Mannheim. In diesem Jahr begeht die Mädchennotaufnahme St. Agnes ihr 20-jähriges Jubiläum. Die Einrichtung ist Außenstelle des Katholischen Kinder- und Jugendheims St. Josef und hat ein eigenes Haus in der Mittelstraße in der Neckarstadt-West.
Knapp 2000 Mädchen bislang in der Notaufnahme St. Agnes in Mannheim untergebracht
Die Mädchennotaufnahme ist 2003 in Betrieb gegangen. Seitdem wurden knapp 2000 Mädchen zwischen 13 und 18 Jahren an 365 Tagen im Jahr in der Einrichtung aufgenommen, betreut, versorgt und zum Teil bis in das Berufsleben oder eine neue Wohnung begleitet. Die Mädchen kommen aus allen sozialen Schichten. „Aufgrund der Erfahrungen der trägerübergreifenden Anlaufstelle für Straßenkids - Freezone und dem besonderen Bedarf der Notaufnahmegruppe für jugendliche Mädchen, die zum damaligen Zeitpunkt noch im Hauptheim von St. Josef in Käfertal untergebracht war (seit 1987), war eine Auslagerung der Notaufnahmegruppe für jugendliche Mädchen pädagogisch sinnvoll und notwendig geworden“, berichtete Petra Weber, Leiterin des Kinder- und Jugendheims St. Josef. Das Haus der Außenstelle St. Agnes im zentralen Stadtteil Neckarstadt wurde 2003 gemeinsam vom Kinderheim- und Jugendheim St. Josef und dem Kinderheim St. Anton erworben. Ursprünglich diente das Gebäude lange Jahre als Altenheim.
Seit 20 Jahren ein Anker
- Die Außenstelle St. Agnes in der Neckarstadt wurde 2003 gemeinsam vom Kinderheim- und Jugendheim St. Josef und dem Kinderheim St. Anton erworben. Ursprünglich diente das Gebäude lange Jahre als Altenheim.
- Aufgrund der Erfahrungen der trägerübergreifenden Anlaufstelle für Straßenkids – Freezone und dem besonderen Bedarf der Notaufnahmegruppe für jugendliche Mädchen, die zum damaligen Zeitpunkt noch im Hauptheim von St. Josef untergebracht war, war eine Auslagerung pädagogisch notwendig geworden.
- Die Mädchennotaufnahme ist Tag und Nacht für Mädchen und junge Frauen in Not ab 13 bis 18 Jahre geöffnet. Adresse: St. Agnes, Mittelstraße 30, Tel. 0151 20 91 98 74.
Das Angebot von St. Agnes richtet sich an Mädchen ab 13 Jahren - die weiter bestehende Notaufnahme im Kinder- und Jugendheim St. Josef in Käfertal an jüngere Kinder. In St. Agnes leben ausschließlich Mädchen und junge Frauen, wodurch für sie der entsprechende Schutzrahmen sichergestellt ist. Das Gebäude und die einzelnen Zimmer sind geräumig und bieten den Mädchen und jungen Frauen zusätzlich zum ansprechenden Wohn- und Schlafbereich auch Räume für durch Fachkräfte angeleitete Beschäftigungsangebote. In der Außenstelle St. Agnes befinden sich neben der Notaufnahmegruppe für jugendliche Mädchen, eine stationäre Mädchengruppe, eine Mädchenwohngemeinschaft und ein Büro der ambulanten Hilfen (Sozialpädagogische Familienhilfe, Betreuungshilfe).
16-Jährige klopft als Erste an die Tür von St. Agnes
Die Mädchennotaufnahme St. Agnes wird geleitet von Traudl Bellon. Sie erinnert sich noch gut an das Mädchen, das in der ersten Nacht an die Tür der Mädchennotaufnahme klopfte, weil es zu Hause Probleme hatte und nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll. Damals seien sie noch ein Sleep In gewesen. Die 16-Jährige war zu Hause rausgeflogen und lebte auf der Straße. Mitarbeiter von Freezone hätten sie auf das Sleep In in der Mittelstraße aufmerksam gemacht. „Das Mädchen sah, dass die Tür zum Bad offenstand und fragte als erstes, ob sie in die Badewanne dürfe“, erzählte Bellon.
Ihr geht die Geschichte noch heute sichtbar nahe. Das Mädchen kam aus schwierigen Familienverhältnissen, wo Gewalt an der Tagesordnung war. „Ihr Leben zu Hause war spartanisch, sie hatten keine Badewanne, hier bei uns hatte sie das erste Mal Zeit und Raum für sich“, so Bellon. Sie hat im Laufe der Jahre viele Geschichten kennengelernt von Mädchen und jungen Frauen, die Schutz und Sicherheit brauchen, die zuhause Probleme haben, sich in ihrer alltäglichen Umgebung bedroht fühlen, Stress in der Partnerschaft haben, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder kulturellen Hintergrundes diskriminiert werden, die von sexueller Gewalt betroffen oder von Zwangsverheiratung bedroht sind. Die Mädchennotaufnahme bietet Mädchen in Not eine vorläufige Unterbringung in den Räume in der Mittelstraße.
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St. Agnes bietet einen Schutzraum auf Zeit
„Die Mädchennotaufnahme ist rund um die Uhr erreichbar und bietet eine lückenlose pädagogische Betreuung sowie die Versorgung der Mädchen und jungen Frauen mit Essen, Körperpflege- und Schlafmöglichkeiten“, erklärte Betreuerin Sarah Nickel. Die Mädchennotaufnahme St. Agnes bietet in erster Linie einen Schutzraum auf Zeit. „Die Mädchen bleiben manchmal nur einen Tag, für eine kurze Auszeit nach einem Knall, und wenn man die Sache dann mit ihnen und ihrer Familien bespricht, gehen sie wieder“, erzählte Bellon. Doch manche blieben auch mehrere Monate und länger. Beispielsweise die 13-Jährige, die sich zu Frauen hingezogen fühlte. Sie kam aus einer türkischen Familie, für die das eine Frage der Ehre war. Das Mädchen lebte bis zur ihrem Ausbildungsende als Bäckereifachverkäuferin in der Wohngruppe von St. Agnes. „Das ist nicht optimal“, findet Weber mit Blick auf die unruhige Mädchengruppe mit täglichen Entlassungen und Neuaufnahmen. Doch einige fänden im Anschluss keinen geeigneten Platz oder brauchten Zeit zur Klärung, so Weber. Optimal seien sechs bis acht Wochen, bis man eine geeignete Lösung fände. „Diese Zeitspanne soll so kurz wie möglich und so andauernd wie nötig sein, sie sollte maximal sechs bis acht Wochen nicht überschreiten“, betonte sie. „Es soll eine Entspannung der Krisensituation erfolgen, die die Möglichkeit der Klärung von Problemlagen und der Entwicklung einer zukünftigen, sinnvollen Perspektive bietet“, erklärte Betreuerin Sarah Nickel.
"Rückmeldung ehemaliger Mädchen beglückend"
Während des Aufenthaltes, so Weber, sollte möglichst immer eine persönliche oder zumindest telefonische Krisenberatung mit der Herkunftsfamilie erfolgen, um zu diesem Zeitpunkt gegebenenfalls schon eine Rückkehr zu ermöglichen. Dabei seien Offenheit in den Begegnungen und Transparenz der Verfahren wichtige Momente in der Arbeit mit allen Beteiligten.
Auch bei der jungen türkischen Frau, die heute Leiterin der Bäckereifiliale ist, sei der Kontakt zur Familie, die eigentlich sehr vernünftig sei, nie abgebrochen, berichtete Bellon. „Das Beglückende ist die Rückmeldung ehemaliger Mädchen, wie toll es hier ist und dass sie ihren Weg gefunden haben“,sagte Traudl Bellon.
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