Tumo? Nur die wenigsten werden bisher davon gehört haben. Als Bürgermeister Dirk Grunert im Bildungsausschuss kurz auf das Tumo-Center eingeht, fragt eine Stadträtin: „Was für ein Center?“ Bei Tumo handelt es sich um ein Bildungsprojekt, das im Jahr 2011 in Armenien entwickelt wurde und 2018 in Berlin Fuß gefasst hat. Als zweite deutsche Stadt möchte jetzt Mannheim ein Tumo-Bildungszentrum. Der Gemeinderat stellte bei seiner jüngsten Sitzung dafür die Weichen. Dazu Fragen und Antworten.
Welcher Grundgedanke steckt hinter dem Tumo-Konzept?
„Wie funktioniert ein Bildungsangebot, das Jugendliche freiwillig annehmen?“ Das ist nach den Worten von Oberbürgermeister Peter Kurz im Gemeinderat die Leitfrage, die hinter Tumo steht. „Hier lernen Jugendliche nicht, weil sie müssen, sondern, weil sie es wollen“, beschreibt das Tumo-Bildungszentrum in Berlin. Es ist der erste und bisher einzige deutsche Ableger des Projekts, das aus Armenien stammt.
Wie funktioniert das Tumo-Konzept im Detail?
Im weitesten Sinne geht es darum, mit moderner Technologie frühzeitig Interesse an digitalen, technischen und kreativen Themen zu wecken. Die Teilnehmer sollen sich Wissen für die Arbeitswelt der Zukunft aneignen. Jedes Kind oder jeder Jugendliche – angesprochen sind Zwölf- bis 18-Jährige – hat die freie Wahl zwischen zehn verschiedenen Modulen. Sie reichen von Grafik-Design und Programmieren über Robotics, Fotografie und Spiele-Entwicklung bis hin zu 3D-Modeling, Musik- oder Film-Produktionen.
Wie viel Zeit müssen Kinder und Jugendliche mitbringen?
Zwei mal zwei Stunden pro Woche in der Regel nachmittags oder auch samstagsvormittags: Das sind die festen Lernzeiten, die Tumo vorgibt. Wer teilnimmt, meldet sich nicht für ein bestimmtes Thema an. Nach einer Orientierungsphase kann man frei entscheiden, was man machen möchte – und auch wechseln. Es gibt Selbstlernphasen, Workshops oder Projekte mit Spezialisten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Coaches unterstützen bei Bedarf.
Gibt es Erfahrungsberichte bisheriger Teilnehmer?
Ja, zum Beispiel aus Berlin. So beschreibt auf der Internet-Seite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Siebtklässler Ferdinand, was Tumo für ihn ist: „Kostenloser Computer-Unterricht mit lauter tollen Themen.“ Er sagt: „Ich kann zehn spannende Themen so lernen, dass ich sie später im Beruf nutzen kann, hoffe ich.“ Freunde von ihm, die von Tumo hören, sind erstaunt, dass alles kostenlos ist.
Aber irgendwer muss die Kosten doch übernehmen?
Natürlich. Die Städte, in denen es Tumo-Zentren gibt, stellen die Räumlichkeiten zur Verfügung und finanzieren eventuell erforderliche Umbauten. Hier kommen die Stadt Mannheim und der Gemeinderat ins Spiel, der dieser Kofinanzierung für vorerst fünf Jahre bei drei Enthaltungen zugestimmt hat. Für den laufenden Betrieb (vor allem Personal) werden Sponsoren gesucht. Im Fall von Berlin war das die KfW. In Mannheim, so die Verwaltung, „laufen zurzeit vielversprechende Gespräche mit einer großen regionalen Stiftung“. Als möglicher Standort wird ein Gebäudeteil des Mafinex-Technologiezentrums auf dem Lindenhof ins Auge gefasst.
Wann soll das Tumo- Bildungszentrum starten?
Projektbeginn ist der 1. Januar 2023. Bis dahin muss das Finanzierungskonzept in trockenen Tüchern sein. Im ersten Halbjahr geht es darum, die baulichen Maßnahmen festzulegen, sie sollen direkt danach umgesetzt werden. Die Eröffnung ist Ende 2023, Anfang 2024 geplant.
Wer soll das Bildungszentrum in Mannheim betreiben?
Die Stadt konnte dafür den Verein Starkmacher gewinnen, einen staatlich anerkannten Träger der freien Jugendhilfe. Der Verein wurde 2006 gegründet und ist seit 2010 in Mannheim aktiv. Auf der Homepage schreibt er: „Unsere Vision ist es, dass jeder junge Mensch sein volles Potenzial entfalten kann, um die Gesellschaft positiv zu prägen.“
Mit wie vielen Teilnehmern ist zu rechnen?
Man wolle im Jahr tausend Kinder und Jugendliche erreichen, so Peter Kurz im Gemeinderat: „Das wäre ein erheblicher Teil eines jeden Jahrgangs.“ In der zunächst auf fünf Jahre angelegten Betriebsphase (Ende 2023, Anfang 2024 bis 2028) könnten demnach etwa 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Tumo profitieren, davon geschätzt 4000 aus Mannheim und 1000 aus der Region.
Also ist Tumo nicht auf Mannheim und Mannheimer begrenzt?
Nein. Das Konzept beinhaltet explizit eine regionale Komponente. Mittelfristig soll Tumo durch kleinere „Tumo-Boxen“ (35 bis 50 Personen) sowohl in der gesamten Metropolregion als auch in den Mannheimer Vororten vervollständigt werden, um eine noch höhere Anzahl von Kindern und Jugendlichen zu erreichen. Die erste Box soll Anfang 2025 eröffnet und mit dem Zentrum in Mannheim vernetzt werden.
Für welche spezielle Zielgruppe ist Tumo gedacht?
Tumo ist offen für alle. Aber „ein Schwerpunkt liegt bei der Integration von sozial benachteiligten Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf“, hebt die Stadt hervor. Der Verein Starkmacher nutzt dazu sein Netzwerk – insbesondere Schulen in sozialen Brennpunkten sowie spezifische Jugendeinrichtungen – um gezielt werben zu können.
Endet das Bildungsprojekt nach der fünfjährigen Betriebsphase?
Das hoffen die Projektträger und Betreiber nicht. Sie betrachten das Lernzentrum als langfristiges Vorhaben und möchten, dass Tumo über 2028 hinaus besteht. Das heißt, dass Starkmacher von Beginn an nach Förderern und Partnern sucht, die die Finanzierung auf lange Sicht sicherstellen.
Wo kommt der Name Tumo her, und wo gibt es bereits Zentren?
Tumo steht im Volksmund als Abkürzung für den armenischen Nationalschriftsteller Hovhannes Tumanyan. Das weltweit erste Tumo-Zentrum steht in einem Park, der ebenfalls nach Tumanyan benannt ist. Entwickelt hat das Bildungsprojekt das armenisch-amerikanische Unternehmerpaar Sam und Sylva Simonian – ursprünglich, um digitale Bildung in Armenien voranzubringen. Inzwischen gibt es vier Tumo-Zentren in Armenien und sechs weitere in Berlin, Paris, Lyon, Beirut, Moskau und Tirana.
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