Mannheim. 26 Shows in acht Wochen, 170 Crewmitglieder - außerdem ein detaillierter Ablaufplan, keine Partys an der Hotelbar, Maskenpflicht hinter der Bühne, vegane Küche, nachhaltiges Müllkonzept. Irgendwie war Rock’nRoll früher anders. Und trotzdem funktioniert’s. Udo Lindenberg hat an zwei Abenden die SAP Arena gefüllt, 21 000 Zuschauer feierten ihn am Wochenende, am Sonntag war Tourabschluss, und nicht von ungefähr hat sich Udo dafür seine „Soulcity“ ausgesucht. Sein Draht nach Mannheim glüht, er pflegt den regelmäßigen Kontakt zur Popakademie, hat seine Likörelle schon in der Kunsthalle ausgestellt, und viele seiner Crewmitglieder leben in der Metropolregion.
Ein Blick hinter die Kulissen und der Besuch bei der Panik-Familie hinter der Bühne ist nicht üblich, sondern eben auch ein Zeichen dieser Verbundenheit. Der „MM“ durfte schon vor Jahren beim Fußbad kurz vor der Show dabei sein und mit Udo in der Garderobe tanzen. Aber das war vor Corona. Diesmal ist alles anders. „Es ist die ruhigste Tour, die Udo je gemacht hat“, schickt Arno Köster voraus. Er ist seit 1996 Vertrauter des Panik-Rockers, Ansprechpartner für die Presse und kümmert sich um die Udo-Lindenberg-Stiftung. Am Sonntagabend sorgt er dafür, dass sich für den „MM“ die Türen öffnen: „Willkommen in der Udo-Blase!“
Und das heißt: Maske auf und ab zu Jasper. Jasper arbeitet eigentlich als Chemielaborant. Er hat ein bisschen Abwechslung gesucht und macht deshalb jetzt auf der Tour die Corona-Tests, jeden Tag zückt er bis zu 500 Mal ein Stäbchen für Crew und Gäste. Acht Wochen lang blieb die Blase clean. Jasper - ein Held!
Übernachten im Radisson Blu
Negativer Test. Zurück zu Arno. Man duzt sich im Rock’n Roll-Zirkus. Arno weiß alles über Udo, deshalb klingelt sein Handy ständig, obwohl er eigentlich den letzten Tourabend auf Video dokumentieren möchte. Arno sorgt auch dafür, dass Zirkusdirektor Udo das bekommt, was er möchte, und das ist diesmal Abstand. Wegen Corona. Keine Interviews, kein Fußbad, kein Tänzchen, aber Arno erzählt ein bisschen. Die Crew übernachte im Radisson Blu in Q6/Q7, sagt er, viele hätten die Zeit in Mannheim genutzt, um in der City unterwegs zu sein. Udo weniger. Er isst und entspannt auf dem Zimmer, verlässt seine Base selten. Erst wenn die Stadt schläft, tigert Udo los, früher startete er um vier seine Jogging-Runde, aber das habe sich ausgeschlichen. Der Meister ist ruhiger geworden. Statt einem Tänzchen vor der Show geben nun die Physiotherapeuten den Takt an. Außerdem macht Udo Dehnübungen kurz bevor es losgeht. Geschmeidig bleiben ging früher auch mal anders.
Gesund sein und gesund bleiben, daran dachte zu Arnos Anfangszeiten mit Udo kaum einer. André Rosso ist einer, der diesen Wandel zelebriert. Und zwar in der Küche. Früher, erzählt der Koch, habe es auch schon Vegetarier auf Tour gegeben, „vielleicht zehn Prozent“, glaubt er. Auf dieser Tour bekocht er 25 Prozent Veganer und 20 Prozent Vegetarier, außerdem bleibt die Küche glutenfrei, und auch Nüsse müssen draußen bleiben, weil es Allergiker gibt.
André selbst hat sich ein Ziel gesetzt. Er möchte nachhaltig arbeiten. Gut planen, wenig Müll produzieren und am besten keine Nahrungsmittel wegwerfen. Als einer der wenigen Tourköche organisiert er sich für jede Stadt zwei Biotonnen. Für 170 hungrige Köpfe zaubert er Frühstück, Mittagessen und Dinner. Pro Tag kommt er mit höchstens drei Mülltonnen aus. „Das geht nur, weil wir nichts in Plastik kaufen, sondern nur in Körben - übrigens irre 200 bis 300 Kilo Frischkost pro Mahlzeit.
Einer, der genau das liebt, ist Udo. Gerade bereitet André ihm einen Zander zu, dazu gibt’s Gemüse. „Nichts Schweres vor der Show“, André kennt die Vorlieben: „Wenn es süß sein soll, mag Udo Quark mit Beeren.“ Bei der Crew treffen vor allem Fischstäbchen den Geschmack, und André selbst steht auf Rahmpilze in veganer Soße. So köstlich kann Rock’nRoll sein. André hat jetzt keine Zeit mehr - der Zander . . . Nebenan klappert das Geschirr, die Crew macht sich über die neun Dinner-Varianten her, die André und seine vier Helfer gezaubert haben.
Zwischen überbackenen Hähnchenschnitzeln und Graupen-Risotto treffen wir Rolf Stahlhofen. Der Mannheimer Sänger gehört schon lange zur Panikfamilie, er aktiviert Künstler, wenn es um Charity geht, bringt Menschen zusammen, und er hat ein Herzensprojekt: Wasser. Und das möchte er auf der Welt gerecht verteilen. Außerdem will er wie André Müll sparen und CO2. Arno und Udo finden diese Idee gut und unterstützen das „Water is right“-Projekt von Rolf mit der Udo-Lindenberg-Stiftung. Und nicht nur das. Die gesamte „Udopium“-Tour-Mannschaft hat sich dieser Vision angeschlossen.
Und das geht so: Statt Plastikflaschen gibts hinter der Bühne nur noch Wasserbars. Gefiltertes Leitungswasser, das gekühlt und mit oder ohne Kohlensäure gezapft werden kann. Jedes Crew-Mitglied hat eine eigene Trinkflasche aus Edelstahl. Damit es mehr Spaß macht, diese immer mitzuschleppen, hat Udo ein schickes Design erfunden. „Andere denken nach, wir denken vor“ steht drauf. Die Nachricht ist Programm. Zehn Wasserbars sind hinter der Bühne verteilt, eine steht bei Udo in der Garderobe.
Und jetzt die Rechnung: Pro Woche spart das gesamte Team so etwa 10 000 Plastikflaschen, außerdem wird mehr als eine halbe Tonne CO2 eingespart, denn die Plastikflaschen müssten ja auch mit einem Lkw angeliefert werden. Zehn Prozent des Umsatzes gehen durch die Vermietung der Wasserbars an Projekte in Asien und Afrika, um dort die Trinkwasserversorgung auszubauen. Es läuft also. Rolf freut sich: „Udo ist mal wieder Vorreiter. Das hilft uns natürlich, denn jetzt gibt es schon weitere Künstler, die unsere Idee auf ihrer Tournee umsetzten wollen.“
Sommerpause für die Panikfamilie
Arno zeigt auf die Uhr und schiebt Panik. Kurz vor 20 Uhr, gleich gehen die Scheinwerfer an - selbstverständlich geregelt von Fachleuten aus der Region. Dieser eine Abend noch, dann darf sich die Panikfamilie in die Sommerpause verabschieden, und jeder flattert wieder in sein heimisches Nest zurück. Auch Udo, der fliegt nach Hamburg. Urlaub. „Das kennt er ja nicht“, weiß Arno, „wenn andere im Liegestuhl liegen, denkt er sich neue Sachen aus.“
Mannheim freut sich drauf. Wir lieben nachhaltigen Rock’nRoll.
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