Kommunalpolitik

Bürstadts Verwaltung will Straßenbeiträge abschaffen

Von 
Corinna Busalt
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Seit drei Jahren erhebt Bürstadt wiederkehrende Straßenbeiträge - und stellt diese nun in Frage. © Bernhard Zinke

Bürstadt. Die Bürstädter Verwaltung empfiehlt den Stadtverordneten, die wiederkehrenden Straßenbeiträge nach drei Jahren wieder abzuschaffen. Denn sie fürchtet, dass die Satzung per Gerichtsurteil für nichtig erklärt werden könnte. Dann müsste Bürstadt sofort alle Beiträge erstatten. Um „das Heft des Handelns in der Hand behalten“ zu können und nicht überrascht zu werden, soll nun eine Entscheidung her. Im Haupt- und Finanzausschuss am Mittwoch, 30. Juni, steht dieses Thema an erster Stelle der Tagesordnung.

Die Bürger hatten von Anfang an ihre Bedenken gegen die wiederkehrenden Straßenbeiträge. Zunächst wehrten sich etliche Hauseigentümer, weil sie für Stockwerke zahlen sollten, die sie nie gebaut hatten – weil diese im Bebauungsplan vorgesehen sind. Daraufhin beschloss die Stadtverordnetenversammlung, die Satzung zu ändern: Abgerechnet wurde nur noch die tatsächliche Gebäudehöhe. Damit wich Bürstadt von der vorigen Mustersatzung ab und „hat sich angreifbar gemacht“, kritisiert nun Bürgermeisterin Bärbel Schader.

Die Beiträge sind dann rückwirkend geändert worden – dies führte zu einem Widerspruch, der beim Anhörungsausschuss des Kreises Bergstraße verhandelt worden ist, erläutert Kämmerer Ralf Kohl. Heppenheim empfiehlt, dem Widerspruch stattzugeben. Kohl rechnet aber mit weiteren Einwänden – die bis zur Normenkontrollklage führen könnten. „Wir müssen vor diesen Gefahren warnen. Die Parlamentarier sollten ihre Entscheidung überdenken“, sagte Schader auf Anfrage.

„Letzte Gelegenheit für die Stadt“

„Die Verwaltung hält die Satzung über die Erhebung von wiederkehrenden Straßenbeiträgen in der Fassung der ersten Änderung weiterhin für rechtswidrig.“ So steht es in der Vorlage des Kämmereiamtsleiters für die Sitzung. Weiter erklärt er, dass die Zeit dränge, weil bis 15. Juli die neuen Bescheide für dieses Jahr verschickt werden müssten. „Die Verwaltung sieht nun die letzte Gelegenheit für die Stadt, noch zu handeln. Sollte ein Gericht feststellen, dass die wiederkehrenden Straßenbeiträge nichtig wären, müssten die Beiträge unverzüglich zurückgezahlt werden. Mit dem Risiko, dass dann keine Mittel zur Verfügung stehen und die Rückzahlung (zunächst) nur über Liquiditätskredite erfolgen kann.“ Das heißt, die Stadt müsste ihr Konto überziehen. Jetzt sei die Stadt noch in der Lage, die rund drei Millionen Euro zu erstatten – weil die Gewerbesteuer stärker als erwartet fließe, aber auch, weil von der Hessenkasse noch Geld zur Verfügung stehe. „In ein paar Jahren könnte das ganz anders aussehen – bis Gerichte zum Urteil kommen, dauert es ja oft“, warnt Kohl.

Die Abschaffung der Beiträge hält Kohl „nach Rücksprache mit der Kommunalaufsicht und Rechtsberatung“ für notwendig, „um finanzielle Schäden für die Stadt abzuwenden“. Juristische Fragen werde der Rechtsanwalt Dr. Klaus Berghäuser in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses beantworten, kündigt Schader an. Dort ist eine große Debatte zu erwarten – auch über die Konsequenzen. Vorschläge liefert der Kämmereiamtsleiter dazu in der Vorlage. Bürstadt könnte die Sanierung der Straßen aussetzen oder reduzieren – oder an freiwilligen Leistungen sparen. Die Erhöhung der Grundsteuer B von 490 auf 717 Prozent wäre eine weitere Option. „Das wäre für die Bürger weniger als jetzt – wo sie die Grundsteuer B und noch Straßenbeiträge zahlen müssen“, so Kohl am Telefon.

SPD hält an System fest

Zur ursprünglichen Mustersatzung der Straßenbeiträge zurückzukehren, ist für den Kämmereiamtsleiter keine Option. „Da kommen sich die Bürger doch veralbert vor – und verlieren den Glauben an die Verwaltung“, meint er. Den scheint SPD-Urgestein Franz Siegl bereits verloren zu haben. „Die Verwaltung soll endlich eingestehen, dass sie nicht in der Lage ist, dieses System umzusetzen“, sagt er scharf. Er kann nicht nachvollziehen, dass das Rathaus dazu rät, die wiederkehrenden Straßenbeiträge abzuschaffen, wo seiner Ansicht nach der Fehler nur darin lag, die Beiträge rückwirkend zu ändern.

Siegl hält die wiederkehrenden Beiträge für das beste und einzig solidarische System, weil alle die Straßen nutzen, nicht nur die Anwohner. Er steht auch hinter der Satzungsänderung, dass nach der tatsächlichen Bebauung abgerechnet wird: „Das ist gerecht. Doch die Beiträge hätten nicht rückwirkend angepasst werden dürfen.“ Siegl kreidet der Verwaltung diesen Fehler an.

Die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses dürfte spannend werden. Etliche Stadtverordnete sind neu dabei – vor allem die der Freien Wähler. Sie hatten schon im Wahlkampf für die Abschaffung der Straßenbeiträge geworben.

Bürstadts Straßenbeiträge

Bis zum Jahr 2017 hat die Stadt Bürstadt einmalige Straßenbeiträge abgerechnet. Seit 2018 erhebt sie wiederkehrende Straßenbeiträge. Dazu hat sie ein fünfjähriges Straßenausbauprogramm aufgelegt. Geplant ist, rund zwei Millionen Euro jährlich in Bürstadts Straßen zu investieren.

Gegen die Beitragsbescheide gingen 2018 mehr als 100 Widersprüche ein. Ende 2019 beschlossen die Stadtverordneten, die Satzung zu ändern: Abgerechnet wird seither nach der tatsächlichen Bebauung und nicht nach dem Bebauungsplan. Die Beiträge wurden neu kalkuliert – auch rückwirkend seit 2018.

Daraufhin gab es erneut mehr als 100 Widersprüche. Einer landete beim Anhörungsausschuss des Kreises Bergstraße: Dieser betrifft die Satzungsänderung, die rückwirkend in Kraft getreten ist. Der Anhörungsausschuss rät, dem Widerspruch stattzugeben. Die Verwaltung rechnet damit, dass sich weitere Bürger wehren. Dies könnte laut Kämmereiamtsleiter Kohl bis zur Normenkontrollklage führen. Er rät dazu, die Straßenbeiträge komplett abzuschaffen, um nicht von einer plötzlichen Rückzahlung überrascht zu werden.

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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