Kommentar Vorschriften für Verkauf von halben Broten: Weit an Lebenswirklichkeit vorbei

In der Pfalz verzichten einige Bäcker wegen zu viel Bürokratie jetzt auf den Verkauf von halben Broten. Das zugrunde liegende Gesetz verfehlt komplett seinen eigentlichen Zweck, kommentiert Julian Eistetter

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Julian Eistetter
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Wenn jemand nicht ganz helle ist, dann wird er im Volksmund schon mal gerne als „dumm wie Brot“ bezeichnet. Dieser Ausdruck kommt einem auch in den Sinn, wenn man die aktuellen Entwicklungen rund um den Verkauf halber Brote in rheinland-pfälzischen Bäckereien betrachtet. Links des Rheins hat sich nämlich das Landesamt für Mess- und Eichwesen offenbar zum Ziel gesetzt, Verstöße gegen das Eichgesetz in Filialen mit Kontrollen aufzudecken. Wer einem Kunden ein halbes Brot verkauft, ohne dieses davor noch einmal zu wiegen, dem könnte Ärger drohen. Geht’s eigentlich noch?

Viel weiter kann eine Behörde mit ihrem bürokratischem Aktionismus wohl kaum an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeizielen. Viele Bürgerinnen und Bürger brauchen kein ganzes Brot. Die Hälfte würde vertrocknet im Müll oder im Ententeich landen. Egal ob Single, alleinerziehendes Elternteil oder verwitwete Seniorin - sie alle lassen sich beim Bäcker ihr Brot durchschneiden. Die wenigsten würden dabei auf die Idee kommen, beide Hälften wiegen zu lassen, damit sie auch ja nicht um 20 Gramm Brot betrogen werden.

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Julian Eistetter
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Genau vor einem solchen Betrug soll das alte Eichgesetz die Kunden schützen. Das mag früher sinnvoll und berechtigt gewesen sein, heute ist es einfach nur noch unsinnig. Denn wenn der überbordende Bürokratismus jetzt dazu führt, dass Bäckereien den Verkauf von halben Broten stoppen, um keine Konsequenzen fürchten zu müssen, dann schadet die Durchsetzung des Gesetzes genau den Kunden, die es eigentlich schützen soll. Da ist es auch völlig egal, ob tatsächlich bereits Bußgelder verhängt wurden, wie in Medien berichtet wird, oder nicht - wie das Landesamt mitteilt. Die Folge, nämlich der Verkaufsstopp von halben Broten durch Bäckereien, ist bereits eingetreten.

Bäckereien, die weiterhin halbe Brote verkaufen wollen, um ihre wenigen verbliebenen Stammkunden nicht auch noch an Supermarkt-Ketten zu verlieren, müssen nun einen riesigen Verwaltungsaufwand leisten, Preise umstellen, Kassensysteme aktualisieren, Personal schulen - und nicht zuletzt Waagen beschaffen. Nach der Bonpflicht vor vier Jahren wird die Branche zumindest in Rheinland-Pfalz weiter gegängelt - und das in Zeiten von Energiekrise und Inflation. Das geht alles dermaßen weit an den Bedürfnissen des Handwerks und der Kunden vorbei, dass man sich über sterbende Betriebe nicht wundern muss. Genauso wenig wie über irritierte und wütende Verbraucher.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur