Wohnen

Legionellen-Hochhaus in Mannheim: Wasseruhr fliegt aus der Wand und trifft 88-Jährige

Nach Problemen mit Legionellen in einem der Hochhäuser im Mannheimer Stadtteil Vogelstang gibt es neuen Ärger. Warum eine 88-Jährige seit vier Monaten in einem Hotel lebt und nicht weiß, wie es weitergeht

Von 
Agnes Polewka
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Eine Wasseruhr (Symbolbild) ist in Mannheim aus der Wand und gegen eine Frau geflogen. © Jens Büttner/dpa

Mannheim. Was am 30. April passiert ist, wird Elsbeth Kunkel nicht so schnell vergessen. Am Abend, gegen 21 Uhr, machte sich die 88-Jährige im Bad ihrer Wohnung im Geraer Ring gerade fertig für die Nacht, als sie einen lauten Knall hörte, der durch das Hochhaus auf der Vogelstang hallte. Der Kaltwasserzähler flog aus der Wand und prallte gegen ihren Rücken. Ein Strom kalten Wassers schoss aus der Wand. Die 88-Jährige schrie um Hilfe, Nachbarn eilten herbei. Nachdem die Feuerwehr eingetroffen war und das Wasser abgestellt hatte, begann Kunkel damit, ihr Hab und Gut zu trocknen, Nachbarn brachten ihr ein Gästebett vorbei. Dann rückte eine Firma an, um die Wohnung zu trocknen.

Seit 55 Jahren Mieterin im Haus

Weil es laut Kunkel aber feucht blieb und die Sachverständigen ihrer Hausratversicherung Asbest in einer Bodenprobe fanden, stand für Elsbeth Kunkel fest: Sie musste raus aus dieser Wohnung. Auch der Sachverständige riet ihr dringend dazu, vorübergehend auszuziehen. Denn die 88-Jährige leidet unter einer Lungenfibrose. Und so fuhr Kunkel am 15. Mai 307 Kilometer mit dem Taxi in den Kneipp-Kurort Bad Wörishofen. Wenn sie schon aus ihrer Wohnung musste, dann wollte sie an einen Ort, an dem sie gleich noch etwas Gutes für ihre Gesundheit tun konnte. Nicht ahnend, dass sie fast vier Monate später immer noch dort sein würde.

„Es tut sich nichts in der Wohnung“, sagt die Mannheimerin, die seit 55 Jahren im 15. Stock im Geraer Ring 2 im Stadtteil Vogelstang lebt. „Ich bin die älteste Hausbewohnerin“, sagt sie in einem Videotelefonat mit dieser Redaktion. Ein Mitarbeiter des Hotels im Unterallgäu hat ihr dafür sein Tablet geliehen. Die Kosten für ihre Unterbringung zahlt ihre Hausratversicherung.

Elsbeth Kunkel wohnt seit dem Wasserschaden im Hotel – und weiß nicht, wann sie in ihre Wohnung zurückkann. © Privat

Mehrfach habe der Sachverständige dieser Versicherung per Mail versucht, mit der Hausverwaltung Grand City Property (GCP), die unter anderem in Berlin sitzt, in Kontakt zu treten, so Kunkel. Nach Angaben der GCP handelt es sich bei dem Wohnhaus im Geraer Ring 2 um eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit verschiedenen Eigentümern. GCP sei im Auftrag aller Eigentümer mit der Verwaltung des Wohnhauses betraut.

In den Mails des Gutachters der Hausratversicherung von Kunkel, die dieser Redaktion vorliegen, bittet der Sachverständige die Hausverwaltung wieder und wieder um weitere Infos. Am 8. Mai, am 15. Mai, am 24. Mai, am 3. Juli und am 4. August. Er fragt, wann die Wasseruhr montiert wurde und von wem. Und weiter: Wurden seit dem Vorfall irgendwelche Arbeiten an der Wasseruhr durchgeführt? Wenn ja, wann und von wem? Wer ist der Gebäudeversicherer? Und die für Elsbeth Kunkel wichtigste Frage: Wie ist der Sanierungsstand in der Wohnung von Frau Kunkel? Die Versicherung schreibt die Hausverwaltung per Brief an. „Keine Reaktion“, sagt Kunkel.

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Ihre Anfragen bleiben ebenfalls unbeantwortet. Bis Anfang September sei immer noch nichts passiert, sagt die 88-Jährige. Und sie wisse nicht, wie es für sie weitergehe. Elsbeth Kunkel ist einsam. Ihre Nachbarn, mit denen sie sich gut versteht, fehlen ihr. Und ihre Bekannten in der Stadt. Auch müsse sie dringend wieder zu ihren Lungenfachärzten nach Mannheim und Heidelberg.

Offene Fragen

Kunkel hat viel investiert in die 59 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung, in der sie zur Miete wohnt. Eine neue Haustür habe sie angeschafft, den Balkon und das Bad habe sie fliesen lassen, sagt sie. Eine andere Wohnung zu beziehen, das kommt für die 88-Jährige nicht in Frage. „Hier in Bad Wörishofen lese ich und gehe spazieren, liege aber auch viel im Bett und habe schon das eine ums andere Mal gedacht: Ich stehe nicht mehr auf“, sagt Kunkel. Sie sehnt sich nach ihrem Zuhause. „Ich gehöre doch nach Mannheim, dort will ich auch sterben. Aber zuerst will ich zurück in meine Wohnung.“

Doch warum dauert die Sanierung der Wohnung so lange? Wieso reagiert niemand auf die Anfragen von Elsbeth Kunkel und ihrer Versicherung? „Sämtliche Anliegen werden immer umgehend bearbeitet und Schäden grundsätzlich schnellstmöglich behoben“, so eine Sprecherin der Hausverwaltung. Weitere Angaben macht sie nicht. Auch nicht dazu, wann Kunkel wieder in ihre Wohnung kann. Nur so viel: „Hintergrund des Wasserschadens in der von Ihnen genannten Wohnung sind vermutlich defekte Kaltwasserzähler eines großen Messtechnikdienstleisters. Die Angelegenheit ist bereits sowohl mit der Versicherung als auch dem Messtechnikdienstleister in Klärung.“ Man setze weiterhin alles daran, dass die notwendigen Arbeiten schnellstmöglich erledigt werden.

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Auch eine andere Frage bleibt in der Stellungnahme unbeantwortet: Nämlich danach, wie viele weitere Fälle es gibt, von denen andere Mieter berichten. Mehr als 60 - bei 199 Wohnungen - sollen es inzwischen sein, so eine Mieterin. Auch mutmaßen die Bewohner, dass es eine andere Ursache für die Vorfälle geben könnte: Durch den überhöhten Druck in den Kaltwassersträngen des Hochhauses seien die Wasseruhren nach und nach aus den Leitungen gesprengt worden, die alle noch aus den 60er Jahren stammen sollen. So soll hinter den Kulissen ein Streit zwischen der Hausverwaltung und dem Messtechnikdienstleister darüber entbrannt sein, wer die Verantwortung für die Vorfälle trägt.

Schlagzeilen wegen Legionellen

Bereits in den vergangenen Wochen hatten die Hochhäuser auf der Vogelstang, die von GCP verwaltet werden, Schlagzeilen gemacht. In Kunkels Wohnhaus war eine extrem hohe Kontamination mit Legionellen entdeckt worden. Das teilte die Berliner Hausverwaltung Grand City Property im August auf Anfrage dieser Redaktion mit. Die Bewohner durften zeitweise nicht mehr duschen. Wird der Wasserdampf eingeatmet, können Legionellen Lungenerkrankungen verursachen.

Im Falle von Elsbeth Kunkel könnte die Sache im Grunde relativ schnell erledigt werden, sagt ein Bekannter der 88-Jährigen, der sie seit Wochen unterstützt. „Im Prinzip müsste der Teppichboden entfernt werden, allerdings durch eine Spezialfirma, da der Estrich unter dem Teppich asbesthaltig ist“, sagt Michael Kunath, der Elsbeth Kunkel in Bad Wörishofen kennengelernt hat, als seine Tante im gleichen Hotel im Unterallgäu übernachtete. „Dann müssten ein PVC- oder Linoleumboden verlegt und die Wände mit Raufaser tapeziert und weiß gestrichen werden.“ Und Kunkel könnte - nach fast vier Monaten - endlich zurück in ihre Wohnung. „Es wäre wirklich schön, wenn ich im November meinen 89. Geburtstag dort feiern könnte“, sagt die Seniorin.

Redaktion

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