Lesung

Merkelmomente in Heidelberg: Ansturm auf die Alt-Kanzlerin

Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt in einer Buchhandlung in der Heidelberger Altstadt Autogramme. Wie die Besucherinnen und Besucher sie erleben.

Von 
Alena Kuhn und Stefan M. Dettlinger
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Mehrere hundert Menschen warten in der Heidelberger Hauptstraße, um die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen. © Alena Kuhn

Heidelberg. Eine lange Menschenschlange zieht sich durch die Heidelberger Altstadt bis zum Bismarckplatz. Mit ihren bunten Regenschirmen warten die 450 Menschen gespannt im Regen. Mehrere Polizistinnen und Polizisten beobachten die Situation. Passantinnen und Passanten, die zufällig vorbeilaufen, bleiben stehen und fragen die Wartenden, was denn hier los sei. „Angela Merkel ist da“, lautet die Antwort.

Die ehemalige Bundeskanzlerin war am Donnerstagnachmittag und -abend zu Besuch in Heidelberg. In der Buchhandlung Schmitt & Hahn signierte sie ihre Autobiografie „Freiheit: Erinnerungen 1954 - 2021“. Das Buch schrieb Merkel gemeinsam mit ihrer langjährigen politischen Beraterin Beate Baumann. Es erschien im vergangenen Jahr und handelt von den Erinnerungen an ihre Jugend in der DDR und an ihre politische Laufbahn. Die Nachfrage bei der Signierstunde war groß, die 450 Tickets nach wenigen Minuten ausverkauft.

Besucherin von Merkels Signierstunde in Heidelberg: „Ich bin seit vier Wochen aufgeregt“

Dann geht es los: Die Türe des grün-gestrichenen Hauses, an dem ein Plakat des Buchcovers hängt, wird geöffnet. Die ersten Besucherinnen und Besucher dürfen hinein. Alle Altersgruppen sind vertreten: Eltern mit ihren Kindern, Studierende, Senioren. Geordnet gehen sie Schritt für Schritt voran. In der Schlange sprechen sie aufgeregt miteinander und betrachten die Autobiografie, die sie entweder mitbrachten oder vor Ort kauften.

Auch Nora El-Awdan ist aus Karlsruhe gekommen, um Merkel zu treffen. „Ich bin seit vier Wochen aufgeregt“, sagt die 24-Jährige euphorisch. Besonders, weil sie Politikwissenschaften studiert habe. „Ich kann ihr einfach gleich in die Augen schauen“, so El-Awdan begeistert. In ihrer politischen Laufbahn habe Merkel Entscheidungen getroffen, die nicht immer gut waren. Trotzdem sei sie eine starke Frau, die Ruhe bewahren kann. Das bewundert El-Awdan. Das Buch habe sie noch nicht gelesen. Auf die Frage, ob sie das noch machen wird, antwortet die 24-Jährige: „Zu 100 Prozent.“ Besonders, wie Merkel den Sieg der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 erlebt habe, interessiert sie.

Viele Menschen standen in der Buchhandlung geduldig in der Schlange, um von Angela Merkel ein Autogramm zu erhalten. © Alena Kuhn

Eine noch weitere Anreise hat Martina Meadows-Hertig. Die 68-Jährige kommt aus Oberkirch im Schwarzwald. Auch sie ist sehr gespannt auf die Begegnung mit Merkel. Die studierte Physikerin habe in ihrer Kanzlerzeit wenig bewegt. „Aber sie imponiert als Persönlichkeit“, sagt Meadows-Hertig freudig.

Im hinteren Bereich der Buchhandlung sitzt sie: die erste deutsche Bundeskanzlerin. Mehrere Bodyguards in Anzügen stehen um sie herum. Zwischen Büchern, Postkarten und Familienkalendern signiert die 71-Jährige in aller Ruhe. Dabei lächelt sie die Besucherinnen und Besucher freundlich an, macht schnelle Fotos und führt kurze Gespräche. Ab und zu hört man ein „Kommen Sie“, ein „Alles Gute“ oder „Freut mich sehr“. Die Besucherinnen und Besucher strahlen und betrachten ihre Unterschrift, als sie nach dem kurzen Kontakt wieder nach draußen gehen.

So auch die 87-jährige Gisela Schulze, die ihre Tochter und den Enkel mitgebracht hat. „Ich bin froh, dass ich sie leibhaftig gesehen habe“, sagt sie ungläubig. Es sei das erste Mal. „Sie ist eine sehr mutige Frau“, so Schulze.

Stefanie Falk konnte eine Signatur von Angela Merkel ergattern. © Alena Kuhn

Auch Jan Löcher braucht Zeit, um die Situation zu realisieren: „Es fühlt sich nicht real an.“ Merkel habe den 25-Jährigen und seine Freunde gefragt, was sie in Heidelberg studieren würden. Er habe sie als sehr nahbar erlebt. Dann läuft ein Mann mit seinen drei Kindern vorbei. Alle tragen jeweils zwei Bücher. Das ist die maximale Anzahl, die pro Person möglich war.

Signiertes Buch von Angela Merkel der zweijährigen Tochter schenken

Niklas Hauck hatte noch ein anderes Buch dabei. Doch das blieb unbeschrieben. Denn die Altkanzlerin signiert nur ihr Buch „Freiheit: Erinnerungen 1954 - 2021“. Das hat Hauck online für 20 Euro gekauft. In der Buchhandlung kostet es 42 Euro. „Das ist schon etwas happig“, sagt der 28-Jährige, der in Heidelberg wohnt. Etwa eine dreiviertel Stunde stand er in der Schlange, ehe er Merkel traf. Sie habe sehr freundlich und professionell gewirkt. Merkels Autobiografie hat er schon gelesen. Sie sei so reflektiert, wie eine Spitzenpolitikerin sein kann, die das Buch selbst schreibt. Denn den Text habe ja kein Journalist verfasst, der die Themen kritisch einordnet. Zu ihrer Kanzlerschaft steht Hauck aber „keinesfalls negativ“, denn es seien „16 Jahre Stabilität“ gewesen.

Viele Menschen warten vor der Buchhandlung „Schmitt & Hahn", um Angela Merkel live zu erleben. © Alena Kuhn

Für Stefanie Falk hat Merkel „gute Entscheidungen getroffen“. Falk habe sich lange gewünscht, die ehemalige Bundeskanzlerin zu treffen. „Es war sehr aufregend“, sagt die 39-Jährige, die in Heidelberg nur eine Station mit der Bahn fahren musste. In ein paar Jahren werde sie das signierte Buch ihrer zweijährigen Tochter schenken, die am gleichen Tag wie Merkel Geburtstag hat.

Auch Christoph Bauriedel und seine beiden Töchter sind begeistert von ihrem Treffen mit Merkel. Die Altkanzlerin habe die Mutter des 59-Jährigen gekannt und er habe sie darauf angesprochen. „Sie hat sich erinnert“, sagt der Heidelberger euphorisch.

Nach etwa einer Stunde haben alle angemeldeten Besucherinnen und Besucher ihre Signaturen erhalten. Die Buchhandlung leert sich. Dann läuft Merkel nach draußen. Sie lächelt und winkt den hunderten wartenden Menschen zu, ehe sie in einem schwarzen Auto mit Berliner Kennzeichen verschwindet.

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