Kultur

Zwist um historisches Gebäude: Was passiert mit der Freinsheimer Synagoge?

Die Theatermacherin Anja Kleinhans möchte die ehemalige Synagoge im vorderpfälzischen Freinsheim in ein Kulturzentrum verwandeln. Doch das gefällt nicht allen

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Agnes Polewka
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Die Theatermacherin Anja Kleinhans möchte den Verkauf der ehemaligen Synagoge verhindern. © Agnes Polewka

Freinsheim. Anja Kleinhans hat in diesem Sommer Abend für Abend als Hildegard von Bingen an der Freinsheimer Stadtmauer auf der Bühne gestanden. „Grünkraft - reloaded“ heißt das Stück, das sie für den Theatersommer ihres Freinsheimer „Theaders“ geschrieben hat, voller Faszination für ihre Protagonistin Hildegard - eine kluge Frau, und eine, die sich behaupten muss gegen Widersacher und Hindernisse.

Ein bisschen so wie Kleinhans selbst, die seit Oktober 2021 kämpft, und eigentlich nicht mehr kämpfen will. Für den Erhalt der Synagoge in Freinsheim, für ein kulturelles Miteinander, um Mitstreiter. Und um Akzeptanz für ihre Idee. Dafür, ernstgenommen zu werden.

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Ein Erbe des Männergesangvereins

Aber der Reihe nach: Im Oktober vergangenen Jahres erfährt Kleinhans, dass der Männergesangverein vor seiner Auflösung steht, nach 175 Jahren. Die Pandemie hat dem überalterten Verein den Rest gegeben. Ende Oktober findet die finale Sitzung statt, in der das Ende besiegelt werden soll. Anja Kleinhans, die seit 2007 das „Theader“ in Freinsheim betreibt, erfährt zwei Wochen vor dem geplanten Termin davon. „Einer der Beigeordneten der Stadt hat mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, das Gebäude zu nutzen - so habe ich das überhaupt erst mitbekommen“, sagt die 46-Jährige.

Ihr erster Impuls sei der Versuch gewesen, den Verein zu retten, sagt Kleinhans. Sie hört sich um, findet 17 Menschen, die das Erbe des Vereins weitertragen, ihn erhalten wollen. Elf davon wollen sich als aktive Sänger versuchen. Doch Kleinhans ist zu spät dran, sie scheitert. Die Vereinsmitglieder stimmen für das Aus des Vereins. Über vier Jahrzehnte lang trafen sie sich in der alten Synagoge in der Freinsheimer Judengasse.

Ihr Sängerheim geht zurück in die Hände der Stadt Freinsheim, der das Gebäude gehört. Kleinhans beginnt, über den Vorschlag des Beigeordneten nachzudenken. Darüber, das Gebäude, in dem früher die Synagoge untergebracht war, selbst zu nutzen, für kulturelle Zwecke.

Anja Kleinhans

  • Anja Kleinhans (46) entdeckte ihre Liebe zur Kultur schon früh. Nach einem Theater-Trimester an der Universität von Harvard in Boston, entschied sie sich dazu, Schauspiel in Berlin zu studieren.
  • Es folgten Engagements in ganz Deutschland. 2007 dann ihr vielleicht größter persönlicher Erfolg: ihr eigenes Theater, das „Theader“ in Freinsheim. Ein Jahr später stemmte sie den ersten Theatersommer an der Stadtmauer.
  • Die Pfälzerin setzt sich nun für den Erhalt der alten Synagoge ein, um dort ein kulturelles Zentrum zu errichten. 

Der Gedanke gefällt ihr. Eine zweite, eine größere Spielstätte neben ihrem Turm an der Stadtmauer, dem Casinoturm. Ein Ort der Begegnung. Eine größere Bühne - 80 Plätze. Und eine kleinere für Kleinkunst, Poetry Slam zum Beispiel. Denkbar wäre vielleicht auch eine kleine Konzertreihe. Sicher, das Gebäude befinde sich mitten im Wohngebiet, es gebe also einiges zu beachten, sagt sie. Und dennoch - vielleicht ließe sich ein Weg finden.

Bedenken der Stadt 

Sie spricht mit Bürgermeister Matthias Weber (FWG), erstellt auf seine Anregung einen Businessplan für den Stadtrat, präsentiert ihm darin auch Kulturfördertöpfe, die helfen könnten, bei ihren Plänen, definiert Zielgruppen und mögliche Kooperationspartner. Sie führt Gespräche, taktiert. Trommelt für ihre Idee, legt ihre ganze Kraft hinein. Doch bei der Stadt gibt es Bedenken: Brandschutzauflagen, Feuchtigkeit in den Wänden, hohe Sanierungskosten. Medienberichten zufolge beziffert man diese im Rathaus mit rund 200 000 Euro, während das Gebäude noch 140 000 Euro wert sei. Und der Standort: die schmale Gasse mitten im Wohngebiet - kann man den Anwohnern die Geräuschkulisse eines Kulturzentrums zumuten?

„Die Frage, was mit der Immobilie geschieht, ist durchaus komplex und nur im Kontext des gesamten Gemeinwesens zu beantworten“, so Bürgermeister Weber auf Anfrage dieser Redaktion.

Ende Juni 2022. Der Stadtrat hat eine Sitzung anberaumt. Dort soll es um den Verkauf der Synagoge gehen. Darauf schreibt Kleinhans eine Mail an ihren großen Theaterverteiler. 100 Mails trudeln aus Freinsheim und ganz Deutschland im Rathaus ein, sagt sie. „Es haben sich viele gemeldet, die gegen den Verkauf der Synagoge sind - Menschen aus der Branche, Kinder von Holocaust-Überlebenden, Vertreter von Initiativen, die sich in der Region für den Erhalt jüdischer Kultur stark machen.“

Die Städträte vertagen die Diskussion. „Zunächst sollen offene Fragen zum baulichen Zustand und Kosten einer möglicherweise notwendigen Kernsanierung geklärt werden“, so Weber. Außerdem soll die Stellungnahme der Unteren Denkmalschutzbehörde ausgewertet werden, die sich auf den vorderen, historischen Teil des Gebäudes bezieht, der zwischen 1846 und 1893 als Synagoge der jüdischen Gemeinde in Freinsheim genutzt wurde. Gleichzeitig habe der Stadtrat angeregt, die Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Freinsheim aufzuarbeiten - insbesondere mit Blick auf das 1250-jährige Jubiläum der Stadt 2024. Denkbar wäre laut Weber etwa eine Ausstellung zum Themenkomplex. „Hierzu wäre zu prüfen, ob es seitens der Bürgerschaft Interesse an einer Arbeitsgruppe gibt, die das Thema bearbeiten möchte.“

Auch Kleinhans will weiter nach Wegen suchen und sich weiter für die gute Sache einsetzen. Ein bisschen wie „ihre“ Hildegard von Bingen.

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