Toronto. Ein Haus, eine Nacht, ein Fest – und ein Strudel aus Intrigen, Begierde und Selbstzerstörung: In Nia DaCostas «Hedda» wird Henrik Ibsens Bühnenklassiker zu einem intensiven Kammerspiel über weibliches Aufbegehren, verdrängte Leidenschaften und gesellschaftliche Zwänge. Das Drama, in dem Nina Hoss eine Schlüsselrolle spielt, hat am späten Sonntagabend (Ortszeit) beim 50. Toronto International Film Festival (TIFF) Premiere gefeiert. Zuvor wurde Hoss beim Filmfest mit dem TIFF Tribute Performer Award ausgezeichnet.
Im Zentrum des Films steht Tessa Thompson, die eine Hedda verkörpert, die ebenso charmant ist wie grausam, verletzlich und doch unnahbar. «Sie ist eine Frau, die die animalischen Seiten ihrer Umgebung ans Licht zerren will», sagte die Regisseurin in Toronto.
Die Handlung ist in das England der 1950er-Jahre verlegt und wirkt doch gegenwärtig. Hedda ist frisch verheiratet, aber gelangweilt, und beginnt, ihr Umfeld zu manipulieren. Was mit einem festlichen Abend beginnt, kippt ins Abgründige: Alte Sehnsüchte, verdrängte Gefühle und zerstörerische Energien entfalten sich. DaCosta zeigt Hedda nicht bloß als launische Salonlady, sondern als eine Frau mit tiefer innerer Leere, getrieben von einem Verlangen, das sie selbst nicht zu begreifen scheint.
Liebesdreieck unter Frauen
Das Wiedersehen mit Eileen Lovborg (Hoss) liegt von Anfang wie eine dunkle Vorahnung in der Luft. Hoss, die bereits selbst Hedda auf der Bühne gespielt hat, rauscht mit einer druckvollen Präsenz durch jede Szene. Nach einem Absturz um Anerkennung kämpfend, tritt Eileen nicht nur beruflich in Konkurrenz zu Heddas Ehemann, sondern konfrontiert diese auch mit ihrer Vergangenheit: Die Frauen waren einst Geliebte.
Gemeinsam mit Imogen Poots als Thea Clifton entsteht ein Liebesdreieck, das Heddas Welt endgültig ins Wanken bringt – ein Spiel aus Macht und Verletzlichkeit, das die männlich dominierte Gesellschaft nur allzu gerne mitbestimmt, aber auch an den Rand drängt. Atmosphärisch aufgeladen, visuell opulent, dazu die suggestive Musik der isländischen Komponistin Hildur Guðnadóttir nimmt die Tragödie in den Nachtstunden ihren Lauf.
TIFF Tribute Performer Award für Hoss
«DaCostas hat weibliche Charaktere geschaffen, die unglaublich komplex und nuanciert sind, voller Mehrdeutigkeiten. Ich liebe es», sagte Hoss. Vor der Premiere nahm die deutsche Schauspielerin den TIFF Tribute Performer Award entgegen. «Die Auszeichnung unterstreicht ihre Vielseitigkeit und internationale Strahlkraft», sagte TIFF-CEO Cameron Bailey bei der Vergabe.
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