Rhein-Neckar/Heidelberg. „Wir hatten mehr Fälle, bei denen Mütter so lange gewartet haben ins Krankenhaus zu fahren, dass es ungeplant eine Hausgeburt wurde.“ Das erzählt die erste Vorsitzende des Landesverbands der Hebammen Rheinland-Pfalz, Ingrid Mollnar. Vor der Pandemie sei dies etwa ein Mal im Jahr der Fall gewesen – nun komme es drei bis vier Mal vor. Doch Hausgeburten werden seit Beginn der Pandemie auch öfter geplant. Das geht aus den Daten der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG) hervor, die für jedes Jahr die Anzahl der Kinder erfasst, die nicht im Krankenhaus zur Welt kommen.
Der Anteil der Hausgeburten, beziehungsweise von Geburten in Geburtshäusern, steigt seit einigen Jahren an. Mit dem Beginn der Pandemie im Jahr 2020 ist mit zusätzlichen 1 727 Hausgeburten jedoch eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Jahr 2019 zu verzeichnen. 2020 gab es damit insgesamt 13 969 Hausgeburten, im Vorjahr waren es noch 12 242 Kinder, die außerhalb einer Klinik geboren wurden. Zum Vergleich: Die Steigerung der Hausgeburten im Jahr 2019 betrug in Relation zum Jahr 2018 nur 468.
„Die Pandemie an sich ist nicht der ausschlagende Grund für Frauen, sich für eine Hausgeburt zu entscheiden“, sagt Mollnar dennoch. Vielmehr stünden der Wunsch nach Mitsprache und Mitgestaltungsmöglichkeit, Sicherheit, Vertrautheit der Umgebung, Selbstbestimmung und Ruhe in den eigenen vier Wänden im Vordergrund. Bei den Fällen, die sich spontan zu einer Hausgeburt entwickelt hätten, sei vor allem die nicht vorhandene Sicherheit, dass die Begleitperson während der gesamten Geburt anwesend sein darf, ausschlaggebend gewesen.
Begleitung nur bei Geburt erlaubt
„Die Partner dürfen die Frauen nur während der eigentlichen Geburt begleiten, nicht zu Beginn der Geburtseinleitung“, berichtet Hebamme Christel Scheichenbauer, zweite Vorsitzende des Hebammen Landesverbands Baden-Württemberg, von der derzeitigen Situation in den Krankenhäusern. Dies bestätigt eine Sprecherin des Universitätsklinikums Heidelberg: „Ehemänner oder Partner dürfen während der Geburt anwesend sein, hier gilt die 3G-Regel.“ Nach der Geburt gelte auch für diese das allgemeine Besuchsverbot.
Neben den Einschränkungen für Begleitpersonen gibt es zudem weitere Hygienemaßnahmen. So werde die werdende Mutter unmittelbar mit der Ankunft im Kreißsaal per Schnelltest getestet. Wenn dieser negativ ausfällt, tragen die Hebammen, Ärztinnen und Ärzte die normale Klinikkleidung sowie eine FFP2-Maske. Bei einem positiven Schnelltest werden zusätzliche Schutzkleidung sowie Handschuhe getragen, um gegen die erhöhte Aerosol-Belastung geschützt zu sein. Zudem ist die begleitende Hebamme nur noch für die positiv getestete Mutter zuständig, um andere Entbindende zu schützen.
Ähnliche Maßnahmen werden im St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen getroffen. „Das Kreißsaalteam entscheidet, wann eine Geburt beginnt und wann sie endet“, erklärt die Sprecherin. Wenn noch Zeit bis zur Geburt ist, müssen die Begleitpersonen das Krankenhaus verlassen – ebenso unmittelbar nach der Geburt.
Besuchsverbot nach Entbindung
Neu sind die verschärften Hygienebestimmungen, die im Krankenhaus gelten. „Jede Person, die das Krankenhaus betritt, muss eine FFP2-Maske tragen“, heißt es vom St. Marien-Krankenhaus. Während des gesamten Aufenthalts müssen diese auch von allen Anwesenden im Kreißsaal aufbehalten werden – mit Ausnahme der werdenden Mutter. Zuvor werden zudem Antigen-Schnelltests durchgeführt, bei der Gebärenden zusätzlich ein PCR-Test. Letzterer wird bei allen Personen genommen, die im Krankenhaus aufgenommen werden. „Die Mütter bleiben jedoch nicht so lange wie früher“, erklärt die Sprecherin. Ein Grund sei das Besuchsverbot.
Fachkräftemangel bei Hebammen
Zwar sei die Pandemie und damit die Angst, sich in einem Krankenhaus mit dem SARS-CoV-2-Virus anzustecken nicht unbedingt der Grund, wieso werdende Mütter eine Hausgeburt vorziehen, doch die Argumente für eine außerklinische Geburt sind stärker geworden. Man könne nicht ausschließen, dass die Pandemie etwas mit der erhöhten Beliebtheit der Hausgeburten zu tun hat, sagt Hebamme Christel Scheichenbauer. Ein Problem gibt es mit dem Trend jedoch: „Selbst wenn die Nachfrage steigt, sind die Kapazitäten der wenigen Hausgeburtshebammen nicht größer geworden.“ „Die Hebammen sind ausgebucht“, ergänzt Mollnar. Um weitere Angebote für Hausgeburten oder Geburtshäuser zu schaffen, müsse deshalb zunächst die Berufsausbildung gestärkt werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-metropolregion-rhein-neckar-hausgeburten-sind-immer-beliebter-_arid,1900030.html