino: Das war eine Frustreaktion von mir. Denn das Einzige, was deutschsprachig war, wenn ich in den 1960er Jahren das Radio angemacht habe, waren die Nachrichten. Ich habe dort nur englische Musik gehört. Das hat mich gestört. Auch wenn Künstler wie Billie Holiday oder Elvis ja ganz okay waren.

Haben Sie einen Lieblingssong aus Ihrem Repertoire?

Heino: Das sind die Volkslieder, weil die einen höheren Anspruch haben als Schlager wie „Enzian“ oder „Die schwarze Barbara“. Ich mag „Ännchen von Tharau“, „Am Brunnen vor dem Tore“ - das sind so die Klassiker. Die sind auch nicht einfach zu singen.

Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie mit „Jenseits des Tales“ Ihren ersten Nummer-eins-Hit hatten?

Heino: Ich habe das erst gar nicht so mitbekommen. Ich dachte auch, das sei normal. Freddy Quinn ist auch immer sofort Nummer eins gewesen. Ich habe damals einen Zehn-Jahres-Vertrag von der Plattenfirma bekommen.

Wie sind Sie auf die blonden Haare und die Brille als Ihr Markenzeichen gekommen?

Heino: Die blonden Haare habe ich von meinem Vater. Die Brille setzte ich auf, weil ich in den 1970er Jahren eine Überfunktion der Schilddrüse hatte, so dass meine Augen geschwollen waren. Man hatte das erst spät festgestellt. Ich bin dann mit meinem damaligen Produzenten zu einem Professor in Frankfurt gefahren, der hat mir zu einer Sonnenbrille geraten.

Und das rollende R?

Heino: Das habe ich von meiner Gesangslehrerin. Viele Sängerinnen und Sänger verschlucken ja das R, wo eins hingehört, und da habe ich das R gesungen. Deswegen kommt das so präzise. Aber geplant war das nicht.

Wie war es als Kind für Sie, vaterlos aufzuwachsen?

Heino: Ich habe mich im Grunde genommen selbst aufgezogen. Mein Vater ist 1941 gefallen, ich war drei Jahre alt. Meine Mutter war Kriegerwitwe, die ist dann arbeiten gegangen, um zwei Kinder zu ernähren. Meine Schwester, die fünf Jahre älter ist, und ich sind bei meiner Oma groß geworden. Es hat keiner auf mich aufgepasst, ich musste mich schon selbst großziehen. Aber ich habe das Gefühl, da ist was ganz Gutes daraus geworden.

War Ihre Mutter trotzdem prägend für Sie?

Heino: Sie war eine sehr zurückhaltende Frau, das bin ich eigentlich auch. Sie ist leider sehr früh verstorben, aber sie hat noch viel von meiner Karriere mitbekommen.

Wie wichtig war es für Sie, dass Ihre Frau Hannelore immer an Ihrer Seite war?

Heino: Enorm wichtig. Es fühlt sich ganz komisch an, dass sie diesmal nicht auf Tournee dabei ist, weil sie nicht gut laufen kann. Wir hatten uns 1972 in Kitzbühel bei der „Miss Austria“-Wahl das erste Mal gesehen. Dann verloren wir uns fünf Jahre aus den Augen. Bis wir uns in der Fernsehsendung „Ein Abend in Blau“ noch mal über den Weg gelaufen sind. Sie stand vor einer Staffelei und malte, und ich habe immer zu den Farben meine Lieder gesungen: „Schwarze Barbara“, „Hoch auf dem gelben Wagen“, „Blau blüht der Enzian“. Sie war noch verheiratet, ich war noch verheiratet. Wir haben uns dann beide scheiden lassen und 1979 geheiratet. Man hat uns damals zwei Jahre gegeben, und 2019 werden es 40 schöne, glückliche Jahre!

Vielleicht erneuern Sie das Ehegelübde? Das machen ja viele Paare heutzutage.

Heino: Nein, das müssen wir nicht. Denn schöner kann es mit Hannelore und mir gar nicht werden. Es soll nur so bleiben, wie es jetzt ist.

Wie alt fühlen Sie sich?

Heino: Im Grunde genommen habe ich gar nicht das Gefühl, dass ich 80 bin. Es fühlt sich eher wie 50 an. Für mich ist 80 eh nur eine Zahl. Ich habe mit 20 angefangen zu singen und bin sehr erstaunt, dass ich das jetzt 60 Jahre durchgehalten habe.

Was können wir von Ihrer Abschiedstour erwarten?

Heino: Die ganze Rockschiene von Rammstein bis zu den Ärzten. Das passt besser zu den Häusern, in denen ich spiele, als Schnulzen. Aber ich habe auch noch eine andere Idee. Ich möchte mich auch noch mal von meinem Konzertpublikum verabschieden, die einen Anspruch haben. Ich möchte noch mal „Am Brunnen vor dem Tore“, „Sah ein Knab ein Röslein stehn“ und meine ganzen Schlager und Seemannslieder präsentieren. Das geht aber nicht in einer Rockveranstaltung. Deswegen bin ich noch am Überlegen, ob ich danach noch eine zweite Tournee mache mit volkstümlichen Liedern, mit denen ich angefangen habe. Denn die Lieder haben mich zu dem gemacht, der ich bin: Heino.

Info

Zur Person: Heino wurde am 13. Dezember 1938 in Düsseldorf als Heinz Georg Kramm geboren. Mit seiner dritten Ehefrau Hannelore Auersperg lebt er in Bad Münstereifel. Ab 1967 und dem Album „Kein schöner Land in dieser Zeit“ platzierte er sich regelmäßig in den Charts, später auch mit Schlagern wie „Karamba, Karacho, ein Whisky“, „Blau blüht der Enzian“ oder „Die schwarze Barbara“. Nach eigenen Angaben hat Heino über 50 Millionen Tonträger verkauft.

Zum Konzert: Sonntag, 3. März, 20 Uhr, MS Connexion Komplex Mannheim. Karten unter eventim.de (38,60 Euro plus Gebühren). jpk

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