Auch nach der Vernehmung dreier Ärzte gibt es im Mordprozess von Rot am See keine Beweise dafür, dass Adrian S. von seiner Mutter vergiftet worden ist.
Rot am See/Ellwangen. Ein Chefarzt, ein Oberarzt und ein weiterer Facharzt sind am Dienstag aufgrund eines Beweisantrags von Verteidiger Andreas Kugel aus Lahr und Hornberg im Ortenaukreis nach Ellwangen gereist. Sie sollten klären, ob bei Adrian S., den sie 2012 im Ortenauklinikum behandelt hatten, das synthetische weibliche Hormon Ethinylestradiol im Blut gefunden wurde und ob die Patientenakte, in der dies festgehalten sein müsste, manipuliert wurde.
Der 27-jährige Adrian S., der vor dem Landgericht Ellwangen wegen sechsfachen Mordes und zweifachen Mordversuchs angeklagt ist, hatte behauptet, seine Mutter, eines der Todesopfer, habe ihn mit weiblichen Hormonen vergiftet. Als dies im Krankenhaus, in dem seine Mutter als Hebamme gearbeitet hatte, festgestellt worden sei, hätte seine Mutter dafür gesorgt, dass diese Information aus der Krankenakte entfernt worden sei.
Im Mai 2012 war Adrian S. wegen Kopfschmerzen, einer aphasischen Störung, also einer Sprachlähmung, einer Bewusstseinsstörung, Migräne und Hyperventilation vom Notarzt in die Neurologie des Ortenauklinikums eingewiesen worden. Hier wurde der damals 18-jährige Patient unter anderem auf eine Hirnerkrankung und auf einen Schlaganfall hin untersucht – ohne Ergebnis. Nach einer Woche wurde er mit der Diagnose „Migräne“ entlassen.
„Völlig ausgeschlossen“
„Der Patient wurde mit Sicherheit nicht auf Ethinylestradiol hin untersucht“, stellte der Chefarzt klar, „es gab keinen Grund dafür.“ Diese Aussage wurde von den beiden anderen Medizinern unterstützt. Die Bestimmung von Ethinylestradiol gehöre nicht zum Programm der Neurologie, erklärte der Oberarzt. Zum Einwand des Angeklagten, einer der Ärzte habe ihm gesagt, das Labor habe im Blut das weibliche Hormon gefunden, diesen Sachverhalt aber nur telefonisch mitgeteilt, sagte der dritte Arzt, er könne sich an eine solche Äußerung nicht erinnern, es sei aber völlig ausgeschlossen, dass das Labor einen solchen Befund telefonisch mitteile, ohne dass dieser dann im schriftlichen Bericht enthalten sei.
Eindeutig war auch die Aussage des Chefarztes zur Frage, ob die Patientenakte manipuliert worden sein kann. Dass aus einer Akte Teile verschwinden, sei nach menschlichem Ermessen auszuschließen. „Da lässt sich nichts löschen“, sagte er. Am gestrigen vierten Verhandlungstag hat sich die Schwurgerichtskammer erneut mit den Erkenntnissen beschäftigt, die die Kriminalpolizei am Tatort, dem Gasthaus „Deutscher Kaiser“ in der Bahnhofstraße in Rot am See gewonnen hat. Ein Fund im Zimmer des Angeklagten bestätigte dabei, was dieser mehrfach ausgesagt hatte: Sein ursprünglicher Plan war es nicht, seine 56-jährige Mutter und seine 36-jährige Halbschwester zu erschießen. Er wollte sie vielmehr foltern und qualvoll töten. In einem Karton in seinem Zimmer fand die Polizei Utensilien, die zu diesem Vorhaben passen: Kabelbinder aus Kunststoff und Metall, einen Bunsenbrenner und Gaskartuschen, ein blaues Seil, zwei Kartons mit Sekundenkleber, ein Beil. Außerdem stießen die Polizisten in dem Zimmer auf Pfeile, mehrere Messer und eine 30 Zentimeter lange, scharf geschliffene Machete.
Abschiedsbrief verfasst
In dem Zimmer hatte Adrian S. eine Art Abschiedsbrief hinterlassen, in der er sein Vorhaben erklärt und schwere Vorwürfe gegen seine Mutter erhebt, die er nur „Es“ nennt. Es sei ihre größte Freude gewesen, ihn leiden zu sehen, um ihren sadistischen Genuss zu steigern. Er müsse dieses „Monster“ aufhalten. „Man kann das Böse nur aufhalten , indem man es tötet und seine Diener mit ihm“, heißt es in dem Schreiben.
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