Schriesheim - Der Behindertentreff feiert am Sonntag sein 40-jähriges Bestehen

Sepp Schmich: „Kommen darf, wer will“

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Stephanie Kuntermann
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Behindertentreff Schriesheim besteht seit 40 Jahren. Geleitet wird er seit gut 35 Jahren von (v.l.): Dorle und Sepp Schmich und Inge Keller. © kuntermann

Es ist eins von diesen Bildern, bei denen man sich spontan freut: Ein zuckersüßes Wichtelmädchen im bunten Cape holt sich ein Geschenk ab. Die Aufnahme wurde vor über 30 Jahren bei einer Faschingsfeier gemacht und hat ihren Platz in einem der vielen Alben, die sich über die Jahre angesammelt haben. Seit 40 Jahren gibt es nun den Behindertentreff, und am Sonntag feiert er sein Jubiläum mit einem Gottesdienst sowie einem Fest für geladene Gäste.

Der Treff ist eine Gruppe innerhalb der katholischen Kirchengemeinde, seine Organisation ist schlicht, und seine Leiter machen wenig Aufhebens um ihre Person. Es gibt keine Vereinsstruktur, keine Ämter und keine Beiträge. „Kommen darf, wer will“, sagt Sepp Schmich: „Egal, woher er kommt und welche Religion er hat.“ Der 87-Jährige will sich nicht offiziell zu den Leitern zählen, das überlässt er lieber seiner Frau Dorle und Inge Keller. Die sagt: „Los ging es mit dem Behindertentreff am 29. Mai 1979.“ Von den Dreien war da noch keiner mit am Start, Initiatoren waren vielmehr der damalige Pfarrer Karl Jauch und seine Haushälterin Hermine Gebauer. Sie organisierten eine Freizeit für Familien mit behinderten und nicht behinderten Kindern mit dem Hintergedanken, die gestressten Eltern zu entlasten. Jauch hatte zuvor ein altes Bergwerkshaus im Schwarzwald gekauft.

Das Gebäude in Wieden bei Bad Krozingen erschien geeignet, um auch Rollstuhlfahrer zu beherbergen, und so machte sich vor gut 40 Jahren die erste Gruppe dorthin auf. Michaela, Gunnar und Thorsten hießen einige der ersten jungen Teilnehmer, erinnert sich Keller.

Gebauer und der Geistliche betreuten die Gruppe in den ersten fünf Jahren, bis Jauch versetzt wurde und Nachfolger suchte. „Die Arbeit sollte weitergeführt werden“, erklärt Dorle Schmich. Inge Keller half beim Geburtstag eines Jungen; Gunnar saß im Rollstuhl, konnte nicht sprechen, aber seine Begeisterung berührte sie. Anfangs kannten sich die Frauen nicht näher, doch im Laufe der Jahre entstand durch die gemeinsame Aufgabe eine tiefe Freundschaft.

Nicht nur unter einander, sondern auch zu den Kindern und ihren Familien. Jede Woche traf sich die Gruppe nun im „Kleinen Pfarrsaal“, immer gab es Programm. Es wurde gebastelt, gekegelt, gekocht, und mal fanden auch Spielenachmittage statt. Auf Initiative von Altstadträtin Isolde Nelles übernahm die Gruppe vor zehn Jahren den Verkauf von Glühwein und Kinderpunsch am Martinstag. Dessen Erlös, Spenden und die Unterstützung von Privatleuten oder Helfern wie der Bäckerei Heiß sorgen dafür, dass die Gruppe in der Lage ist, ihre Arbeit weiterzuführen. An Fasnacht wird getanzt, in der Vorweihnachtszeit kommt der Nikolaus – früher war das Kellers Schwager -, und im Sommer trafen sich alle auf einem Gartengrundstück im Feld zum Grillen. „Ganz einfach war das“, sagt Keller, „doch es war schön.“

In Ehrenbürger Peter Riehl hatte der Treff einen Unterstützer, einmal kam der damalige Bürgermeister sogar mit zu einer Freizeit nach Wieden. Dort wurde Ski und Schlitten gefahren, auf einem alten Bild sieht man eine Mutter, die den Rollstuhl ihres Sohns unverdrossen durch den Schnee schiebt. Lebensfreude strahlen die Teilnehmer aus, und das Lachen der Kinder wirkt ansteckend.

Fotos machen wehmütig

Das ist es auch, was Schmichs und Keller über die Jahre begeisterte: „Sie können sich so freuen.“ Wenn sie komme, um die Tür aufzuschließen, erzählt Dorle Schmich, dann seien die Ersten schon da und lachten. Aus den Kindern sind mittlerweile Erwachsene geworden.

Nicht alle leben heute noch. Vier Gruppenmitglieder starben schon in jungen Jahren; wenn Schmichs und Keller ihre Gesichter auf den Fotos sehen, werden sie wehmütig, es wird still in der Runde. Heute sind es zwischen zwölf und 20 Mitglieder, die regelmäßig an den Treffen teilnehmen. Manche können nicht mehr kommen, weil sie im Weinheimer „Pilgerhaus“ leben und arbeiten. Doch wenn die Gruppe jetzt ihr Jubiläum feiert, sind sie fast alle da.

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