„MM“-Podiumsdiskussion

Verteidiger des Mannheimer Messerattentäters geben Einblick

Bei einer Podiumsdiskussion analysiert Gerichtsreporterin Agnes Polewka mit Anwälten den Mannheimer Marktplatzprozess. Wie hat sie das Verfahren selbst erlebt?

Von 
Florian Karlein
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Agnes Polewka im Ella & Louis. Am 14. Oktober findet dort eine Podiumsdiskssion mit ihr zum Mannheimer Marktplatz-Prozess statt © Jakob Walter

Mannheim. Die Gerichtsakte des Mannheimer Marktplatzattentats ist geschlossen. Am 16. September wurde der Messerangreifer Sulaiman A. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Der „Mannheimer Morgen“ arbeitet die 36 Prozesstage am Stuttgarter Oberlandesgericht in einer Podiumsdiskussion am Dienstag, 14. Oktober, auf. Von Anfang an mitten drin ist „MM“-Gerichtsreporterin Agnes Polewka

Agnes, du bist eine sehr erfahrene Gerichtsreporterin und hast für den „Mannheimer Morgen“ schon viele große und spektakuläre Fälle als Journalistin begleitet. War der Prozess um das Attentat auf dem Mannheimer Marktplatz der größte deiner Karriere bisher?

Agnes Polewka: Mit Superlativen zu arbeiten, finde ich in diesem Kontext schwierig. Es gab viele Verfahren, die mir in den vergangenen Jahren nachgegangen sind und die ich nicht vergessen werde, weil jedes auf seine Art und Weise einzigartig war – in der Tragik, dem Umgang der Betroffenen oder auch in der Brutalität. Das Verfahren um das Mannheimer Messerattentat war natürlich besonders, weil die Betroffenheit der Menschen über dieses Verbrechen riesig war. Dann ein Staatsschutzverfahren, ein Senat aus hauptamtlichen Richtern, keine Schöffen, ein Prozess, der sich über sieben Monate hinzog. Das war natürlich ein sehr intensives Verfahren, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Es gab in dem Prozess jede Menge sehr emotionale Begebenheiten – zum Beispiel die Worte der Schwester und der Mutter von Rouven Laur ganz am Ende. Gibt es einen Moment aus dem Verfahren, der dich besonders mitgenommen hat, der dich vielleicht bis heute noch beschäftigt?

Polewka: Die Berichte der Angehörigen von Rouven Laur waren sehr bewegend. Auch für uns Journalisten im Raum. Ich selbst habe mir ähnliche Schutzmechanismen angewöhnt, wie sie auch die meisten Anwälte pflegen. Und kann gut eine Mauer hochziehen und Dinge, nicht ganz so dicht an mich heranlassen – das dient zum einen der Neutralität, der wir verpflichtet sind, zum anderen ganz einfach auch dem Selbstschutz. Aber in diesem Verfahren war das manchmal wirklich schwierig. Allein schon an den Tagen, an denen das Video der Tat auf Großleinwand wieder und wieder abgespielt wurde.

Teilnehmer, Beginn und Tickets

Mitte September 2025 wurde der Messerattentäter vom Mannheimer Marktplatz, Sulaiman A., nach monatelangem Prozess vom Oberlandesgericht Stuttgart zu lebenslanger Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verurteilt.

Mit einer Podiumsdiskussion am Dienstag, 14. Oktober , arbeitet der „MM“ den Prozess und das Urteil noch einmal auf. Beginn im Ella & Louis am Rosengarten ist um 20 Uhr, Einlass ist ab 19 Uhr.

Moderiert wird der Abend von Gerichtsreporterin Agnes Polewka und Lokalchef Florian Karlein. Ihre Gesprächspartner sind die beiden Verteidiger von Sulaiman A. , zwei Anwälte der Familie des getöteten Polizisten, dem Anwalt von Opfer Michael Stürzenberger und der Anwältin des Opfers, dem es kurzzeitig gelang, den Attentäter zu stoppen.

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Gibt es auch etwas aus dem Verfahren, das dich ratlos zurücklässt? Über die du dich bis heute wunderst?

Polewka: Ich bedauere es sehr, dass in diesem Verfahren nicht ergründet wurde, wie es dazu kam, dass ein Passant in das Tatgeschehen eingriff und die Tat womöglich ganz entscheidend beeinflusst hat. Da sind viele Fragen leider offengeblieben. Und das befeuert natürlich auch alle möglichen Verschwörungstheorien.

Für viele hat sich der 31. Mai als Tag des Marktplatz-Attentats ins Gedächtnis eingebrannt. Bei dir auch? Oder wird der Tag irgendwann mal wieder ein ganz normaler Frühjahrstag für dich sein?

Polewka: Ich werde an dem Datum auch in Zukunft an die Tat denken, da gibt es auch noch andere Daten, die mir in Erinnerung geblieben sind, ebenso auch der Ort. Als ich vor einigen Monaten Bilder von einem Yogaevent auf dem Marktplatz sah, dachte ich: Nee, das könnte ich nicht. Ich kann auch auf bestimmten Straßen in der Region nicht mehr unterwegs sein, ohne an die Menschen zu denken, die dort tödliche Unfälle hatten und die ich später im Gerichtssaal sah. Kurzum: Der letzte Tag im Mai ist für mich ein normaler Tag, aber einer, an dem ich sicher das eine oder andere Mal an das denken werde, was auf dem Marktplatz passiert ist.

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Von
Marco Pecht
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Am kommenden Dienstag analysieren wir den Prozess und das Urteil noch einmal mit einigen wichtigen Verfahrensbeteiligten. Wir beide moderieren den Abend gemeinsam und ich persönlich finde es extrem spannend, dass es uns gelungen ist, die beiden Verteidiger von Sulaiman A. dafür gewinnen zu können. Wie siehst du das?

Polewka: Ich freue mich, dass beide dabei sind, weil sie den Täter am besten kennengelernt haben und noch einmal eine andere Perspektive beisteuern können. Genauso froh bin ich aber um die Teilnahme aller, die teilweise weite Anreisewege in Kauf nehmen, um bei unserer Veranstaltung dabei zu sein. Der Anwalt von Michael Stürzenberger, Peter Dürr, kommt eigens aus Rosenheim – das finde ich schon beachtlich. Daran sieht man, dass es auch die Verfahrensbeteiligten begrüßen, einen symbolischen Abschluss zu finden.

Am 16. September wurde der Messerangreifer vom Mannheimer Marktplatz, Sulaiman A., zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. © Marijan Murat/dpa

Gibt es auch mal einen kleinen Einblick: Was wird am Dienstagabend im Ella&Louis passieren?

Polewka: An diesem Abend wollen wir einerseits über Dinge sprechen, die noch nicht erzählt worden sind: Wie bewerten die Anwälte den Gang des Verfahrens? Hätten es nicht doch weniger Prozesstage sein können? Auch soll es dabei um offengebliebene Fragen des Verfahrens gehen. Andererseits aber auch um die Zukunft: Wie können Menschen nach einer solchen Tat weiterleben?

Mit der Podiumsdiskussion schließt sich auch für die „MM“-Redaktion die extrem arbeitsreiche Akte rund um den Marktplatz. Das war für uns, insbesondere aber natürlich für dich, eine total intensive Zeit. Wie froh bist du, dass das Kapitel dann endlich abgeschlossen ist?

Polewka: Ich habe in dieser Zeit viel gelernt, dafür bin ich dankbar. Und ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass es sehr wichtig war, diesen Prozess so engmaschig zu begleiten, wie wir das getan haben. Wir haben auch viele Zuschriften von Menschen bekommen, die sich dafür bedankt haben, dass wir das Verfahren für sie geöffnet haben. Die Fahrten nach Stuttgart waren natürlich schon zehrend, auch habe ich mich vor kurzem erst gefragt, wo eigentlich das Jahr geblieben ist, es ist rasend schnell vorbeigezogen. Aber so dürfte das Jahr auch weiter und zu Ende gehen. Am 31. Oktober beginnt nämlich der Prozess um die Amokfahrt am Rosenmontag.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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