Freiburg. Sportgeschäftsführer Tim Schork diskutierte aufgebracht mit Videoanalyst Theodores Dedes über das Geschehene, Kapitän Marcel Seegert schlich mit fahlem Blick durch die Katakomben des Dreisamstadions und aß erst einmal eine Banane. Fruchtzucker gegen den Frust. Schon isoliert betrachtet führte die ernüchternde 2:3-Niederlage des SV Waldhof beim SC Freiburg II zu einer veritablen Herbstdepression im Mannheimer Lager.
Im Gesamtkontext einer Drittliga-Saison, in deren Verlauf die Kurpfälzer bei Auswärtsspielen den Status als dankbarer Punktelieferant erworben haben, führt der zeitweise erschreckende Auftritt im Südbadischen zu einer desillusionierenden Schlussfolgerung: In dieser Verfassung ist die Mannschaft von Trainer Christian Neidhart kein ernstzunehmender Kandidat auf den Zweitliga-Aufstieg.
6:18 Tore, 1 Punkt, zuletzt fünf Niederlagen am Stück. Die verheerende Auswärtsbilanz des SVW spottet jeder Beschreibung. Ohne die Heimstärke – bei sechs Spielen im Carl-Benz-Stadion holten die Mannheimer die Optimalausbeute von 18 Zählern – wären die ausgegebenen hohen Ziele schon nach zwölf Spieltagen illusorisch geworden. Dass außerdem auch nach über vier Monaten unter Neidhart keine spielerische Weiterentwicklung des Teams und eine Stabilität über mehrere Partien hinweg erkennbar ist, verschärft die Krisenstimmung rund um den Alsenweg.
In einer katastrophalen Viertelstunde nach der Pause gab der SVW die Partie in Freiburg nach einer 1:0-Pausenführung durch einen Fernschuss von Alexander Rossipal (32.) fahrlässig her. Es hatte etwas von Waldhöfer Auflösungserscheinungen, als die U23 des Sportclub das Spiel durch Tore von Erik Wiklöf (46.) und Vincent Vermeij (52., 61.) mit Leichtigkeit in ihre Richtung wendete. Daniel Keita-Ruels zwischenzeitliches 2:2 (60.) blieb nur eine Fußnote während eines Mannheimer Zusammenbruchs, den Trainer Neidhart als „Komplett-Chaos“ korrekt beschrieb. Hätte Waldhof-Schreck Vermeij (schon sechs Drittliga-Tore gegen den SVW) seine beiden anderen Großchancen in dieser Phase genutzt, es hätte das dritte Auswärtsdebakel nach Meppen (2:6) und Osnabrück (0:5) in dieser Saison gegeben.
„Ich habe zu Asif (Saric, Co-Trainer, d. Red) neben mir gesagt: ,Was machen wir hier eigentlich? Wir können doch nicht in zehn Minuten alles aus der Hand geben’“, berichtete Neidhart von seiner Fassungslosigkeit auf der Bank. In der ersten Halbzeit hatte sein Team mit einer zu diesem Zeitpunkt noch anständigen Abwehrleistung keine einzige Freiburger Gelegenheit zugelassen, doch nach dem frühen Ausgleich in der zweiten Halbzeit knickten die Waldhöfer völlig weg. Widerstandsfähigkeit nach einem Negativereignis? Fehlanzeige. „Das 1:1 war ein Traumtor. Das macht auch psychisch was mit einem. So eine Dynamik ist dann schwer aufzuhalten“, sagte Seegert. Die Niederlagen-Serie hat offensichtlich zu einer tiefgreifenden Verunsicherung in gegnerischen Stadien geführt.
Taz steht neben sich
„Ich weiß nicht, warum wir auf einmal in der Organisation so zusammenfallen. Das hat immer Gründe, diese Gründe müssen wir uns anschauen, da müssen wir uns hinterfragen“, meinte Neidhart, auf den der Druck zunimmt. Sein Vorgänger Patrick Glöckner war schon nach vergleichsweise weniger heftigen Negativausschlägen intern angezählt worden. Sollte sich die Krise in den kommenden Wochen gegen Essen (22. Oktober) und Dresden (29. Oktober) auch auf die Heimspiele ausdehnen, könnte die Luft für Neidhart schnell dünn werden.
Zumal auch die fußballerischen Probleme des SVW unübersehbar sind. Ohne den noch lange verletzten Organisator Marco Höger (Kreuzbandriss) mühten sich in Freiburg Baxter Bahn, Stefano Russo und Fridolin Wagner im zentralen Mittelfeld – Spieler, die eher über Lauf- und Zweikampfstärke kommen, als dass sie dafür bekannt wären, kreative Akzente setzen zu können. Einer, der als Mann für die besonderen Momente in der Offensive verpflichtet wurde, steht zudem weiter komplett neben sich. Berkan Taz, als Topscorer von Dortmund II geholt, wartet weiter auf sein erstes Tor und seine erste Vorlage in Blau-Schwarz. Am Samstag vergab der 23-Jährige eine Großchance in der ersten Halbzeit, danach gelang ihm so gut wie nichts mehr. „Ich werde nicht den Stab über einzelne Spieler brechen“, sagte Neidhart, angesprochen auf Taz’ frappierende Formprobleme. Dass mit Bahn und Verteidiger Julian Riedel zwei weitere als neue Säulen geholte Profis ebenfalls hinter den Erwartungen zurückbleiben, dreht den Fokus auf die Transferpolitik von Sportchef Schork im vergangenen Sommer. Vieles hat bisher überhaupt nicht funktioniert.
„Wir müssen jetzt eine Serie starten, ansonsten wird es eng“, sagte Torschütze Rossipal in Freiburg. „Wenn ich unsere Qualität sehe, sind wir auf jeden Fall besser als Platz acht.“ Bis zur WM-Pause Mitte November stehen noch fünf Liga-Spiele an, in denen sich womöglich schon entscheiden wird, ob der SV Waldhof nach der Winterpause überhaupt noch realistische Chancen auf den Zweitliga-Aufstieg hat. Der Glaube an den großen Coup ist im Umfeld, liest man die teils scharfen Kommentare in den sozialen Medien, praktisch nicht mehr vorhanden.
Vor dem DFB-Pokal-Duell am Dienstag (18 Uhr) gegen Zweitligist 1. FC Nürnberg ist die Stimmung im Keller. Es gab schon bessere Vorzeichen für eine Pokal-Sensation.
SC Freiburg II: Sauter – Braun-Schumacher (62. Engelhardt), ...
SC Freiburg II: Sauter – Braun-Schumacher (62. Engelhardt), Hoti, Makengo (46. Fahrner), Treu – Röhl (70. Schmidt), Wiklöf, Stark, Kehl (46. Lienhard), Guttau – Vermeij (85. Breunig).
SV Waldhof: Behrens – Jans, Gohlke, Seegert, Rossipal (74. Sohm) – Russo, Wagner (65. Schnatterer) – Martinovic (74. Ekincier), Bahn, Taz (55. Kother) – Keita-Ruel.
Tore: 0:1 Rossipal (32.) 1:1 Wiklöf (46.) 2:1 Vermeij (52.) 2:2 Keita-Ruel (60.) 3:2 Vermeij (61.)
Beste Spieler: Vermeij, Wiklöf/ Martinovic. – Gelbe Karten: Sauter/Taz, Gohlke. – Schiedsrichter: Florian Heft (Neuenkirchen). – Zuschauer: 2550 (im Dreisamstadion).
Nächstes Spiel: SV Waldhof – 1. FC Nürnberg, Dienstag, 18 Uhr, 2. Runde DFB-Pokal
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