Mannheim. Der Mannheimer Ökonom Martin Weber befasst sich seit vielen Jahren mit Anlagestrategien. Sein Rat: Immer die Ruhe bewahren. Wer ständig kauft und verkauft, wird nicht glücklich.
Herr Weber, Sie sind Wirtschaftsprofessor und machen Werbung für den Anlagefonds Arero, der von der DWS aufgelegt wurde. Hat das nicht ein Geschmäckle?
Martin Weber: Ich bin inzwischen Pensionär, deshalb sehe ich da überhaupt kein Problem. Und ich habe früher im Hörsaal in der Universität nie den Namen des Fonds erwähnt.
Wenn ich Sie jetzt aber frage, ob ich mein Geld in Aktien oder Immobilien anlegen soll, weiß ich ja nicht, ob Sie mir als Senior Professor der Universität Mannheim oder als Anlageberater antworten.
Weber: Ich bin kein Anlageberater. Ich habe mich aber als Wissenschaftler immer damit beschäftigt, wie man sein Geld am besten anlegen kann. Es gibt von mir eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2007. Das Buch heißt „Genial einfach investieren“ und stand damals auf der Bestsellerliste des „Manager Magazins“. Grundlage für die Anlagestrategie waren damals die Wirtschaftsdaten aus den vergangenen 40 Jahren.
Was kam dabei heraus?
Weber: Dass man den größten Teil des Geldes, den man übrig hat, in breit gestreute Aktien anlegen soll. Ob es dann 50, 60 oder 70 Prozent sind, spielt im Vorhinaus keine Rolle. Um das Risiko zu begrenzen, sollte man außerdem zusätzlich in Renten, also Staatsanleihen und Rohstoffe investieren. Wir haben dann an meinem Lehrstuhl ein „Konzept der optimierten Vermögensanlage für Privatanleger“ entwickelt und veröffentlicht. Der Weltfonds Arero basiert darauf. Um das operative Geschäft kümmert sich die DWS . . .
. . . ein börsennotierter Vermögensverwalter, der mehrheitlich der Deutschen Bank gehört. Werbung machen Sie aber keine?
Weber: Doch. Ich sage den Leuten schon, dass Arero und ähnliche Fonds eine tolle Sache ist. Das ist ja sozusagen mein Baby. Aber wir sind keine Anlageberater. Wir bieten dem Investor also kein maßgeschneidertes Portfolio an und beobachten auch nicht deren wirtschaftliche Lage. Das muss der Anleger schon selber machen.
Wie erfolgreich ist denn der Fonds?
Weber: Seit der Gründung 2008 war die Rendite mit rund sieben Prozent ziemlich gut. Außerdem war das Risiko relativ niedrig. Der Vermögenswert beträgt gegenwärtig rund 1,5 Milliarden Euro.
Martin Weber – der Mann, der etwas von Geld versteht
- Martin Weber wurde am 13. Januar 1952 in Stuttgart geboren.
- Er studierte Mathematik und Wirtschaftsmathematik an der Universität Aachen. Dort erfolgten auch Promotion und Habilitation.
- Bevor er einen Ruf aus Mannheim erhielt, arbeitet Weber als Professor an den Universitäten Köln und Kiel. Drei Jahre verbrachte der Wissenschaftler außerdem als Gastprofessor im Ausland.
- Von 1993 bis 2016 war Weber in Mannheim Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaftslehre, mit dem Schwerpunkt Bankbetriebslehre. Seit 2017 ist er Seniorprofessor.
Wie streuen Sie das Risiko?
Weber: Wie der Titel „Arero“ schon sagt, besteht der Fonds aus drei Bestandteilen: 60 Prozent Aktien, 25 Prozent Renten, und 15 Prozent Rohstoffen. Bei den Aktien gibt es natürlich eine Streuung nach den jeweiligen Kontinenten. Wir haben also nicht nur Aktien aus Deutschland oder Europa im Angebot.
Sie bieten also keinen klassischen ETF an, der die Wertentwicklung eines Index, wie beispielsweise den Dax in Deutschland abbildet?
Weber: Richtig. Wir haben unseren eigenen Indexfonds. Sie kaufen also als Anleger die Aktien aus diesem Index heraus.
Wenn es einen Crash an den Aktienmärkten gibt, hilft die Streuung aber wenig. Man verliert dann also viel Geld, oder?
Weber: Ich weiß nicht, was bei Ihnen viel Geld ist, aber es ist natürlich klar: Der Fonds bildet die Märkte ab. Wenn alles runtergeht, gehen natürlich auch wir runter. Allerdings können die Anleihen und Rohstoffe in unseren Fonds die Ausschläge ein wenig abschwächen, wie sich das auch in der Finanz- und Schuldenkrise gezeigt hat.
Die Leute haben während der Pandemie ihr Geld gespart, jetzt frisst aber die hohe Inflation ihr Vermögen auf. Was kann der Verbraucher da denn tun, wenn er zum Beispiel 10 000 Euro auf dem Girokonto hat, und dafür vielleicht sogar noch Negativzinsen bezahlen muss?
Weber: Kommt drauf an. Wenn er das Geld braucht, um im Notfall die kaputte Heizung oder Waschmaschine ersetzen zu können, muss das Geld auf dem Konto liegen bleiben. Wenn der Verbraucher aber das Geld ein paar Jahre entbehren kann, sollte er es auf dem Kapitalmarkt anlegen.
Und wo genau?
Weber: Da gibt es einige Möglichkeiten: Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder Immobilien.
Wenn mir Aktien zu riskant sind, welche Vorteile bieten dann zum Beispiel Anleihen?
Weber: Anleihen garantieren nicht nur eine sichere Rendite, denn inzwischen gibt es ja auch wieder Zinsen. Sie dienen auch als Puffer, deshalb empfehle ich ja gemischte Fonds: Wenn der Dax zum Beispiel wie jetzt eher runter geht, kann ich mit Anleihen die Schwankungen auf dem Aktienmarkt reduzieren. Das ist ein großer Vorteil. Sie müssen das so sehen: Für den Anleger ist die Schwankung das Schlechte und die erwartete Rendite das Gute. Wer also auch Anleihen in seinem Portfolio hat, kann sein Risiko reduzieren. Das beruhigt.
Und was ist mit Rohstoffen?
Weber: Die schwanken in der Regel eher wie Aktien. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Wer in Rohstoffe angelegt hat, ist gegenwärtig natürlich ein Glückspilz. Die Werte sind im Jahresvergleich um rund 30 Prozent gestiegen. Nickel und Weizen sind gegenwärtig sehr stark, auch Gold. Gold ist allerdings ein Sonderfall, es schwankt generell sehr stark. Wer Aktien und Rohstoffe kauft, hat den Vorteil, dass diese oft unterschiedlich schwanken. Gegenwärtig gehen Aktien eher runter und Anleihen eher hoch. Das verringert das Risiko.
Wie sieht es mit Immobilien aus?
Weber: Viele haben ja schon Immobilien. Sie sind die größte Wertanlage. Wer jetzt Immobilien kaufen will, weiß natürlich, wie hoch die Preise sind. Viele unterschätzen das Risiko beim Kauf einer Immobilie. Zum Beispiel die Zusatzkosten für den Makler oder die Grunderwerbssteuer. Man kann sich von einer Immobilie auch nicht so leicht trennen.
Ist es auch sinnvoll, wenn ich mir selbst Aktien kaufe?
Weber: Wenn Sie genug Geld und Zeit haben, warum nicht. Wenn Sie, um mal eine Zahl zu nennen, mit 30 Aktien anfangen, geht das. Sie dürfen aber nicht nur Autoaktien aus Deutschland kaufen, sondern müssen auch aus unterschiedlichen Branchen und Ländern kaufen. Sonst ist das Risiko zu groß.
Und was ist mit Kryptowährungen wie Bitcoins?
Weber: Sorry, davon habe ich keine Ahnung. Vielleicht bin ich da zu alt dafür.
Was halten Sie von Apps wie zum Beispiel Trade Republic, die gegenwärtig vor allem bei den jungen Leuten voll im Trend sind?
Weber: Das ist eine sinnvolle Sache, weil dadurch die Börse demokratisiert wird. Sie müssen nicht mehr zu einer Bank gehen und ein Depot eröffnen, sondern können das alles mit dem Smartphone erledigen. Und die Kosten sind auch niedrig. Das ist ein Vorteil. Der Nachteil ist, dass die Leute zum Handeln an der Börse verführt werden, sie bekommen ständig Nachrichten aufs Handy und werden aufgefordert, aktiv zu werden.
Das verführt zum Zocken, kann einen auch süchtig machen.
Weber: Ja. Wer viel handelt, auch wenn es billig ist, fällt leicht auf die Nase. Es gilt noch immer der Spruch: Hin und Her, Taschen leer. Man soll eben nicht viel handeln, sondern sein Geld gezielt anlegen und möglichst wenig machen. Also seine Aktien lange halten. Außer man will Spaß haben, aber das hat dann mit der klassischen Geldanlage nichts mehr zu tun.
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