Ludwigshafen. Es ist eins von 20 Geräten in Deutschland. An der Mosaikschule in Ludwigshafen kommt seit einigen Wochen ein sogenannter Motion Composer zum Einsatz. Eine Spende machte die Anschaffung des 13 000 Euro teuren Geräts für die Förderschule möglich. Seither bringt es Musik in den Schulalltag der Kinder. Und das auf eine ganz besondere Art und Weise.
Der Motion Composer steht im Theaterraum der Förderschule. Schwere schwarze Vorhänge hängen dort von der Decke. Das Gerät ist auf einem Tisch in der Mitte des Raumes platziert und sieht dabei von vorne betrachtet wie ein freundlich grinsender Roboter aus. Zwei Kameralinsen dienen als Augen, die Kerbe unterhalb des Gerätes als Mund. Außerdem leuchten die Ränder des Geräts in LED-Farben auf, als Lehrer Claudius Schmid am Motion Composer vorbeiläuft. „Wir müssen auch noch den richtigen Umgang erlernen“, erklärt Schulleiterin Sabine Emunds. Denn Kollege Schmid muss das Gerät erstmal neustarten und tippt dafür mit den Fingern auf einem Tablet herum. „Jetzt kann es losgehen“, kündigt er an.
Ceylin wartet schon darauf, loszulegen. Emunds rollt die 15-Jährige mit ihrem Rollstuhl vor die Kameralinsen des Motion Composer. Kurz darauf erklingen die ersten Töne. Denn das Gerät reagiert auf jede noch so kleine Bewegung und wandelt sie in Musik um. Für die Kinder an der Mosaikschule ist das ein richtiges Erlebnis. „Einige unserer Schüler sind motorisch stark beeinträchtigt und können beispielsweise nur mit Augenzwinkern kommunizieren. Auch das kann das Gerät erfassen“, betont Schulleiterin Emunds.
„Die Schüler erhalten durch die Klänge direkt die Reaktion, dass sie diese Geräusche erzeugen."
Das lässt sich ganz einfach auf dem Tablet einstellen, indem man die Intensität anpasst. „So können wir steuern, wie stark Bewegungen erfasst werden sollen. Wenn es nur ein Augenzwinkern ist, dann stellen wir den Regler weiter nach oben“, ergänzt Schmid. Die Bedienung des Geräts ist sehr intuitiv. Trotzdem gab es einen Einführungsworkshop mit Robert Wechsler. Der Entwickler des Motion Composer ist Tanzpädagoge und arbeitet mit Komponisten zusammen, berichtet Schmid. Auch deshalb können die Lehrer verschiedene Instrumente als Musikquellen nutzen. In der Auswahl gibt es zudem Tiergeräusche oder Naturklänge. Ceylin entscheidet sich für das Klavier. Das Mädchen öffnet ihren Mund, lacht und hebt ihren rechten Arm leicht nach oben. Sofort reagiert der Motion Composer mit Klängen. „Auch Melodien lassen sich abspielen“, erklärt Schmid und stellt sich mit dem Tablet neben die Jugendliche. Man sieht, wie der Motion Composer jede noch kleine Bewegung von Ceylin mit den Kameras erfasst. Schmid tippt auf das Tablet. Die einfachen Klänge des Klaviers verwandeln sich in eine Melodie – zu hören ist der melodische Themensong von „Amelies Welt“ – eines von Ceylins Lieblingsstücken, verrät Schmid.
Spendenaktion
- Durch eine Spende von Iveco Süd-West und der Aktion 72 war die Anschaffung des Motion Composer für die Schule möglich.
- Das Gerät wurde von dem amerikanischen Tanzpädagogen Robert Wechsler entwickelt, der an der Förderschule in Ludwigshafen auch einen Einführungsworkshop gab.
- Die Mosaikschule hat derzeit 234 Schüler. Die Bildungseinrichtung hat dabei den Förderschwerpunkt motorische Entwicklung und arbeitet deshalb im Schulalltag viel mit Musikinstrumenten und Musik.
Mustafa hört dagegen lieber lautere Klänge. Der 16-Jährige ist motorisch weniger beeinträchtigt als Ceylin und kann vor dem Motion Composer sogar hin- und herlaufen. Auch hier spielt das Gerät wieder direkt ein akustisches Feedback aus. Er lacht kurz auf und huscht vor den Kameralinsen vorbei. „Die Schüler erhalten durch die Klänge direkt die Reaktion, dass sie diese Geräusche erzeugen, und das gibt ihnen viel“, betonen Emunds und Schmid.
Von Anfang an funktioniert das natürlich nicht. Die Lehrer müssen die Schüler erstmal an die Nutzung des Geräts heranführen. „Wir fangen ganz simpel damit an“, erklärt Schmid. Er tritt vor die Kamera des Motion Composer und spielt ein bisschen auf dem Tablet an den Einstellungen herum. Dann hebt er ruckartig den Arm. Ein einzelner Ton ist zu hören. Kurz danach tritt er mit dem rechten Bein auf dem Boden auf. Wieder spielt das Gerät über Lautsprecher einen Ton ab. So lernen die Kinder, wie sie Klänge erzeugen können, ehe sie durch mehr Bewegung oder sogar tänzerische Elemente auch Melodien komponieren. Auch mehrere „Spieler“ sind einstellbar. Ein grünes Klebeband auf dem Boden unterteilt den Theaterraum dazu in zwei Hälften, auf denen die Schüler stehen. Gleichzeitig erfasst das Gerät so, dass sich zwei Personen vor der Kamera befinden. Der Bildschirm des Tablets ist nun in zwei Hälften unterteilt.
Wir können so voraussetzungslos mit den Schülern arbeiten."
Durch Updates gibt es immer wieder neue Funktionen zu entdecken. „Wir können uns vorstellen, dass der Motion Composer auch bei Abschlussfeiern zum Einsatz kommt oder bei Theateraufführungen“, überlegt Emunds. Auch klassenübergreifende Arbeitsgruppen könnten von der Arbeit mit dem Gerät künftig profitieren.
Viel wichtiger ist der Förderschule aber: „Wir können so voraussetzungslos mit den Schülern arbeiten. Das ist bei richtigen Instrumenten nicht immer möglich.“ Emunds erzählt von einem Jungen, dessen Muskeln immer schwächer werden. Er kann sich durch wenige Bewegungen mit dem Motion Composer beim Schlagzeugspielen austoben. „Eine super Erfahrung. Das wäre für ihn sonst gar nicht möglich.“
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