Mannheim. Die Podiumsdiskussion im Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in Mannheim ist gerade zehn Minuten über die Bühne gegangen, da ist die große Frage des Abends, die der Titel der Veranstaltung formuliert „Europa im Krisenmodus: Was wird aus der Klimapolitik“, schon beantwortet. „Die Krise bietet für Wirtschaft und Verbraucher eine Chance, so schmerzlich sie auch sein mag, sie ist der Katalysator für die Klimapolitik, weil die fundamentalen Antworten auf die Energiekrise mit der Klimapolitik im Einklang stehen“, sagt Sebastian Rausch (kleines Bild oben), der Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Umwelt- und Klimaökonomik“.
Das sehen Franziska Brantner (Bild Mitte), Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, und Saori Dubourg (Bild unten), Mitglied im Vorstand der BASF, genauso. Das einzige Problem: „Wir müssen die akute Krise gut durchstehen“, betont Grünen-Politikerin Brantner. Und Dubourg mahnt: „Wir müssen aus dem Reaktionsmodus rauskommen in einen Aktionsmodus, das Gas-Thema hat keiner von uns gesehen, das macht mir Sorge - wie können wir in Zukunft einen Schritt vorausdenken, wie können wir uns vorbereiten?“ Vorbereiten etwa auf extreme Sommer, wie Europa ihn in diesem Jahr erlebt hat. „40 Prozent der Ernte ist durch die Trockenheit verloren gegangen, bitte gewöhnen Sie sich an die Zeit, wo das immer häufiger der Fall sein wird“, so Dubourg.
Saori Dubourg spricht von "gefährlicher Situation"
Zugleich hebt die Managerin hervor, wie sehr die Energiekrise ihre Branche trifft. Wegen des Anstiegs der Erdgaspreise hat die BASF die Ammoniakproduktion bereits gedrosselt. Auch andere Firmen in Deutschland reduzieren die Herstellung von Grundstoffen wie Ammoniak, Harnstoff, Salzsäure oder stellen sie ganz ein. „Energiekrise ist nicht nur ein Wort, ich war gerade bei Großkunden, wir kommen an einen Punkt, wo große Teile in der Grundstoffindustrie die Gaspreise nicht mehr weiterreichen können.“ Bedeutet: Die Stoffe werden nicht mehr produziert, das machen dafür andere Länder und bringen ihre billigeren Produkte auf den Markt. „Das ist eine ganz gefährliche Situation“, sagt Dubourg. Denn damit drohe Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Trotzdem oder vielmehr gerade deshalb sei die beschleunigte Dekarbonisierung, der Umstieg von fossilen Energieträgern auf erneuerbare Energien, der einzige Weg, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein.
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Dass eine Transformation gelingen kann, bezweifelt Forscher Rausch nicht. Ein wichtiges Instrument dafür sei die Bepreisung von CO2. Wer klimaschädigendes Kohlendioxid ausstößt, muss dafür zahlen. Allerdings seien beim europäischen Emissionshandel Verkehr und Gebäude bislang ausgenommen, obwohl sie 60 Prozent der Emissionen verursachten.
Mehr Baden kostet extra
Das will auch Brantner ändern, aber nicht jetzt „Man darf das politisch nicht unterschätzen, wenn gerade die Sorge ist, wie kommen wir durch den Winter.“ Die Kosten fürs Heizen müssen langfristig hoch sein. „Ihren Grundverbrauch müssen die Menschen finanzieren können, alles, was darüber hinaus geht, wenn ich drei Mal am Tag duschen will oder vier Mal in der Woche in die Badewanne gehe, da wirkt dann der Preis.“
Ansonsten will Brantner den Blick auf Errungenschaften im politischen Alltagsgeschäft richten. Zum Beispiel auf das soeben verabschiedete Entbürokratisierungspaket für die Solarenergie. „Das hört sich klein ein, aber wir müssen in Deutschland schneller werden, das ist eine unserer Hauptschwierigkeiten, die vielen Hürden.“ Auf dem Podium will ihr in diesem Punkt keiner widersprechen.
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