Gründerszene (mit Videos)

So geht Inklusion im Start-up: Mannheimer Gründer macht's vor

Der Lindenhöfer und Uni-Mannheim-Absolvent Anton Wachner kommuniziert dank Hilfen. Jetzt entwickelt er sie in seinem eigenen Start-up Treye Tech selbst. Wie er das schaffte - und warum er jetzt auf GoFundMe sammelt

Von 
Lea Seethaler
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Das Treye-Tech-Team aus Mannheim (v.l.): Stanislaus Kloster, Anton Wachner und Sophia Kramer. © Treye Tech

Mannheim. Der Lindenhöfer und Uni-Mannheim-Absolvent Anton Wachner kam als Kind nach Deutschland, schloss sein Masterstudium in Wirtschaftsinformatik ab. „All das war auch durch technische Hilfen möglich, die es entweder bereits gab oder ich mir ausgedacht habe und durch Hilfe von Familie, Freunden und später Assistenten bastelte“, sagt er.

"Behinderung war für mich immer Frage der Technik"

Anton Wachner ist seit Geburt schwerbehindert und hat eine Spastik im ganzen Körper. „Durch sie benötige ich Hilfe beim Essen, beim Anziehen sowie anderen Tätigkeiten des täglichen Lebens.“ Doch er sagt: „Für mich war Behinderung schon immer auch eine Frage der Technik.“

Wachner dachte sich: „Weshalb ist es in unserer Zeit noch nicht möglich, dass mein Gerät mich auf einen Blick versteht?“ Ihm kam die Idee: „Jeder Laptop, jedes Tablet und jedes Smartphone hat doch eine Kamera.“ Kurz vor Abschluss seines Studiums entwarf er das erste Konzept zur Steuerung von Applikationen, die mit einem Blick in die Frontkamera gesteuert werden.

Menschen mit Handicap profitieren am meisten von smarten Geräten

Während Wachner seinen Kopf noch halbwegs kontrolliert bewegen kann, habe er in seinem Leben viele Menschen getroffen, die das nicht mehr konnten. „Die meisten von ihnen konnten nur noch die Augen kontrolliert oder überhaupt bewegen“, erzählt er. Gerade für motorisch Eingeschränkte eröffnen smarte Geräte aber Interaktionsmöglichkeiten, die sie sonst nicht hätten. Ob sich online austauschen, Licht an, Jalousien hoch oder runter - alles geht heute per Handy. „Das wollte ich auch denjenigen zugänglich machen, die weder Finger noch Sprachsteuerung einsetzen können“, sagt der Mannheimer. Denn gerade sie hätten davon den größte Mehrwert.

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Wachners Team legte los. Und gewann kurz darauf allein mit dem Businessplan-Entwurf bei einem Gründerwettbewerb für Studierende. „Das war der helle Wahnsinn“, sagt Wachner. Ab da war sein Ehrgeiz geweckt, ein Unternehmen zu gründen und seine Vision umzusetzen. Die schwand nie, „selbst als die Mitgründer wechselten oder aus persönlichen Gründen ausstiegen“ so der 37-Jährige. Das Besondere bei Treye Tech: Mit dem Produkt FourWays bietet Wachner eine reine Softwarelösung an.

"Angst vor versehentlichem Auslösen per Blick stresst"

„Herkömmliche Augensteuerungen für Menschen mit Behinderungen gibt es nur als Spezialhardware“, sagt Wachner. Marktführer Tobii etwa bietet Komplettsysteme mit Eye-Tacker. Sie liegen im höheren Preissegment. „Günstigere Tracker sind als Einzelkomponenten erhältlich. Sie basieren aber auch auf Infrarottechnik und Blick-zu-Klick-Logik“, so Wachner. „Dabei wird jeder Blick als Eingabe erfasst, auch wenn der Anwender angezeigte Inhalte betrachtet: Die Angst vor versehentlichem Auslösen ist ein großer Stressfaktor“, sagt Wachner. „Und die Infrarot-Technologie anfällig für Sonnenstrahlen.“

Sprechen über die Tastatur

Webcamfähige Produkte seien derweil fehleranfälliger. Und sie verlangten, wie besagte Tracker, von Anwendern, den Blick oder die Kopfpose halten zu können. Wachners FourWays sei günstiger, erklärt der Gründer. „Und für Menschen mit starker Bewegungsstörung, wie Spastiken, eine wesentlich benutzerfreundlichere oder gar die erste bedienbare Eingabehilfe“, betont er. Das eigens entwickelte Bedienkonzept ist für die Eingabe per Blick optimiert und erleichtert auch anderen Gruppen die Bedienung enorm.

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Wachners Ziel ist klar: „Ich sehe Treye Tech in fünf Jahren als international agierendes Unternehmen.“ Der Gründer weiter: „Nächstes großes Ziel ist das Entwickeln einer integrierten Bildschirmtastatur mit Sprachausgabefunktion“, sagt er. „Die würde es allein durch unsere Software ermöglichen, über einen Computer oder Tablet zu sprechen.“ Für Menschen, die nur noch wenig Körperkontrolle haben, etwa wegen Spastik oder Parkinson, ist eine normale Bildschirmtastatur sehr strapaziös oder fast unmöglich zu bedienen. Andere Behinderungsformen haben ebenso spezielle Anforderungen, denen gängige Tastaturen nicht gerecht werden, macht er klar.

"Bedarf ist sehr groß"

„Der Bedarf ist sehr groß, da mit einer starken Bewegungsstörung auch sehr häufig eine Beeinträchtigung des Sprechens einhergeht. Aktuell müssen Betroffene spezielle Kommunikationssoftware zusätzlich beantragen“, sagt er.

Aktuell fehlen Wachner noch die Ressourcen, neue Entwicklungen, die nicht direkt Umsätze generieren, selbst zu finanzieren. Darum hat er sich für ein Crowdfounding auf GoFundMe entschieden. 3 500 Euro hat er schon gesammelt - zehnfach so viel braucht sein Team, um loszulegen, sagt er. Er hofft jetzt auf Unterstützung, besonders aus der Gründerstadt Mannheim.

Link zur Spendenkampagne: www.cutt.ly/NwDmMgrb

Tipps zum Gründen mit Handicap

Viele hilfreiche Informationen zum Gründen mit Behinderung gibt es etwa auf der Webseite „Einfach Teilhaben“ des Bundesministerium für Arbeit und Soziales: tinyurl.com/yc3uweuw

Auch das Integrationsamt des Kommunalverbands für Jugend und Soziales Baden-Württemberg fördert unter bestimmten Voraussetzungen Gründungen oder die Erhaltung der Selbstständigkeit von schwerbehinderten Menschen: tinyurl.com/yxfssstw

In Mannheim beraten außerdem unter anderem IHK Rhein-Neckar, Wirtschaftsförderung und Existenzgründungszentren zum Thema Start-up: http://tinyurl.com/yc6u48pj

Wachners Team hat seine Räumlichkeiten im Mafinex. Link zum Spenden-Crowdfunding: www.cutt.ly/NwDmMgrb

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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