Mannheim. In der Ampel-Koalition gibt es Streit. Zugegeben, das ist keine überraschende Nachricht. Dass es nun aber auch in Mannheim zwischen der Bundestagsabgeordneten der Grünen, Melis Sekmen, und dem der FDP, Konrad Stockmeier, öffentlich ausgetragene Meinungsverschiedenheiten gibt, ist in dieser Form doch relativ neu.
Stockmeier kritisiert einen Abgeordnetenbrief, den Sekmen an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geschrieben hat, und über den auch diese Redaktion berichtet hatte. In dem Brief fordert Sekmen Wissing dazu auf, eine Passage im Koalitionsvertrag umzusetzen.
Das Ministerium solle Kommunen mehr Kompetenzen bei der Straßenverkehrsordnung einräumen, um Ziele des Klimaschutzes und der städtebaulichen Entwicklung zu erreichen. Sekmen macht das an Tempo-30-Zonen fest, die verstärkt von Kommunen ausgewiesen werden könnten, etwa in der Seckenheimer Hauptstraße in Seckenheim und der Seckenheimer Straße in der Schwetzinger Vorstadt.
Wissing solle erklären, welche Schritte sein Ministerium unternommen habe, um die Anpassung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrsordnung voranzutreiben und welche Schritte und „konkreten Maßnahmen“ noch geplant seien.
Reform bereits am 21. Juni beschlossen
Stockmeier verweist nun darauf, dass das Kabinett „mit Zustimmung der Grünen-Ministerien“ bereits am 21. Juni eine solche Änderung des StVG beschlossen habe. „Länder und Kommunen können künftig schneller und flexibler auf die besonderen Anforderungen vor Ort reagieren“, hatte Wissing dazu im Juni erklärt.
Die Änderung würde Ziele des Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Ordnung aufnehmen und vor allem Erleichterungen für Sicherheitsmaßnahmen an hochfrequentierten Schulwegen, Spielplätzen und Fußgängerübergängen schaffen.
Stockmeier: War Sekmen schlecht informiert?
„Die Reform sieht wesentlich mehr Spielräume für Kommunen vor - auch um Tempo-30-Zonen auszuweisen“, sagt Stockmeier dieser Redaktion. Er könne deshalb „nicht nachvollziehen, warum Melis Sekmen etwas fordert, was bereits durch das Kabinett gegangen ist, und dass sie noch dazu den Minister zu transparenten Handeln auffordert, obwohl die Änderung öffentlich kommuniziert worden ist“, sagt Stockmeier. „Womöglich ist das an ihr vorbeigegangen oder sie ist nicht darüber informiert gewesen - beides wäre merkwürdig.“
Der Brief lese sich, als ob Wissing „nichts macht und nicht in die Pötte kommt“, kritisiert Stockmeier. „Dabei hat er vieles bereits erledigt und das Gesetz ja reformiert. Man gewinnt eher den Eindruck, dass Melis Sekmen die Änderung nicht kennt.“
Sekmen: Natürlich kenne ich die Änderungen
Die weist diese Kritik zurück. „Natürlich kenne ich die Änderung.“ Die gehe aber nicht weit genug und schränke Kommunen in ihrer Eigenständigkeit immer noch ein, etwa bei der Ausweisung von Tempo-30-Zonen, kritisiert Sekmen, die sich auch auf Forderungen der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ und Verkehrsverbänden beruft. Die Initiative vertritt auch Interessen der Stadt.
Die Grünen haben der Änderung dennoch zugestimmt. „Das Gesetz ist eine kleine Verbesserung, der wir letztlich so zugestimmt haben, weil in dieser politischen Konstellation mit der FDP nicht mehr rauszuholen war“, sagt sie. „Das muss man ganz klar so sagen.“ Auch mit der Reform hätten Kommunen noch „massive Probleme“ bei der Ausweisung von 30er-Zonen, erklärt sie.
Initiative von Ralf Eisenhauer
Sekmen betont, den Brief nicht im eigenen politischen Interesse, sondern in dem der Stadt verfasst zu haben. „Aus meiner Zeit als Gemeinderätin kenne ich die Gestaltungsprobleme der Kommunen bei der Thematik“, sagt sie. „Vielleicht fehlt Konrad Stockmeier bei dieser Frage auch etwas das Gespür für die Probleme der Kommunen. Er ist herzlich eingeladen, sich dem Anliegen unserer Stadt anzuschließen.“
Stockmeier und Sekmen berichten von einem Schreiben, mit dem sich Verkehrsdezernent Ralf Eisenhauer (SPD) an die Abgeordneten gewandt haben soll und in dem er dem Vernehmen nach die geplante Gesetzesanpassung als nicht weitgehend genug kritisiert. Stockmeier hingegen erklärt, auch Eisenhauer geantwortet zu haben, dass mit der Reform Kommunen „wesentlich mehr Spielräume“ bekämen. Ein Sprecher des Dezernats bestätigt diesen Schriftwechsel.
Der erklärt weiter, dass das Dezernat zu Differenzen zwischen den beiden nichts sagen könne. Allein in dieser Periode aber sind 27 Anträge und Vorlagen aus Gemeinderat und Bezirksbeirat zu Tempo-30-Zonen dokumentiert. „Vielen kann nicht entsprochen werden - nicht weil es nicht gewollt ist, sondern weil es rechtlich nicht umsetzbar ist.“ Deshalb habe sich Eisenhauer an die Abgeordneten gewandt.
Dezernat noch zurückhaltend
Und was hält die Verwaltung von der Reform, die von Bundestag und Bundesrat noch beschlossen werden muss? Das Dezernat äußert sich bedeckt. Die Änderung sei „ein erster, wichtiger Schritt“ zu mehr Gestaltungsspielraum. „Jedoch muss die Reform auch schnell und konsequent mit den Bundesländern umgesetzt werden.“ Ob die 27 Anträge am Ende „tatsächlich anders beantwortet werden könnten, muss sich erst noch zeigen“.
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