Mannheim. In der Theorie ist alles durchdacht. In einem dunklen Raum auf dem Dachboden des Hauses auf der Rheinau sollen auf insgesamt 36 Quadratmetern verschiedene Sorten Cannabis angepflanzt werden. Bewässerung, Beleuchtung und Luftfeuchtigkeit lassen sich dann ganz einfach über ein Display steuern. Die Stelle an der Wand, auf die Matthias Caroli zeigt, ist noch leer – so wie alles andere in den Räumlichkeiten des Cannabis Social Clubs Grüne Liebe Rhein-Neckar.

Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.
Doch das hat Gründe. Erst am Dienstag bekam Caroli, Vorsitzender des Vereins, die frohe Botschaft: Sein Club ist zusammen mit einem Verein aus Achern (Ortenaukreis) die erste Anbauvereinigung, die in Baden-Württemberg loslegen darf. Nun hat er die Genehmigung zum gemeinschaftlichen, nicht gewinnorientierten Anbau von Cannabis. „Es war ein sehr langwieriger Prozess. Als wir gestern die Nachricht erhalten haben, da haben wir die ein oder andere Flasche geöffnet“, freut sich der 52-Jährige.
Über 30 Beitrittsanfragen an Cannabis Social Club Grüne Liebe nach der Genehmigung
Im Leben Carolis, der an diesem Mittag lässig in dicker Winterjacke durch die Räumlichkeiten seines Clubs führt, ist seitdem ganz schön was los. Das Interesse sei riesig. Über 50 Presseanfragen habe er schon erhalten, und auch den Verein haben alleine am Tag nach der Genehmigung 30 Beitrittsanfragen erreicht. Darunter auch „absurde Anfragen“, beispielsweise aus Heidenheim, erzählt der zweite Vorsitzende Dominic Deigner. Solchen Wünschen könne man aber nicht nachkommen. Das Cannabis darf nur persönlich unter Vorzeigen des Personalausweises abgeholt werden.
Aktuell zählt Grüne Liebe etwa 200 Mitglieder – Tendenz steigend. „Wir nehmen gerne noch auf“, ergänzt Caroli. Bei 350 mache er dann aber erst einmal Anmeldeschluss, um die Nachfrage tatsächlich bedienen zu können. 50 Gramm Cannabis darf sich jedes Mitglied pro Monat abholen. Anhand dieser Höchstmenge und der Mitgliederzahl definiert sich die erlaubte monatliche Anbaumenge des Clubs. Bei 350 Mitgliedern müsste Caroli also über 17 Kilogramm Cannabis im Monat zur Verfügung haben. Aufgrund des derzeitigen Ansturms ist dabei an Überproduktion kaum zu denken. Falls doch, dürfe er das Cannabis aber bis zu einem Jahr einlagern, danach muss es vernichtet werden.
Bis der Club das erste Mal Cannabis an seine Mitglieder ausgeben darf, liegt allerdings noch eine Menge Arbeit vor dem Vorsitzenden und dessen Team. Darunter fallen unter anderem bauliche Anpassungen für ein Sicherheitskonzept, die sich durch eine Begehung mit dem Polizeipräsidium Mannheim ergeben haben. Und auch die Geräte für den Cannabis-Anbau – Pflanztische, Bewässerungstechnik, Beleuchtungstechnik und so weiter – müssen selbstverständlich erst bestellt und installiert werden. Caroli geht davon aus, dass der Club Ende des Jahres alle Vorbereitungen abgeschlossen hat und „wir Ende März zum ersten Mal Cannabis an unsere Mitglieder ausgeben können“.
Mitglieder des Mannheimer Cannabis Social Clubs Grüne Liebe müssen mindestens 21 sein
Ende März auch deshalb, weil Matthias Caroli das finanzielle Risiko bis zur Genehmigung nicht eingehen wollte – die Anlage kostet etwa 100.000 Euro – und, weil das Regierungspräsidium Freiburg, das landesweit für die Genehmigungsverfahren zuständig ist, keine anderen, als vorbereitende Maßnahmen zuließ. Immerhin da war Caroli, der durchaus Tatendrang und Unternehmergeist ausstrahlt und sich nach eigenen Angaben zurzeit nur um den Social Club kümmert, tatkräftig unterwegs und hat die Räumlichkeiten, die auch 100 Quadratmeter Bürofläche bieten, nahezu komplett renoviert. Was wo hinkommen soll, ist schon genau durchgeplant.
In einem kleinen unscheinbaren Raum, nah an der Stelle, wo einmal die Cannabis-Ausgabe erfolgen soll, wird das Büro des Sucht- und Präventionsbeauftragten des Vereins eingerichtet, den jeder Social Club braucht – im Fall von Grüne Liebe ist das Caroli selbst. „Ich werde auf Menschen mit konsumkritischem Verhalten proaktiv zugehen, wenn notwendig auch intervenieren“, erklärt der Vorsitzende. Und auch beim Jugendschutz fährt der Verein eine klare Linie. Mitglieder müssen mindestens 21 Jahre alt sein. „Cannabis ist nichts für Heranwachsende“, macht Caroli deutlich.
Er selbst habe früher konsumiert - mehr geht er darauf nicht ein. Heute ist es eine normale Zigarette, die er raucht, während er über seinen Social Club erzählt. Auf die Frage, warum er den Verein betreibt, nennt er die Cannabis-Konsumenten, die er entstigmatisieren möchte. „Die wurden in Deutschland über Jahrzehnte in eine kriminelle Ecke geschoben, in die die gar nicht hingehören“, bedauert der Vorsitzende. Die Mitglieder seines Vereins seien ein Querschnitt durch die Gesellschaft, unter ihnen Lehrer, Anwälte und Bauarbeiter, aber auch Familienväter oder Mütter. Vorwürfe der verschleierten Kommerzialisierung, die beispielsweise die CDU dem „Konstrukt Cannabis-Anbauvereinigung“ unterstellt, weist Caroli entschieden zurück. Das sei nicht seine Intention, der Verein müsse ja ohnehin gemeinnützig sein.
66 weitere Cannabis Social Clubs warten auf die Genehmigung
Angst um die Genehmigung seines Vereins habe er übrigens nicht, falls es bei den anstehenden Neuwahlen zu einem Wechsel an der Regierungsspitze kommt. Die CDU hatte jüngst angekündigt, die Cannabis-Legalisierung wieder umkehren zu wollen. Wenn beispielsweise die Union stärkste Kraft werde, müsse die Partei nach Carolis Ansicht zwangsläufig mit einer Partei koalieren, die für das Cannabis-Gesetz gestimmt hatte. Tatsächlich gaben im Februar 2024 über 400 Abgeordnete ihre Zustimmung. "Die Beispiele anderer Länder zeigen, dass das alles funktioniert", meint der Vorsitzende.
Doch ganz so entspannt sehen das nicht alle. Die Betreiber des Mannheimer CBD-Shops Releaf, die im April noch geplant hatten, einen Social Club zu gründen, haben sich mittlerweile von diesem Vorhaben verabschiedet. "Die aktuellen Regelungen (für die Social Clubs; Anm. d. Red.) sind nach wie vor unübersichtlich und unausgereift", heißt es von den Inhabern. Darüber hinaus sei die Diskussion über eine mögliche erneute Kriminalisierung, wie von der CDU gefordert, ausschlaggebend für den Rückzug gewesen.
Von diesen Überlegungen und Unsicherheiten abgesehen, warten aber nun weitere Vereine auf die Genehmigung. Antragsteller müssen unter anderem Vereinssatzung, Sicherheitskonzept sowie ein Gesundheits- und Jugendschutzkonzept vorlegen. Wie das Regierungspräsidium Freiburg mitteilt, liegen derzeit 66 weitere Anträge von Anbauvereinigungen im Land vor, die nach Reihenfolge des Eingangs bearbeitet werden. Der Social Club des CBD-Shops Grashüpfer dürfte auch unter den Anwärtern sein. Dort habe man den Antrag vor drei Monaten eingereicht. Carolis Verein könnte also schon bald nicht mehr der einzige in Mannheim sein.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-so-sieht-es-im-mannheimer-cannabis-social-club-gruene-liebe-aus-_arid,2263271.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/rheinau-hochstaett.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html