Mannheim. „Schweisstrobbe“ heißt er, der gelbe Einer. Und wer aus ihm herausfällt, der vergießt mehr als einen Schweißtropfen, selbst wenn er mitten im Wasser ist - denn wieder in so ein kleines Ruderboot zurückzukrabbeln ist enorm anstrengend, viel anstrengender als gedacht. Deshalb haben Mitglieder von drei Wassersportvereinen das und noch viel mehr Notfälle auf dem Wasser bei einer Großübung am Sandhofener Altrhein mit Wasserschutzpolizei, DLRG und Rettungsdienst trainiert.
„Eine tolle Gelegenheit, mal auszuprobieren, was man in Gefahr tun muss“ nennt Janine Aberle, die Ruderwartin vom Mannheimer Ruder-Club von 1875, die Übung. Er, der Volkstümliche Wassersport und die Segler-Vereinigung Mannheim, alle drei am Altrhein ansässigen Vereine, haben sich dazu zusammengetan.
Rettungswesten anlegen
Die Initiative dazu hat die Wasserschutzpolizei ergriffen. „Man muss ja nicht immer warten, bis etwas passiert“, ist das Credo von Florian Erfurth, Schwerpunktsachbearbeiter Prävention der Wasserschutzpolizeistation Mannheim und selbst leidenschaftlicher Segler. Zwar habe es zuletzt keine schweren Unfälle auf dem Rhein gegeben, aber „Jetski-Fahrer machen uns wegen der hohen Geschwindigkeit immer mal wieder Probleme“, so der Erste Polizeihauptmeister. Das Nebeneinander von Berufsschifffahrt und Wassersportlern sei auch nicht immer einfach, „denn viele Berufsschiffer sind schnell und leise, die sehen etwa kleine Ruderboote gar nicht immer“. Ihm gehe es darum, Wassersportler „zu sensibilisieren und zu trainieren“, was alles passieren kann“, so Erfurth: „Wer von einem Segelschiff von Bord fällt, der kommt gar nicht so leicht wieder hoch - das muss man geübt haben“, sagt er.
Daher kippen jetzt auf dem Sandhofener Altrhein, abgesichert von einem Streifenboot und zwei kleinen Booten der Wasserschutzpolizei, gleich reihenweise Jollen und Kielboote um, kentern Einer ebenso wie Vierer der Ruderer oder fallen Wassersportler ins kühle Nass. Da ist es im ersten Moment zwar erfrischend, aber tatsächlich bedeutet es einige Anstrengung, wieder in so ein Boot hineinzuklettern, es gar mitten im Wasser aufzurichten oder mit Wasser vollgelaufene Boote zu leeren.
„Solche Übungen helfen auch, dass das gegenseitige Verständnis besser wird“, ist Janine Aberle überzeugt. So hätten Segler eigentlich Vorfahrt gegenüber Ruderern, „aber wir fahren ja rückwärts, da merkt man gar nicht immer, wenn ein leiser Segler daherkommt“, so Aberle.
„Das gegenseitige Verständnis fördern“ - das nennt ebenso Marco Grübbel, Vorsitzender der Seglervereinigung, einen Vorteil der Übung. „Es ist ja unheimlich viel los auf dem Wasser, es wird immer mehr“, begründet Grübbel, weshalb der Verein die Idee der Übung von der Wasserschutzpolizei „sehr gerne aufgegriffen“ habe. „Da war bei unseren Mitgliedern sofort sehr großes Interesse da“, so Grübbel dankbar, dass auch das Anlegen von Rettungswesten mal wieder einstudiert werde. Das lerne man zwar in der Segelschule, „aber bei vielen ist das schon so lange her wie Erste Hilfe für den Führerschein“, meint er. Zwar sei schon lange kein ernsthafter Unfall mehr passiert, „aber dass mal jemand ins Wasser fällt, das kann vorkommen - und umso besser, wenn man dann trainiert hat, was zu tun ist“, so der Vorsitzende: „Wer einen Baum von einem Segler an den Kopf bekommt, kann schon mal von Bord gefegt werden“, sagt Grübbel.
Per Drohne dokumentiert
Auch das ist daher eines der Szenarien an diesem Tag im Altrhein. Dazu brausen Ehrenamtliche der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) Altrip, Landau und Speyer heran, die mit zwei Booten sowie Tauchern im Einsatz sind. Zwar seien die Wasserretter derzeit eher mit „extrem vielen Badeunfällen“ beschäftigt, so Nils Hoecker, Bootsreferent der DLRG Speyer. „Auf Seen passiert viel mehr als am Rhein - aber wenn auf dem Strom etwas ist, etwa ein Boot kentert, dann muss das Zusammenspiel der Retter gut eingeübt sein“, so Hoecker.
„Dordrecht“
- Ausgangspunkt der Übung war die „Dordrecht“, das schwimmende Vereinsheim der Segler-Vereinigung Mannheim, die 430 Mitglieder zählt.
- Der alte Raddampfer und Rheinschlepper wurde 1922 in der Mannheimer Schiffswerft Schimag, später Halberg, für die holländische Standart-Reederei gebaut. Als er 1957 aus dem Dienst genommen wurde, hat die Segler-Vereinigung ihn erworben, mit viel ehrenamtlichem Aufwand umgebaut und vor Verschrottung bewahrt.
Daher steht der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) bereit. Er simuliert die Versorgung von Verletzungen durch Schiffsschrauben oder Platzwunden ebenso wie Bewusstlosigkeit durch Hitzschlag oder Herzinfarkt, hat auch eine Puppe für Wiederbelebungsübungen dabei. „Wir machen das mit den Notfallsanitätern in Ausbildung im dritten Lehrjahr“, sagt Einsatzleiter Herwin Hadameck. Für sie sei es wichtig, etwa die Übernahme von Verletzten oder erkrankten Personen entweder am Ufer oder von einem Boot einzuüben. Zudem schwebt über der ganzen Übung die Drohne des ASB - um die Abläufe für die Wasserschutzpolizei zu dokumentieren.
Erster Polizeihauptkommissar Wilko Klisch findet diese Übung „extrem wichtig“, wie der Stationsleiter der Wasserschutzpolizei im Gespräch mit Erstem Bürgermeister Christian Specht sagt. Zwar sei schon längere Zeit kein schlimmer Unfall mehr passiert, so Klisch, „aber es ist gut, vorzubeugen“. „Solche Übungen bringen viel, damit im Ernstfall die Zusammenarbeit klappt“, ist auch Specht überzeugt. Er ist an den Altrhein gekommen, um den ehrenamtlichen Einsatzkräften zu danken. Zuvor sei er bei einem Gespräch mit Vereinsvorsitzenden gewesen, so der Sicherheitsdezernent. „Da habe ich gehört, welche großen Wachstumsraten der Wassersport gerade seit Corona hat“, so Specht. Er regt aber an, bei solch einer Übung künftig das Feuerlöschboot einzubeziehen.
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