Fußball (mit Fotostrecke)

Die Moral-Monster des SV Waldhof kämpfen Saarbrücken nieder

Von 
Alexander Müller
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Jubel zum 1:0 - der Torschütze Waldhofs Joseph Boyamba (links im Bild) und Waldhofs Marco Höger beim Spiel in der 3. Liga, SV Waldhof Mannheim - 1. FC Saarbruecken. © Michael Ruffler/PIX-Sportfotos

Mannheim. Als an der Seitenlinie eine Nachspielzeit von vier Minuten angezeigt wurde, saß im Carl-Benz-Stadion schon niemand mehr. Die Fans trugen ihr Team ganz bis zum Ende einer beispiellos anstrengenden englischen Woche –  bis der Schlusspfiff von Schiedsrichter Florian Lechner für einen kollektiven Schrei der Erlösung sorgte. Ein Treffer des eingewechselten Joseph Boyamba (63.) sorgte für den verdienten 1:0 (0:0)-Sieg im Drittliga-Topspiel gegen den 1. FC Saarbrücken. Ein Erfolg, der angesichts der Corona-Vorgeschichte und insgesamt drei strapaziösen Partien in dieser Woche ein gewaltiges Ausrufezeichen an die Liga war. Vor den Spielen der Konkurrenz am Sonntag und Montag schoben sich die Mannheimer Moral-Monster auf den zweiten Platz vor.

„Der Schlüssel um dieses Spiel zu gewinnen, war die Einstellung – von der ersten bis zur letzten Minute“, sagte Waldhof-Trainer Patrick Glöckner.  „Die Moral dieser Mannschaft macht mich fast sprachlos. Aber man sieht einfach, dass die Jungs mit dem Herzen Fußball spielen.“ Auch Torhüter Jan-Christoph  Bartels lobte die Mentalität der Kollegen, die den wichtigen Dreier ausgelassen mit dem eigenen Anhang feierten. „Viele hatten ab der 70. Minute Krämpfe. Wie souverän wir das gemacht haben, mit wie viel Kampfgeist, das war der Wahnsinn. Da hast du dir auch so einen dreckigen Sieg einmal verdient“, sagte der junge Schlussmann.

Auch Kapitän Marcel Seegert hatte auf die Zähne gebissen und stand trotz seiner muskulären Probleme in der Startformation. Glöckner setzte zu Beginn auf das identische Team wie bei der 1:3-Pokalniederlage nach Verlängerung am Mittwoch gegen Union Berlin. Die große Frage an diesem nasskalten Herbstnachmittag blieb damit: Wie lange würde die Kraft reichen? 

Adrien Lebeau musste schon nach sieben Minuten den Tribut für die immens hohe Belastung zahlen. Bei einem Sprint schoss es dem jungen Franzosen in den hinteren Oberschenkel – für ihn kam Dominik Martinovic. Ein früher Rückschlag für den SVW und das nächste Indiz, dass die Mannheimer körperlich im roten Bereich unterwegs waren.
Dafür verkaufte sich das Glöckner-Team überragend. Gegen den zunächst abwartend eingestellten Tabellenzweiten, bei dem der Ex-Waldhöfer Maurice Deville wegen Trainingsrückstands nicht dabei war, erspielten sich die disziplinierten und leidenschaftlichen Kurpfälzer bereits im ersten Durchgang klare Vorteile. Nach einer Balleroberung von Höger entwickelte sich eine 4-gegen-3-Situation, FCS-Verteidiger Lukas Boeder klärte Jurchers Hereingabe vor den einschussbereiten Martinovic und Costly (20.). Auch bei Högers Schuss aus der zweiten Reihe (35.) und dem Abschluss von Jurcher (38.), der links am Tor vorbeistrich, schnupperte der Waldhof an der Führung. Die 10.316 Zuschauer im Carl-Benz-Stadion, übrigens über 2000 Besucher mehr als beim Hoffenheimer 2:0-Sieg in der Bundesliga gegen Hertha BSC am Freitagabend, gingen zufrieden in die Pause. „Wir hätten da bereits 2:0 führen können“, meinte Glöckner hinterher.

Abseits des sportlichen Geschehens auf dem Rasen sorgte die Unruhe rund um die Beurlaubung von Sportchef Jochen Kientz in der ersten Halbzeit für eine groß angelegte Protestaktion von Teilen der organisierten Fans auf der Otto-Siffling-Tribüne:  Geschäftsführer Markus Kompp, der nicht im Stadion war, wurde dabei vor den Augen von Präsident Bernd Beetz auf mindestens einem Dutzend Spruchbändern  zum Rücktritt aufgefordert. „Du stellst deine Karriere über den Verein“, „Wir gedenken den Bauernopfern von Markus Kompp“,  „Nicht komppatibel mit dem SVW“ oder „Der Fisch stinkt vom Kompp her“ war dort zu lesen. Im Umfeld des Vereins ist seit dem umstrittenen Kientz-Rauswurf mächtig Dampf auf dem Kessel.

Aus der Kabine kamen die Saarbrücker mit deutlich mehr Aggressivität. Viel früher presste die Offensivreihe des FCS nun - die erste Chance besaß aber wieder der Waldhof. Martinovic setzte sich gegen drei Gegenspieler durch und schoss aus 18 Metern über das Tor (49.).  Nach einer knappen Stunde brachte SVW-Coach Glöckner mit Baris Ekincier, der sich neben Martinovic ins Sturmzentrum orientierte, und Joseph Boyamba zwei frische Offensivkräfte.  Eine Entscheidung, die sich auszahlen sollte.

Denn mitten in zunehmenden Druck der Gäste schlug der SVW zu. Martinovic bereitete stark vor und legte dann in die Mitte ab, wo Costlys Versuch noch von Manuel Zeitz auf der Linie geklärt wurde, bevor Boyamba den Nachschuss mit aller Entschlossenheit ins Netz drosch (63.). „Dome wurstelt sich außen gut durch, und ich hatte einfach einen guten Riecher“, berichtete Boyamba hinterher.

Beim Auftrag, den Sieg über die Zeit  zu bringen, benötigten die Waldhöfer aber auch die Unterstützung von den Rängen und ein paar Aktionen, in denen sie sich auffällig viel Zeit ließen. Sei’s drum, eine richtige Druckphase konnte Saarbrücken nicht mehr starten, überhaupt hatte der ambitionierte FCS über die komplette Spielzeit keine echte hochkarätige Torchance. Bei Alexander Rossipals auf den kurzen Pfosten gezirkelten Freistoß hatte FCS-Keeper Daniel Batz vielmehr Glück, dass der Ball nicht zum 2:0 hinter ihm einschlug (70.). Antonio Grimaldi reklamierte nach einer Aktion von Höger noch nicht ganz zu Unrecht Elfmeter, generell blieben die Saarländer aber viel zu harmlos. Das sah auch Trainer Uwe Koschinat so, der sich sein Team nach einem blutleeren Auftritt ordentlich zu Brust nahm. „Ich bin krass enttäuscht von der Mannschaft. Wie wir uns von Mannheim den Schneid haben abkaufen lassen, ist nicht zu erklären. Wir haben kein Gefühl für das Spiel entwickelt und völlig falsche Antworten auf das körperbetonte und zweikampfstarke Spiel der Waldhöfer gegeben“, kritisierte der frühere Coach des SV Sandhausen. Die SVW-Profis tanzten währenddessen wie wild auf dem Rasen herum und feierten gemeinsam mit ihren Fans auf der OST einen aufgrund der Umstände denkwürdigen Sieg.

SV Waldhof: Bartels – Sommer, Seegert, Rossipal, Donkor – Russo, Höger (84. Wagner) – Costly, Lebeau (8. Martinovic), Schnatterer (58. Ekincier) – Jurcher (58. Boyamba).

1. FC Saarbrücken: Batz – Ernst, Zeitz (65. Scheu), Boeder, Galle – Kerber (82. Steinkötter), Groiß (57. Krätschmer) – Jänicke (66. Günther-Schmidt), Jakob (82. Gnaase), Gouras – Grimaldi.

Tore: 1:0 Boyamba (63.). 
Beste Spieler: Höger, Martinovic/Jakob. 
Gelbe Karten: Seegert, Martinovic/Grimaldi, Kerber, Günther-Schmidt, Batz.
Schiedsrichter: Florian Lechner (Ellwangen).
Zuschauer: 10.316. 
Nächstes Spiel: SC Freiburg II – SV Waldhof, Samstag, 6. November, 14 Uhr.

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