Heidelberg. Unternehmen mit ausgeprägten Mitbestimmungskulturen stehen krisenfester da als diejenigen ohne. Dieser Meinung ist die IG Metall Heidelberg. In der Rhein-Neckar- und Odenwald-Region haben in den vergangenen Monaten in vielen Unternehmen Betriebsratswahlen stattgefunden. Jetzt zieht die Gewerkschaft ihr Resümee - gemeinsam mit den Betriebsratsspitzen von Betty Barclay, ABB Stotz Kontakt und Heidelberger Druckmaschinen. Folgend die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Wie lauten die wichtigsten Erkenntnisse?
Im Prinzip gibt es drei. Erstens: Die Zahl der Unternehmen mit Betriebsräten ist im Vergleich zur Wahl 2018 annähernd gleich geblieben - nämlich 76 -, Tendenz leicht steigend. Zweitens: Die Wahlbeteiligung ist in den Betrieben um rund fünf Prozent gesunken, oftmals bedingt durch die Corona-Pandemie. Viele Beschäftigte waren zur Wahl aus unterschiedlichen Gründen nicht vor Ort in den Betrieben. In einigen Fällen sind Wahlunterlagen zudem zu spät beim Wahlvorstand gelandet, das machte die abgegebenen Stimmen ungültig. Drittens: Mehr als die Hälfte der gewählten Personen sind in ihrer ersten Amtszeit im Betriebsrat und damit ganz neu im „Mitbestimmungsgeschäft“. Die Zahl der Betriebsrätinnen habe dabei einen Sprung gemacht, sagt Mirko Geiger (kleines Bild), Erster Bevollmächtigter der IG Metall Heidelberg. Betrug der Frauenanteil in den Gremien 2018 noch 23,4 Prozent, seien es nun rund 25,5 Prozent gewesen. Einige Betriebsräte hätten neuerdings eine Vorsitzende.
Welche weitere wichtige Erfahrung ist bei den Wahlen gemacht worden?
Beim Modeunternehmen Betty Barclay in Nußloch mit mehr als 550 Beschäftigten ist die Wahlbeteiligung entgegen dem allgemeinen Trend gestiegen - von 64 auf 72 Prozent. Die Betriebsratsvorsitzende Ellen Götz führt das auf die Briefwahl zurück - und vor allem darauf, dass ständig bei den Beschäftigten nachgehakt worden sei, ob sie sich schon beteiligt hätten. Bei den nächsten Wahlen 2026 soll wieder komplett auf Briefwahl gesetzt werden.
Wie sieht es mit dem Alter der Betriebsratsmitglieder aus?
Das Durchschnittsalter bei den gewählten Mitgliedern im Gebiet der IG Metall Heidelberg liegt aktuell bei etwa 43 Jahren, damit sind sie jünger als noch 2018 (48 Jahre). Hauptsächlich liegt das an der Altersstruktur der Belegschaften, mittlerweile sind einige Arbeitnehmervertreter in Rente gegangen.
Ist es denn schwierig, Nachwuchs zu gewinnen?
„Junge Menschen rennen nicht schreiend weg, wenn man sie anspricht“, sagt Ralph Arns, Betriebsratsvorsitzender von Heidelberger Druckmaschinen, und lacht. Allerdings brauche es eine andere Ansprache als früher - über soziale Netzwerke wie Instagram oder Facebook. Wichtig sei klarzumachen, dass man als Betriebsratsmitglied entscheidende Dinge mitgestalten könne. Gewerkschafter Geiger ergänzt: „Wir müssen schon bei der Ausbildung ansetzen.“
Welches Unternehmen hat neuerdings eine Betriebsratsvorsitzende?
Zum Beispiel ABB Stotz Kontakt in Heidelberg. Das Unternehmen mit rund 1700 Beschäftigten stellt Sicherheitsautomaten her, die jeder von zuhause kennen dürfte. Die Geräte sollen Kurzschlüsse verhindern. Seit März ist Andrea Wallitzer-Vones Vorsitzende des Betriebsrats, zuvor ist sie bereits acht Jahre lang einfaches Mitglied gewesen. Für einige sei eine Frau an der Spitze nun durchaus verwunderlich - gerade in der Metall- und Elektrobranche, die von Männern dominiert werde, sagt Wallitzer-Vones. Ihr sei wichtig zu zeigen: „Wir Frauen können das auch!“
Wie setzen sich die Betriebsräte zusammen?
Die Mehrheit der Gremien im Verantwortungsgebiet der IG Metall Heidelberg zählen zwischen drei und elf Mitglieder. Den größten Betriebsrat hat übrigens die SAP SE mit 45 Personen. Beim Walldorfer Softwarekonzern hat die IG-Metall-nahe Liste vor einigen Wochen die meisten Stimmen geholt und damit einen Überraschungserfolg verbucht. Denn bisher hatten Listen die Mehrheit geholt, die keiner größeren Gewerkschaft nahestehen.
Was gibt es über die Zusammenarbeit mit den Unternehmensspitzen zu sagen?
Die überwiegende Mehrheit der Betriebsräte arbeite konstruktiv mit den Managements zusammen, erklärt Geiger. Klar sei man nicht immer einer Meinung - das müsse auch nicht so sein. „Betriebsratsarbeit ist am Ende auch immer ein Kompromiss.“ Der Heidelberger IG-Metall-Chef sei stolz auf das „breite Interesse“ an den vergangenen Wahlen und darauf, dass Kandidatinnen und Kandidaten in hohem Maße wiedergewählt worden seien. Geiger macht dabei klar, dass das Amt hohen Einsatz erfordere: „Im Betriebsrat zu sein, ist kein Job eines Frühstücksdirektors.“
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