Handwerk

Skurrile Vorschriften: Warum viele Pfälzer Bäcker kein halbes Brot mehr verkaufen

Wenn Bäcker halbe Brote verkaufen, dann müssen sie diese eigentlich nochmal wiegen. Das wird in Rheinland-Pfalz verstärkt kontrolliert - mit erheblichen Folgen etwa auch bei Großbäcker Görtz

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Julian Eistetter
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Rhein-Neckar. Die 16 Verkaufsstellen der Bäckerei Scheubeck in Rheinhessen und der Pfalz verfügen allesamt schon über Waagen. Für die Inhaber Jürgen und Elke Scheubeck ist das sozusagen Glück im Unglück. Denn ab sofort werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen diese Waagen jedes Mal benötigen, wenn ein Kunde ein halbes Brot kaufen will.

Mit Kontrollen hatte nämlich das Landesamt für Mess- und Eichwesen Rheinland-Pfalz zuletzt überprüft, ob Bäckereien im Land halbierte Brote vor dem Verkauf noch einmal wiegen. Passiert das nicht, dann stellt das einen Verstoß gegen das Eichgesetz dar. Das besagt, dass Brot vor dem Verkauf gewogen werden muss. Im Normalfall passiert das schon bei der Produktion. Werden Laibe später halbiert, ist aber ein erneutes Wiegen erforderlich.

Einige Medien berichteten sogar davon, dass saftige Bußgelder verhängt worden seien. Das weist die Behörde zurück.

Riesiger Aufwand für Bäcker in der Pfalz

„Jahrzehntelang wurde der Verkauf von halben Broten ohne Wiegen geduldet“, sagt Elke Scheubeck im Gespräch mit dieser Redaktion. Die plötzliche Initiative des Landesamts in dieser Sache ist für sie nicht nachvollziehbar. „Das spiegelt sehr gut unser Land wieder - das ist typisch Deutschland“, sagt sie. Einer ohnehin schon gebeutelten Branche werde damit ein weiterer Stock in die Speichen geworfen.

Die Bäckerei Scheubeck mit Sitz in Worms habe sich dafür entschieden, die halben Brote künftig weiterhin anzubieten und auszuwiegen. „Wir hatten die Waagen ja bereits, das kommt uns zugute. Andere müssten sie aber erst beschaffen, die Geräte müssen zudem regelmäßig geeicht werden, das ist ein Riesenaufwand“, so Scheubeck.

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Doch auch mit bereits vorhandenen Waagen fällt jede Menge Arbeit an. „Wir haben alle Brote auf Kilogramm-Preise umgestellt, das musste in sämtlichen Kassenanlagen hinterlegt werden. Daneben müssen die Verkäuferinnen und Verkäufer eingewiesen werden. Wir rechnen mit einem Aufwand von zwei vollen Arbeitstagen“, sagt Scheubeck.

Bäcker verweisen auf „Handhabung seit Jahrhunderten“

Wolfang Schmidt kann nur mit dem Kopf schütteln. „Rechtlich ist das Landesamt zwar auf der sicheren Seite. Aber die Handhabung war seit Jahrhunderten so, dass die Leute ihr Brot auf Wunsch durchgeschnitten bekommen haben“, sagt der stellvertretende Obermeister der Bäcker-Innung Pfalz-Rheinhessen auf Anfrage. Und da die Haushalte heutzutage immer kleiner würden, wie Schmidt mit Blick auf Singles, Alleinerziehende oder Verwitwete sagt, sei der Wunsch nach einem halben Brot kein seltener.

„Dabei ist es den Kunden in der Regel egal, ob sie jetzt eine Scheibe weniger haben oder nicht. Niemand verlangt, dass das halbe Brot gewogen wird“, sagt der Bäckermeister. Vielmehr seien die Menschen einfach froh darüber, überhaupt ein halbes Brot bestellen zu können.

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Diese Erfahrung macht auch die Ludwigshafener Bäckerei Görtz mit mehr als 200 Filialen in der gesamten Region. Nach Angaben des Geschäftsführers Peter Görtz ist der Anteil an halben Broten unter den insgesamt verkauften aber relativ gering. Auf Wunsch der Kunden seien die Laibe bislang aber durchgeschnitten worden, auch wenn es „rechtlich vielleicht nicht ganz korrekt“ gewesen sei. Aufgrund der verstärkten Kontrollen durch das Landesamt für Mess- und Eichwesen habe Görtz nun entschieden, keine halben Brote mehr zu verkaufen. „Wir wollen natürlich nicht ständig Strafzettel bekommen“, so der Geschäftsführer.

Görtz hegt keinen Groll, zu 100 Prozent verstehen kann aber auch er die Regelung nicht. „Wir haben in den Bäckereien jeden Tag mit normalen Menschen zu tun. Vielen ist ein ganzes Brot einfach zu viel, etwa der Seniorin, deren Mann bereits gestorben ist. Diesen Menschen ist es natürlich schwierig zu erklären, warum wir ihnen nun kein halbes Brot mehr verkaufen können. Der Ärger trifft jetzt uns, weil die Leute denken, es sei unsere Entscheidung.“

Mit der Einstellung des Verkaufs halber Brote habe Görtz nun „die umsetzbare Variante“ gewählt. „Wir müssten 200 bis 250 Waagen anschaffen, die Kassensysteme umprogrammieren“, sagt der Geschäftsführer. Daneben müssten rund 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden. „Längerfristig können wir das natürlich überdenken, jetzt müssen wir erstmal sehen, wie es weitergeht“, sagt er. Sein Eindruck sei aber, dass wieder einmal etwas sehr kompliziert gemacht werde, wo es doch eigentlich viel einfacher gehe. „Die bisherige Handhabe hat niemandem geschadet“, sagt der Bäcker mit 37 Jahren Berufserfahrung.

Das sagt das Landesamt für Mess- und Eichwesen

Das Landesamt für Mess- und Eichwesen nimmt am Montagnachmittag Stellung. In einer Mitteilung heißt es, dass entgegen der Darstellungen in den Medien nicht untersagt worden sei, auf Kundenwunsch halbierte Brote zu verkaufen. Es seien auch keinerlei Bußgelder in diesem Zusammenhang festgesetzt worden. „Bäckereien dürfen weiterhin halbierte Brote verkaufen“, heißt es in der Mitteilung.

Sehr wohl seien aber die Bäckerbetriebe durch die Mitarbeiter des Amts über die bestehende Gesetzeslage „beraten“ worden - und zu deren Einhaltung aufgefordert. Also etwa zur Verwendung einer Waage. „Aufgrund dieser Beratung und der Umsetzung der Vorgaben war es beim Verkauf von auf Kundenwunsch halbierten Broten durch die Behörde nicht erforderlich, mit weitergehenden Maßnahmen einzugreifen“, heißt es.

Kritik der Bäcker-Innung: Gesetze nicht von Praktikern

Grundsätzlich sei zu unterscheiden, ob ein Brot auf Wunsch des Kunden an der Theke halbiert oder bereits vorher in Teilstücken abgepackt werde. Bei bereits abgepackten Broten müsse eine Gewichtskennzeichnung erfolgen. In einem solchen Fall sei tatsächlich ein Probekauf erfolgt und ein Unternehmen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens „um Informationen gebeten“ worden. Eine Geldbuße sei auch hier nicht festgesetzt worden. Die vorgenommenen Beratungen durch die Behörde sollen laut Mitteilung sicherstellen, dass der Verbraucher einen Warenwert erhält, der seinem gezahlten Entgelt entspricht.

Wolfgang Schmidt von der Bäcker-Innung kritisiert dennoch, dass Gesetze nicht von Praktikern, sondern in der Regel von Theoretikern gemacht werden. „Dem Handwerk wird es seit Jahren mit immer mehr Auflagen und Hürden immer schwerer gemacht“, bemängelt er. „Da braucht man sich dann nicht wundern, wenn immer mehr kleine Betriebe sterben.“

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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