Flughafen-Chaos

Urlaubsflug: Welches unglaubliche Chaos eine Mannheimer Familie erlebt hat

Eigentlich wollte Timo M. aus Mannheim mit seiner Familie einen entspannten Urlaub in der Türkei verbringen - doch die Heimreise mit dem Flieger verwandelte sich in eine 24-Stunden-Odyssee.

Von 
Tatjana Junker
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Erschöpft: die Kinder von Timo M. und seiner Familie am Flughafen Dalaman. © privat

Mannheim. Eigentlich würde Timo M. (Name geändert) gerne mal von den schönen Seiten seines Urlaubs erzählen. Von der einwöchigen Pauschalreise in der türkischen Provinz Fethiye. Vom leckeren Essen im Hotel. Vom türkisblauen Meer. Aber dazu kommt der Familienvater aus Mannheim gar nicht. Wann immer ihn jemand fragt, wie es im Urlaub war, fällt ihm nur eins ein: das Chaos, das er und seine Familie auf der Rückreise erlebt haben. Eine 24 Stunden lange Odyssee zwischen Flughäfen, Fliegern, Hotels und Bus.

Timo M.s Urlaubsgeschichte klingt deswegen so: Am 24. Juni, einem Freitag, kommt der Mannheimer nach ein paar schönen Urlaubstagen an der Türkischen Riviera gut erholt zum Flughafen Dalaman. Dort soll um 18:55 Uhr der Rückflug starten, der die Familie – vier Erwachsene und vier kleine Kinder – nach Stuttgart bringen soll. Geplante Ankunftszeit: Freitagabend, 21 Uhr deutsche Zeit.

Doch beim Einchecken erfahren die Urlauber vom Flughafenpersonal, dass der Flug drei Stunden Verspätung hat. Nicht schön, aber auch kein Drama, denkt sich Timo M. und wartet. Besorgt im Flughafenshop Wasser, Snacks und ein paar Decken: Die Kinder, zwischen acht Monate und fünf Jahre alt, sind müde und schlafen auf dem Boden der Wartehalle.

Passagiere müssen aussteigen

Einige Zeit später kommt eine Mail vom Reiseveranstalter TUI: Weil der Flieger nicht pünktlich in Dalaman startet, kann er an dem Abend gar nicht mehr in Stuttgart landen: Nachtflugverbot. Stattdessen soll es nach Hannover gehen. Dort sollen die Passagiere den Rest der Nacht im Hotel verbringen und am Morgen mit dem Zug nach Stuttgart fahren. Das Bahnticket dahin sollen sie sich auf eigene Faust besorgen – und bei TUI zur Erstattung einreichen.

Timo M. ist skeptisch. Er fragt beim Flughafenpersonal nach, bekommt aber keine nähere Auskunft. Auch bei TUI erreicht er niemanden. Trotzdem ist er erleichtert, als die Familie um kurz vor 23 Uhr endlich im Flieger sitzt. Dort meldet sich allerdings der Pilot mit einer Durchsage zu Wort. Wegen eines Unwetters sei er mit über vierstündiger Verspätung aus Stuttgart nach Dalaman gekommen und habe nun nach der Landung erfahren, dass er Passagiere nach Hannover bringen soll, hört man ihn in einem Mitschnitt sagen, der dieser Redaktion vorliegt. Er und seine Crew seien allerdings bereits seit 11 Uhr vormittags bei der Arbeit. Würden sie jetzt noch nach Hannover fliegen, würden sie die gesetzlich vorgeschriebene Dienstzeit von maximal 13 Stunden überschreiten. „Wenn wir länger fliegen, werden wir müde, das trägt der Sicherheit nicht zu, das verstehen Sie sicher“, sagt der Pilot weiter und entschuldigt sich für die Unannehmlichkeit. Er habe seine Firma nun gebeten, ihnen eine andere Destination anzubieten, die noch in der Dienstzeit der Crew erreichbar sei. „Ich warte auf Rückantwort, ob wir Sie zumindest Richtung Deutschland fliegen können“, heißt es weiter.

Im Hintergrund sind weinende Kinder zu hören – und Rufe von verärgerten Passagieren. „Geld zurück!“, ruft einer. Vor allem dass die Airline eine Crew schickt, die den Rückflug eigentlich gar nicht mehr machen darf, ärgert die Urlauber. „Hätte der Veranstalter in Kauf genommen, dass der Pilot und seine Kollegen länger als 13 Stunden fliegen, wenn die sich nicht gewehrt hätten?“, fragt sich Timo M. noch heute.

Am Ende kommt es nicht dazu: Die Passagiere müssen aussteigen, um kurz vor Mitternacht steht Timo M. mit seiner Familie wieder am Flughafen-Gate. Auch das Gepäck wird ausgeladen. Inzwischen liegen die Nerven bei den Passagieren blank. Gegen 3 Uhr morgens bekommen die Urlauber von Flughafen-Mitarbeitern die Auskunft, dass sie in Dalaman nun überhaupt nicht mehr abfliegen können, auch am nächsten Tag nicht. Stattdessen soll die Reise am Flughafen Antalya weitergehen – 250 Kilometer entfernt. Die Reisenden werden aufgefordert, ihr Gepäck zu holen und den Flughafen zu verlassen. Vor dem Airport stünden Busse, die sie nach Antalya bringen würden.

Spätestens jetzt reißt bei einigen Fluggästen der Geduldsfaden, auch bei Timo M. Ein Teil der Gruppe weigert sich, den Flughafen zu verlassen, solange sie keine Informationen von TUI direkt bekommen. „Wir hatten das Gefühl, am Flughafen will man uns einfach loswerden. Unsere Angst war, dass wir das Gebäude verlassen und dann mitten in der Nacht ganz allein auf uns gestellt sind.“ Nachdem einer der Busfahrer beim Flughafenpersonal angerufen und bestätigt habe, dass er tatsächlich draußen auf die Passagiere warte, entschließt sich zumindest ein Teil der Reisenden, nach Antalya zu fahren – darunter die Mannheimer. Inzwischen ist fünf Uhr morgens durch.

Während der Fahrt kommt eine neue Mail von TUI: Dort heißt es, die Passagiere hätten nun doch von Dalaman aus fliegen können. Timo M. ärgert sich, dass er sich für den Bus entschieden hat, aber nur kurz: Von Reisenden, die in Dalaman geblieben sind, erfährt er später, dass diese doch nicht dort abheben konnten und die 250 Kilometer nach Antalya schließlich mit dem Taxi zurücklegen mussten.

Der Bus mit Timo M. und seiner Familie fährt unterdessen nicht direkt zum Flughafen nach Antalya, sondern daran vorbei – in ein Hotel nach Belek, circa 30 Minuten vom Airport entfernt. Mitsamt Gepäck steigen die inzwischen völlig erschöpften Urlauber aus, checken ein – um eineinhalb Stunden später wieder abgeholt zu werden. In Antalya fliegt die Gruppe schließlich mit einer weiteren Stunde Verspätung irgendwann ab. Am Samstagabend gegen 21 Uhr, fast 24 Stunden später als geplant, ist Familie M. zu Hause in Mannheim. „Wir waren fix und fertig“, sagt M. Seine Frau und seine Kinder seien nach der Heimkehr erst einmal krank geworden.

Urlauber wollen Entschädigung

Besonders ärgert sich der Mannheimer, dass er von TUI bis heute nichts mehr gehört hat – schon gar nicht bezüglich einer Entschädigung. Billig war seine Reise nicht: 2700 Euro hat der Familienvater für die acht Tage Urlaub bezahlt, knapp 200 Euro hat er nach eigenen Worten zudem bei der chaotischen Rückreise an den Flughäfen ausgegeben: für Essen, Getränke und Decken. Inzwischen hat er auf eigene Initiative von TUI Entschädigung gefordert.

Bei dem Reiseveranstalter heißt es zu dem Fall auf Anfrage dieser Redaktion, dass der Flughafen Stuttgart am besagten Tag wegen eines Unwetters leider mehrere Stunden nicht nutzbar gewesen sei und teilweise Flüge auch ganz abgesagt werden mussten. „TUI fly hat aber die Urlaubsflüge trotz dieser Umstände mit entsprechender Verspätung durchgeführt. Alle Mitarbeitenden in der Zentrale und an Bord versuchen ohne Wenn und Aber die Gäste auch noch nachts aus den Destinationen nach Hause zu bringen, aber bestehende Nachtflugverbote in Stuttgart, Frankfurt oder München machen dies oftmals unmöglich – auch wenn bis zur letzten Minute nach Optionen geschaut wird“, heißt es weiter. „Wir werden uns natürlich mit dem Gast in Verbindung setzen und entschuldigen uns für die verspätete Rückkehr aus dem Urlaub.“

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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