Ira Schaible
Frankfurt. Als Oberkommissar Heinz Gischler über den Wochenmarkt in Frankfurt-Bornheim geht, stürzt ein Gurken-Händler auf ihn zu: "Ein Radfahrer hat an meinem Stand eine ältere Frau angefahren und ist dann einfach weitergefahren", beschwert sich der Thüringer Jörg Valtin. "Wir haben meist ältere Kundschaft und viele Radfahrer sind so rücksichtslos." Gischler hört aufmerksam zu und kündigt an, zu klären, ob das Problem mit Hilfe von Schildern entschärft werden kann.
Die Rundgänge über Wochen- und Flohmärkte sowie durch problematische Straßenzüge gehören wie die Gespräche mit Kriminalitätsopfern und Bürgersprechstunden zu den Aufgaben der "mobilen Wache" in Frankfurt, die in dieser Form in Hessen einzigartig sei, sagt Polizeipräsident Achim Thiel. Sie trage wesentlich zur Vorbeugung von Kriminalität bei.
Gischler (55) und sein Kollege Markus Jans (45) sind an vier Tagen in der Woche mit einem speziellen Polizei-Kleinbus im Norden Frankfurts unterwegs. Das Fahrzeug ist mit einem Laptop ausgestattet. "Über UMTS haben wir Anschluss ans Polizeinetz", sagt Oberkommissar Gischler. So können die Beamten im Wagen wie auf der Wache Anzeigen aufnehmen. "Allerdings gehen die Leute dafür lieber aufs Revier", berichtet der "Schutzmann zum Anfassen". "Wir erteilen in der Regel Auskünfte." Auch dafür brauchen die Polizisten den Internet-Zugang.
"Präsenz vor Ort zeigen"
"Präsenz vor Ort zeigen", beschreibt Gischler seine Hauptaufgabe. Um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, lassen Jans und er den Wagen oft stehen und laufen zu Fuß Streife. "Wir müssen offensiv rausgehen, das bringt mehr." Wie auf dem Markt im Stadtteil Bornheim, auf dem sich ein älterer Mann spontan an den Uniformierten wendet: Er sei fälschlicherweise des Diebstahls verdächtigt worden und deshalb auf dem Revier fotografiert worden. Nun seien die Ermittlungen als unbegründet eingestellt worden. "Aber was passiert mit meinen Fotos und dem Protokoll? Bleiben die im Archiv der Wache oder werden sie vernichtet?" Gischler kann den besorgten Mann schnell beruhigen.
Ein Kartoffel- und Zwiebelhändler nutzt die Präsenz des Polizisten, um sich über Straßenmusiker zu beschweren. "Die spielen so falsch, da gehen die Kunden wieder. Und man kriegt von der Musik Kopfschmerzen." Ob die Musiker nicht verpflichtet werden könnten, richtig zu spielen? "Das ist dann die andere Seite", sagt Gischler achselzuckend. "Diese Beschwerde ist eigentlich völlig unbegründet."
Gischler und Jans suchen auch den Kontakt zu Opfern von Überfällen, Trickdiebstählen und Einbrüchen. Viele von ihnen sind alt, "denn die Täter suchen sich immer das leichteste Opfer". Eine 88 Jahre alte Frau ist in ihrer Wohnung von zwei Trickdieben übers Ohr gehauen worden. Sie stahlen eine Goldkette und zwei Paar neue Schuhe. Eine 74-Jährige wurde von einem Unbekannten von hinten auf den Kopf geschlagen und ihrer Handtasche beraubt. "Wir unterhalten uns erstmal nur mit den Geschädigten und versuchen rauszufinden, ob wir helfen können, und ob sie traumatisiert sind." Dann verweisen die Polizisten etwa auf das Trauma- und Opferzentrum Frankfurt.
"Außerdem haben wir gute Kontakte zum Weißen Ring und zu den Sozialrathäusern", sagt Gischler. Die Sozialarbeiter können vielleicht bei einer 78-Jährigen helfen, die einen Raub in ihrer leicht verwahrlosten Wohnung anzeigte und dabei auf die Beamten einen verwirrten Eindruck machte. Nach Einbrüchen verweisen Gischler und Jans Mieter und Eigentümer darauf, wo sie Tipps zur besseren Sicherung der Wohnung finden.
Neben seiner Arbeit als "mobile Wache" für die Polizeidirektion Frankfurt-Nord führt Gischler noch das Geschäftszimmer im 12. Revier. Anfangs habe er Bedenken gehabt, ob ihm der Job als "Schutzmann zum Anfassen" Spaß machen werde, erzählt Gischler, der aus gesundheitlichen Gründen nach 30 Jahren mit dem Schichtdienst aufhören musste. Die Zweifel sind nach zwei Jahren bei dem Polizisten inzwischen aber längst verflogen.
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