Die Glückskeksbäcker

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Er gehört zur Pekingente wie Pflaumenschnaps und Reis: der Glückskeks. Doch mit der fernöstlichen Exotik ist es gar nicht so weit her. Die knusprigen Köstlichkeiten kommen aus einer Fabrik bei Bruchsal. Von Carmen Trommler

Vanille ist der vorherrschende Geruch im Keks-Imperium der Geschwister Brauch. Ein Duft wie in Omas Backstube umhüllt den Besucher, da ist von den chinesischen Glückskeksen weit und breit noch nichts zu sehen. "Herrlich, oder?" Mit glänzenden Augen läuft Viktoria Brauch (36), Geschäftsführerin und Mitinhaberin von Sweet&Lucky, zwischen den Backstraßen hindurch, an deren Enden warm und verführerisch duftend im Sekundentakt goldgelbe Kekse in rote Kisten purzeln. "An diesem Geruch kann ich mich nicht satt riechen. Es ist ein positiver Duft, den jeder mag und mit Glück verbindet", erzählt die Badenerin und atmet tief ein.

Rund 40 Millionen Kekse pro Jahr werden in dem beschaulichen Werk in Gondelsheim, einem Dörfchen bei Bruchsal, gebacken. Knapp 35 Mitarbeiter arbeiten dafür im Drei-Schicht-Betrieb. Gerade ist Hochsaison. Weihnachten, Silvester und das chinesische Neujahr - die Hochzeiten des Glückskekses - stehen vor der Tür.

Zu den Abnehmern gehören neben Chinarestaurants bekannte Supermarktketten und Discounter auf der ganzen Welt. "Und statt Kulis entdecken auch immer mehr Firmen unsere Kekse als Werbemittel", berichtet Viktoria Brauch (kl. Bild). Verpackungsfolien und Zettel mit den Sprüchen bedruckt Sweet&Lucky ganz nach den individuellen Wünschen der Kunden.

Automobil-Konzerne, Fluglinien, Champagner-Produzenten, Fast-Food-Ketten, Politiker - die Liste derer ist lang, die den knusprigen Werbeträger bereits für sich entdeckt haben. Akquise sei dafür kaum nötig. Das Konzept mit dem sympathischen Keks funktioniert wie von selbst. So werden längst in Australien, Amerika, England, Holland, Polen und einigen Ländern mehr die orakelnden Kekse von Sweet&Lucky geknackt. Das Unternehmen der Brauchs zählt zu den führenden Herstellern chinesischer Glückskekse in Deutschland.

Obwohl, chinesisch ist an den kleinen Knusperdingern genau genommen herzlich wenig. Mehl aus der eigenen Mühle in Gondelsheim, Wasser, Zucker, Backpulver und Sojalecithin stehen auf der Zutatenliste. "Es ist ein einfaches Rezept mit großer Wirkung", sagt Viktoria Brauch und zupft an ihrer weißen Hygienehaube, die im Produktionsbereich Vorschrift ist.

Hier knetet ein riesiger Mixer den Glückskeksteig geschmeidig. In den Backstraßen werden runde Teigrohlinge in kleinen waffeleisenartigen Pfannen in Zweierreihe gebacken. Eine Maschine formt die heiße Ware zu kleinen Schiffchen, in die ein Greifarm blitzartig einen Zettel mit Spruch hineinsteckt. Danach wird der Keks geschlossen und in seine glückskekstypische Form gebogen. Auskühlen, Verpacken und fertig. "Die Maschine ist eine Sonderanfertigung, die kann nur Glückskekse", betont Viktoria Brauch und fischt sich aus einer roten Kiste ein Exemplar heraus. "Qualitätssicherung", sagt sie augenzwinkernd. Noch ofenwarm schmecken die Kekse einfach am besten.

Die Mühle in Gondelsheim, von der die Glückskeksbäcker das Weizenmehl beziehen, ist seit vier Generationen in Familienbesitz. Hier wachsen die Brauch-Kinder Viktoria, Alexandra und Christoph zwischen Getreide- und Mehlsäcken auf. Im Jahr 2000 kaufen die Geschwister eine Foliendruckerei in Rosenheim. "Seitdem haben wir uns gefragt, was können wir aus Mehl machen und in Folie stecken, dass jeder braucht und niemand hat?" Post aus den USA bringt den Brauchs schließlich die zündende oder eher knusprige Idee: "Das Päckchen kam von Verwandten und war bis oben hin mit Glückskeksen ausgepolstert. Wir waren von Anfang an von dieser Idee überzeugt", erinnert sich die Geschäftsführerin.

Der Plan: Glückskekse backen, die nicht nur einen weissagenden Spruch in sich tragen, sondern auch richtig gut schmecken. "Die Kekse sollten auf keinen Fall nach Pappe schmecken." 2003 gründen die Geschwister Sweet&Lucky. Fortan tüftelt das Dreiergespann am Teig. "Oh Gott, ihr seid verrückt", heißt es dazu aus dem Freundeskreis. Doch die Brauchs bleiben beharrlich. Ein Jahr braucht es, um die perfekte Konsistenz zu finden. Vanille wird das Konsensaroma.

Das Trio ergänzt sich gut. Während sich die große Schwester Viktoria als Bankkauffrau und gelernte Müllermeisterin um den Vertrieb, die Buchhaltung und den Einkauf kümmert, ist Bruder Christoph (30) für die Produktion, den Schichtplan, Logistik und Rohstoffe verantwortlich. Schwester Alexandra (34) kümmert sich um die Foliendruckerei in Rosenheim. "Wichtige Entscheidungen klären wir auf dem kurzen Weg: daheim am Mittagstisch der Eltern", erklärt Viktoria Brauch.

Das Konzept geht auf, von Krise keine Spur. "Als 2008 schlechte Stimmung aufkam, habe ich prophezeit 2009 wird ein gutes Jahr. So ist es gekommen." Sweet&Lucky geht das Glück nicht aus. Das mag vielleicht auch an besten Zutaten, heimischen Produkten und dem feinen Geschmack liegen. Jedenfalls gehören die zur Firmenphilosophie. Hinzu kommt ein weiterer Bonus: "Der Keks ist einfach ein Sympathieträger, der positive Assoziationen weckt und wandelbar ist." Kurz: Glückskekse sind variabel, lassen sich auf viele Branchen und noch mehr Gelegenheiten anpassen. Ob Weihnachtspräsent, nettes Giveaway zu Asia-Wochen oder als kreative Jobausschreibung - alles ist schon da gewesen, erzählt Viktoria Brauch.

Doch bei aller Wandelbarkeit bleibt eines beständig: Im Keks ist immer ein kleiner Zettel mit einem Spruch. Immer maximal 125 Zeichen, in Deutsch und Englisch oder wahlweise auch in 14 weiteren Sprachen. Rund 1000 Stück umfasst die Spruchsammlung der Brauchs. Die Zeiten, in denen sie Zitatebände, Wörterbücher und Kalender nach passenden Orakeln durchsucht haben, sind längst vorbei. Und dennoch: "Immer wenn mir ein schöner Spruch begegnet, schreibe ich ihn in ein kleines Buch, das ich immer bei mir habe", erzählt Viktoria Brauch. Und natürlich hat die Geschäftsfrau einen Favoriten. "Ab und zu sollten wir auf der Jagd nach dem Glück innehalten und einfach mal glücklich sein", heißt der. Die Brauchs jedenfalls sind es bereits.

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