Faktencheck - Bei der WM scheidet erneut der Titelverteidiger aus, der Videobeweis funktioniert und Wladimir Putin macht sich rar

Favoriten-Fluch und kaum Propaganda

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Florian Lütticke
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14. Juni, Luschnikistadion in Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin spricht bei der Eröffnungsfeier zu den Zuschauern. © dpa

Moskau. Die Zweifel vor der WM in Russland waren groß. Kann Deutschland den Titelverteidiger-Fluch besiegen? Nutzt Wladimir Putin das Turnier für eine Propaganda-Show? Zerstört der Videobeweis die Freude am Fußball. Welche Befürchtungen haben sich bestätigt, welche Erwartungen haben sich erfüllt – ein Faktencheck.

  • These: Der Titelverteidiger hat es bei einer WM schwer.
    Bewertung: richtig
    Fakten: Nach Frankreich (2002), Italien (2010) und Spanien (2014) erwischt es auch Deutschland. Zum vierten Mal bei den fünf vergangenen Weltmeisterschaften ist das Turnier für den amtierenden Champion schon nach der Vorrunde zu Ende.
  • These: Die großen Stars entscheiden Turniere.
    Bewertung: falsch
    Fakten: Teamgeist statt Einzelkönner lautet ein WM-Trend in Russland. Die alte Riege der Weltstars ist früh draußen: Cristiano Ronaldo kann auch mit vier Toren das Achtelfinal-Aus für Portugal nicht verhindern, Lionel Messi geht mit Argentinien im Chaos unter. Von Neymar bleiben nur zweifelhafte Schauspieleinlagen in Erinnerung. Stattdessen stoßen Harry Kane, Kevin De Bruyne, Kylian Mbappé und Luka Modric in die höchste Star-Kategorie vor.
  • These: Der Videobeweis bringt durch unerfahrene Schiedsrichter Chaos.
    Bewertung: falsch
    Fakten: Die WM macht der Bundesliga vor, wie der Videobeweis eingesetzt werden sollte. Überwiegend sorgen die Assistenten vor den Bildschirmen in Moskau für mehr Gerechtigkeit, schreiten nur bei klaren Situationen ein. Knapp 30 Mal wird der Videobeweis sichtbar eingesetzt. Für Diskussionen sorgt das Hilfsmittel vor allem dann, wenn die Unparteiischen drauf verzichten – so war für den deutschen Schiedsrichter Felix Brych nach seinem nicht gegebenen Elfmeter für Serbien in der Partie gegen die Schweiz die WM ohne weiteren Auftritt beendet.
  • These: Die WM wird zur Dauer-Propagandashow für Russlands Präsident Wladimir Putin.
    Bewertung: nur bedingt richtig
    Fakten: Beim 5:0 der Sbornaja im Eröffnungsspiel gegen Saudi-Arabien bemitleidet Putin Kronprinz Mohammed bin Salman auf der Ehrentribüne. Ansonsten macht sich der Kremlchef überraschend rar und zeigte sich vor dem Finale nicht mehr im Stadion. Und doch sonnt sich Putin gerne im Licht der WM, empfängt Legenden wie Lothar Matthäus im Kreml, präsentiert sich als Vertrauter von Fifa-Chef Gianni Infantino auf dem Roten Platz. Der russische Präsident darf sich als WM-Gewinner fühlen. Trotz aller politischen Spannungen lobt selbst Englands Coach die WM in höchsten Tönen. „Die Organisation ist erstklassig“, sagt Gareth Southgate. „Es gab viele Storys vor dem Turnier, von denen ich schon vorher wusste, dass sie falsch sind – und das hat sich bewiesen.“
  • These: Die WM wird von rassistischen Übergriffen und Hooligan-Angriffen überschattet.
    Bewertung: falsch
    Fakten: Die Schreckensbilder aus Marseille von der EM 2016, als sich russische Hooligans mit Engländern prügelten, wiederholen sich nicht. Stattdessen zieht das Anti-Diskriminierungsnetzwerk Fare ein weitgehend positives Fazit: Rassistische Vorfälle gab es bis zu den letzten Spielen keine, nur sexistische Übergriffe trüben das Bild. Ob sich die Situation beispielsweise für Homosexuelle nach der WM nicht doch wieder verschlechtert, bleibt abzuwarten.
  • These: Die WM wird wie die Winterspiele von Sotschi 2014 zum Dopingfest.
    Bewertung: seriös nicht zu beantworten
    Fakten: Die Fifa steht wegen eines intransparenten Testsystems in der Kritik von Experten. Details und genaue Zahlen zum Anti-Doping-Programm während des Turniers gibt es nicht, nur die Aussage: Keine positiven Tests. Die Laufleistung und Ausdauer des russischen Teams sorgen zumindest bei einigen Beobachtern für Verwunderung.

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