Frankfurt. Im Grunde ist Omid Nouripour gescheitert. Mehrfach, sagt er. Er erzählt, er wollte nie an die Universität; er studierte dennoch einige Semester in Mainz. Er sagt, er wollte nie für eine Zeitung arbeiten; er schrieb dennoch für die Frankfurter Rundschau. In die Politik? Wollte er, so sagt er, auch nicht; heute sitzt der 38-Jährige iranischer Abstammung im Bundestag, er ist außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, in Untersuchungsausschüssen zur Kundus-Affäre und zur Euro-Hawk-Affäre erwarb er Ansehen. "Ich hatte mir vorgenommen, was ich nicht werden will. Das hat alles nicht geklappt."
Ironie? Möglich. Nouripour versteht sich aufs Schelmische, er sagt auch Sätze wie "Mehr als ein Hesse kann ein Mensch nicht werden" oder, als (ziemlich offensiv) bekennender Fan von Eintracht Frankfurt, Sätze, die in etwa so klingen: "Alles außer Frankfurt ist sehr doof." Im Bundestag gibt es einen Eintracht-Fanclub, den "bundesAdler", deren Vorsitzender ist: Omid Nouripour. Beim Kurznachrichtendienst Twitter kann man regelmäßig verfolgen, wie es um den Verein - und den Gemütszustand - von Nouripour steht. Neulich zum Beispiel, die Eintracht hatte gewonnen, schrieb er: "Hier! Regiert! Die SGE!"
Dass er aber nicht nur den Erfolg der Adler, sondern auch die Gesellschaft mitgestalten will, das stand für Nouripour schon früh fest. Er wurde im Juni 1975 in Teheran geboren, wuchs auf in einer Zeit, in der die iranische Revolution aus dem Land einen islamischen Gottesstaat machen wollte, von 1980 bis 1988 tobte der Golfkrieg zwischen Irak und Iran. Wenig Freiheit, viel Zeit vor dem Radio. Darum sagt er: "Ich wusste schon immer, dass ich mich engagieren will." 1988, im Alter von 13 Jahren, kam er mit seinen Eltern, beide Akademiker, nach Deutschland und lebte dann in Frankfurt.
Kellner und Küchenhilfe
Der Vater arbeitete hier zunächst in einer Spedition, seine Mutter als Warenauffüllerin im Kaufhof. "Migration ist immer auch ein sozialer Abstieg", sagt Nouripour. Er selbst hatte zahlreiche Nebenjobs: Küchenaushilfe, Kellner, Bücherverkäufer, Zeitungsausträger, Museumswärter. In einem Hotel arbeitete er als Aushilfe - "für 1,25 Mark in der Stunde". Er war noch sehr jung damals, das genaue Alter verrät er nicht.
In Frankfurt ging er zur Schule, in Mainz studierte er unter anderem Deutsch, Politik und Rechtswissenschaften. Den Abschluss hat er aber nie gemacht, weil er sich für die Politik als Hauptberuf entschied.
Eigentlich hatte Nouripour zunächst bei der SPD angeklopft. Dort aber, so schildert es der heute 38-Jährige, fragte man ihn sofort: "Wo kommst du her?" Anders bei den Grünen, da sei es nicht wichtig gewesen. Darum blieb er. Sein Weg führte von der Migranteninitiative ImmiGrün über die Grüne Jugend Hessens bis in den Bundesvorstand der Grünen. 2006 rückte er für Joschka Fischer in den Bundestag.
Heute gilt Nouripour als Realo und als jemand, der auf das direkte Wort setzt. Er nennt das "lösungsorientiert". In einer Analyse nach der Niederlage der Grünen bei der Bundestagswahl schrieb er, die Partei müsse wieder zu einer offenen Diskussionskultur zurückfinden. "Wer gegen den Konsens der Gegenzeichnung, mithin gegen den Korps-Geist der Partei verstößt, muss damit rechnen, persönlich angegriffen und gleichsam in die Ecke gestellt zu werden." Wenn Nouripour findet, dass etwas schiefläuft, sagt er das. "Was mir auf den Keks geht, das sind die, die kein Koordinatensystem haben."
Nouripour regt sich auf über große und vermeintlich kleine Missstände. Es ist einige Jahre her, da warb ein Mobilfunk-Konzern für billiges Telefonieren: "Redefreiheit" nannte er das auf Plakaten. "Das hat mich rasend gemacht", sagt Nouripour. "Für Redefreiheit sind Leute gestorben."
"MC Omid" am Mikrofon
Nouripour kann auch lässig: Gelegentlich tritt er als "MC Omid" auf und übt sich im Rap. In einem Wahlkampf-Song 2009 ist zu hören: "Mach ma' Grün an die Macht, denn Grün hilft aus der Krise. Mach ma' Grün an die Macht, denn die anderen machen Miese."
Er nimmt vieles gelassen. Immer wieder bekommt er E-Mails, in denen er wegen seiner Herkunft beleidigt und beschimpft wird. Einer zum Beispiel schrieb: "Du scheiß Araber, geh' zurück in die Türkei." Nouripour sagt dazu: "Hey Leute, kauft euch einen Globus."
Aufgaben in der Politik
Seit Ende 2013 ist Omid Nouripour außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag.
Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.
Außerdem ist er stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss und im Unterausschuss für Auswärtige Kulturpolitik. jup
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