Federn, Stanzteile, Gehäuse - Scheuermann + Heilig stellt metallene Kleinteile her. Die sehen so hübsch aus, dass man sie auch für Schmuck halten könnte. Von Simone Sohl
Ein kleiner Monitor zeigt Linien in regelmäßigem Auf und Ab. Das Ganze erinnert an Überwachungssysteme für Patienten im Krankenhaus - doch der Monitor überwacht keinen Herzschlag, sondern die Arbeit einer Maschine. Einer Maschine, die Federn wickelt: In atemberaubender Geschwindigkeit wird aus einem Stück Draht eine Feder, die denen ähnelt, die man aus Kulis kennt. "Diese hier sind aber viel genauer", sagt Günter Heilig, Mitbegründer von Scheuermann + Heilig (SH). "Wird die Fehlertoleranz überschritten, sortiert die Maschine die Federn automatisch aus."
Wenn der mittlerweile 76-jährige Heilig Besucher über das Firmengelände in Buchen-Hainstadt führt, spürt man, wie begeistert er von den Maschinen und Produkten ist. Zwar liegt das Unternehmen inzwischen in den Händen der zweiten Generation - Silke Heilig führt zusammen mit Steffen Scheuermann das Unternehmen. Doch der Gründer erklärt immer noch gern den Weg, den die Metallteile im Familienbetrieb nehmen.
Gehäuse, Stanzteile und Spulen sind das beispielsweise, die für die Fahrzeugelektronik von Automobilen oder für Elektro-Rasierer gebraucht werden. Auch in Halogenleuchten und in Blutzuckermessgeräten finden sich Teile von SH. Die Musterprodukte, die in den Vitrinen im Firmen-Hauptgebäude ausgestellt sind, sehen aus wie Schmuck - filigran, silber- und kupferfarben glänzend, raffiniert gezackt und gebogen.
SH beschränkt sich nicht auf die Fertigung. "Viele Kunden kommen mit nicht mehr als einer Idee zu uns: Sie sagen uns, welche Anforderungen sie an das Endprodukt haben - und wir entwickeln es", erklärt Heilig. In dieser Phase wird das Produkt, das ja noch gar nicht existiert, von einer Software auf seine Belastungsfähigkeit überprüft. Auch die Werkzeuge, die zur Fertigung benötigt werden, stellt SH her. Anschließend werden Prototypen und Kleinserien hergestellt. "Gibt der Kunde sein Okay, geht's in die Serienfertigung", so die Geschäftsleiterin.
Bosch, Continental, Philips, Roche - die Kunden des Odenwälder Familienunternehmens haben große Namen. Mehr als die Hälfte der über 1,4 Milliarden Metallteile, die SH pro Jahr herstellt, geht ins Ausland: Der Exportanteil liegt etwa bei 55 Prozent. Im Maschinenpark, der aus rund 250 Anlagen besteht, werden jährlich etwa 3000 verschiedene Produkte hergestellt.
Als Günter Heilig das Unternehmen 1957 zusammen mit Anton Scheuermann gründete, war ein solches Ausmaß der Geschäftstätigkeit noch eine Vision. "Einen ersten Traum hatten wir aber schon verwirklicht: den der Selbstständigkeit", sagt Heilig. Zwanzig Jahre später folgte der nächste große Schritt: Nachdem die Firmengebäude am Standort Hainstadt gebaut waren und das Geschäft über einige Jahre gut lief, eröffnete er einen weiteren Standort in Brasilien. Mit zwei Werkzeugmachern baute er eine Fertigungsstätte auf; 1979 ging die Tochtergesellschaft in Betrieb. "Wir haben damals gesehen, dass es gar nicht so einfach ist, zwei Länder miteinander zu vernetzen", sagt Heilig rückblickend. "Deshalb haben wir auch keine weiteren Tochterunternehmen in Osteuropa oder China gegründet."
Die Krise habe das Unternehmen gut überstanden. 2009 hätten sie zwar rote Zahlen geschrieben, so Heilig; der Umsatz der deutschen Muttergesellschaft lag damals bei etwa 47 Millionen Euro.
Inzwischen sieht die Lage aber schon wieder viel positiver aus: Für 2010 rechnet man im Unternehmen mit 58 bis 60 Millionen Umsatz - das wäre wieder der Stand von 2007 und 2008. "Damit sind wir sehr zufrieden", sagt der Firmengründer.
Vom allerorts beklagten Fachkräftemangel sei bei SH noch nichts zu spüren, sagt Silke Heilig. Man versuche, den Bedarf an Ingenieuren und Werkzeugmachern mit eigenen Azubis zu decken. "Das gelingt uns ganz gut - was auch daran liegt, dass wir viele Praktika anbieten." Allerdings kommt der Nachwuchs - 51 Azubis hat SH derzeit - fast ausschließlich aus der Region.
Den größten Anteil der Abnehmer stellt nach wie vor die Automobilindustrie dar. Rund 65 Prozent der Produkte von SH gehen derzeit noch in diese Branche. Das Unternehmen will künftig jedoch nicht mehr so abhängig sein von den Automobilherstellern und weitet deshalb seine Aktivitäten in andere Branchen aus - in die Elektronikindustrie beispielsweise, in die Medizin- und in die Umwelttechnik. Das Werk in Brasilien konzentriert sich allerdings fast ausschließlich auf die Automobil-sparte.
In Zukunft will SH deshalb das Produktportfolio um Kunststoff erweitern. Außerdem soll der Fokus auf komplexe Baugruppen gelegt werden. "Denn: Federn alleine können auch Hersteller aus Asien liefern", sagt Heilig. Wenngleich die Produktion dort oft nicht so präzise überwacht werde wie in der Firma im Odenwald.
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