Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zuletzt im Oktober auf die sinkende Inflation reagiert und den Einlagenzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent gesenkt. Für das kommende Jahr sind weitere Senkungen zu erwarten.
Doch welchen Einfluss hat der EZB-Leitzins auf die eigenen Sparpläne, Geldanlagen, Tagesgeldkonten oder Immobilien? Christoph Klohr ist Berater im Private Banking der Sparkasse Rhein Neckar Nord. Im Gespräch beschreibt er Wissenswertes rund um das Thema und welchen Einfluss es auf Privatpersonen und auch Unternehmen hat.
Der EZB-Leitzins wurde bis in den Herbst 2023 zehnmal in Folge angehoben. Seit Juni dieses Jahres wurde er wieder stufenweise gesenkt und hat das Plateau verlassen. Welche weitere Entwicklung erwarten Sie?
Christoph Klohr: Wir gehen davon aus, dass die EZB ihre Zinssenkungen vorerst schrittweise fortsetzen wird. Eine Rückkehr zur Nullzinspolitik, wie wir sie vor einigen Jahren hatten, erwarten wir jedoch nicht. Der Zins ist gekommen, um zu bleiben. Natürlich bleibt die Zukunft voller Überraschungen – ein einziges unerwartetes Ereignis kann die EZB dazu bewegen, die Strategie anzupassen. Deshalb behalten wir die Entwicklungen genau im Blick.
Wer profitiert von dieser Entwicklung besonders?
Klohr: Von niedrigeren Zinsen profitieren vor allem Unternehmen mit großem Investitionsbedarf. Günstigere Kredite ermöglichen es ihnen, wieder mutig in Wachstum und Innovation zu investieren – was sich langfristig in stärkeren Geschäftsergebnissen auszahlen kann. Privatpersonen, etwa Eigenheimkäufer, haben ebenfalls Grund zur Freude: Niedrigere Finanzierungskosten machen den Traum vom Eigenheim etwas greifbarer. Kurz gesagt: Niedrige Zinsen sollen der Wirtschaft Rückenwind geben – Unternehmen und Verbraucher können davon gleichermaßen profitieren.
Wie lange dauert es, bis eine Änderung des Leitzinses bei Ihren Kunden direkt ankommt?
Klohr: Änderungen am Leitzins wirken nicht wie ein Schalter, den man umlegt, sondern wie ein Tropfen, der Wellen schlägt. Manche Effekte – wie die Reaktionen an den Kapitalmärkten – sind sofort spürbar, während sich andere erst mit Zeitverzögerung entfalten. Bei Kreditzinsen oder Sparzinsen sind diese Änderungen oft schon „eingepreist“, bevor die EZB offiziell handelt. Ein genauer Zeitpunkt ist schwer zu benennen – aber eines ist sicher: Wir halten unsere Kundinnen und Kunden stets auf dem Laufenden.
Nicht aus der Ruhe bringen lassen
Was heißt das für die Anlage-Strategie eines Endverbrauchers?
Klohr: Das Wichtigste ist, sich nicht von kurzfristigen Schwankungen aus der Ruhe bringen zu lassen. Niemand kann die Zinsentwicklung exakt vorhersagen, daher macht es Sinn, die Geldanlage breit zu streuen. Ein gut gemischtes Portfolio aus verschiedenen Anlageklassen – wie Aktien, Immobilien, Gold und Anleihen – sorgt dafür, dass man für unterschiedliche Szenarien gut aufgestellt ist. So können unsere Kunden mittel- und langfristig von weltwirtschaftlichem Wachstum profitieren und Risiken reduzieren. Diversifikation ist der Schlüssel – und manchmal auch der Rettungsanker.
Welche Aktien reagieren in der Regel besonders stark?
Klohr: Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial profitieren besonders von Zinssenkungen. Günstige Kredite ermöglichen ihnen, in neue Technologien, Produkte oder Märkte zu investieren, was langfristig Umsatz und Gewinn steigern kann. Dagegen sind etablierte Unternehmen mit stabilen Märkten und weniger Investitionsbedarf weniger stark betroffen. Sie haben oft die finanziellen Mittel, ohne auf Kredite angewiesen zu sein – und bleiben daher etwas gelassener bei Zinsbewegungen.
Ein guter Zeitpunkt für einen Kredit?
Wenn der Leitzins sinkt, werden meist auch Kredite günstiger. Wann ist der Zeitpunkt gut, einen Kredit aufzunehmen?
Klohr: Der beste Zeitpunkt hängt immer von der persönlichen Lebenssituation ab. Wer beispielsweise eine Immobilie gefunden hat, sollte prüfen, ob die Finanzierung mit den aktuellen Zinsen tragbar ist – langfristige Pläne lassen sich nicht ewig verschieben. Der Markt für Kredite bleibt dynamisch, aber die individuelle Planung ist entscheidend. Bei größeren Investitionen gilt: nicht nur die Zinsen beachten, sondern auch die langfristigen Kosten und Chancen.
Was sollte man dabei beachten?
Klohr: Niedrige Zinsen sind eine gute Gelegenheit, sich langfristig günstige Konditionen zu sichern. Eine langfristige Zinsbindung schützt vor künftigen Zinserhöhungen. Wenn man jedoch von weiter sinkenden Zinsen ausgeht, könnte eine kürzere Zinsbindung sinnvoll sein, um später von noch besseren Konditionen zu profitieren. Wichtig ist, dass die monatliche Rate gut in den Haushaltsplan passt und gleichzeitig genug Spielraum für den Aufbau von Rücklagen bleibt. Ein gutes Gleichgewicht ist hier entscheidend – als Berater helfen wir gern bei der Planung.
Kann es sinnvoll sein, einen laufenden Kredit in der aktuellen Phase durch einen neuen abzulösen?
Klohr: Das hängt von den Bedingungen des bestehenden Kredits ab. Bei Krediten mit Zinsbindung ist oft ein Vorfälligkeitsentgelt fällig, das die Kosten einer Ablösung deutlich erhöhen kann. Anders sieht es bei Krediten mit variablen Zinsen oder Privatkrediten aus, bei denen keine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Hier sollte genau geprüft werden, ob ein Wechsel langfristig Sinn macht. Unser Tipp: Erst rechnen, dann handeln – und das am besten mit fachkundiger Unterstützung. ho
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