Heimat ist für viele Menschen wie eine Jacke, die bequem ist, passt und über die man sich kaum Gedanken macht, ja machen muss. Schlagartig ins Bewusstsein gerückt wird vielen, was ihnen Heimat bedeutet, wenn sie nach längerer Abwesenheit zurückkehren und die Silhouette ihrer Stadt oder Gemeinde am Horizont auftaucht und sie sich schlagartig zu Hause fühlen. Oder wenn sie in der Fremde den vertrauten Klang des heimischen Dialekts hören. Denn übers Ohr geht die Heimat noch direkter ins Bewusstsein als übers Auge.
Einer, der es meisterlich beherrscht, den Dialekt als gemeinschaftstiftendes Mittel einzusetzen ist der Reilinger Mundartsänger Charly Weibel. Wobei ihm das Wort „einsetzen“ wahrscheinlich nicht zusagt, denn, betont er im Gespräch mit unserer Zeitung, „es ist halt deine Sprache“. Letzteres eher als „Sprooch“ betont, denn eines hat der hiesige Dialekt, das Kupfälzische, vielen anderen Mundarten voraus – es groovt so schön. Die tiefen, erdfarbigen Vokale bilden einen eigenen Rhythmus, strotzen in satter Klangfarbe.
Schwätze wie man denkt
Und, so meint der Liedermacher, dessen Songs vom und durch den Dialekt leben, in der Mundart könne man „schwätze wie man denkt“. Gedacht wird übrigens auch im Dialekt – fast exakt genauso viel wie im Hochdeutschen. Weshalb es für Weibel auch ein Anliegen ist, den Dialekt aus dem Dunstkreis des Tumben herauszuholen. Mit großem Erfolg.
Weibel selbst stammt aus einer Generation, der es in der Schule noch verboten wurde, sich der Mundart zu bedienen, der das Hochdeutsche eingebläut wurde. Da habe sich in den vergangenen Jahren einiges verbessert, mittlerweile werden auch die Vorteile der Mundart erkannt.
Charly Weibel, frisch gekürter Preisträger des „Gnitzen Griffels“, einem Preis für Mundartkünstler aus dem Bereich des Regierungspräsidiums Karlsruhe, der vom Arbeitskreis Heimatpflege verliehen wird, zitiert aus der Rede von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder bei der Preisverleihung in Bruchsal. Sinngemäß führte die nämlich aus, dass Kinder, die zweisprachig aufwachsen, also mit Hochdeutsch und Dialekt, bei Untersuchungen rund 30 Prozent besser abschneiden würden. Weibel vermutet, dass die Sinne durch die Mundart besser aktiviert würden. Er ist auf jeden Fall überzeugt: „Der Dialekt verblödet den Nutzer nicht, sondern fördert er den Intellekt.“
Auch wenn das Idiom meist regional verwurzelt ist, es wird überall verstanden. Er frage sein Publikum immer wieder, ob alles verstanden werde und auch wenn nicht jedes Wort erkannt wird – „die Message kommt an“, betont der Liedermacher. Dessen Auftrittsgebiet beschränkt sich übrigens nicht auf die Kurpfalz, auch auf der anderen Seite des Rheins versteht man ihn. So tritt er jedes Jahr mit großem Erfolg beim Wurstmarkt in Bad Dürkheim auf und hat in diesem Jahr beim Mundartwettbewerb in Dannstadt sogar den ersten Preis gewonnen. „Als reinrassiger Kurpfälzer habe ich mich beim Mundartwettbewerb Dannstadter Höhe mit zwei Liedern beworben und tatsächlich wurde ich zum Finale eingeladen“, erinnert er sich. Mit seinem Lied „Fa eisch zwoh“ belegte er beim Finale den ersten Platz, was ihn sichtlich mit Stolz erfüllt.
Preise geben ihm Genugtuung
Zumal solche Preise, wie auch der „Gnitze Griffel“ für ihn als Künstler unabhängig von der Mundart eine Genugtuung darstellen, Bestätigung sind. Man sitze Stunden, Tage daheim mit seiner Gitarre, texte und komponiere und am Ende stehe die bange Frage, ob es den Menschen überhaupt gefallen werde. Da ist ein positives Feedback, Balsam für die Künstlerseele. „Ich merke, es spricht die Menschen an, sie finden sich darin wieder“, umreißt er sein Schaffen. Wohl auch deshalb, weil er authentisch wirkt in seinen Liedern, weil der Dialekt nicht aufgesetzt daherkommt, sondern „aus dem Bauch heraus“.
Oder wie es Weibel ausdrückt, in der Mundart findet er sich aufgehoben, ist er daheim. Auch wenn der Dialekt, wie jede Sprache, Veränderungen unterworfen ist: „Meine Oma sprach noch viel ausgeprägter als ich heute.“ Der Dialekt verliere aber nie die identitätsstiftende Wirkung. Doch er bedürfe der Pflege.
Weshalb Weibel nun mit anderen Mundartkünstlern einen Verein gegründet hat – die Gründung fand übrigens in Reilingen statt – der dem Dialekt mehr Bedeutung verleihen möchte: „Unsere Sprachheimat – schwätze, redde, babble“. 50 Mitglieder aus der künstlerischen Mundartszene, der Wissenschaft, aus Heimatvereinen und ganz einfach viele Dialektfreunde finden sich in dem Club wieder.
Für Weibel ist der neue Verein auch eine Notwendigkeit, den hiesigen gegen andere Sprachräume zu behaupten. Man müsse organisiert sein, wolle man dem Kurpfälzer Dialekt Geltung verschaffen, so der Künstler, der die Vorteile des Zusammenschlusses betont: Die Mitglieder können sich austauschen, sich gegenseitig zu Auftritten verhelfen und natürlich die Reichweite ihres Wirkens vergrößern.
Weibel selbst, der schon vielfach mit Preisen ausgezeichnet wurde, braucht sich um Auftritte keine Gedanken zu machen, er ist ein gut gebuchter Künstler, nicht nur in der Pfalz, sondern auch in der Region.
Wer den Mundartsänger einmal live erleben möchte, dem sei der Samstag, 11. November, ans Herz gelegt, dann ist Charly Weibel auf dem Wersauer Hof in Reilingen zu hören.
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