Zwischenbilanz

Spargelernte: Viele Felder schießen schon jetzt ins Kraut

Von 
Bernhard Zinke
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Zahlreiche Spargelfelder wie dieses in Lampertheim werden schon jetzt, drei Wochen vor Saisonende, nicht mehr abgeerntet. © Berno Nix

Rhein-Neckar. Üblicherweise markiert der Johannistag am 24. Juni das Ende der Spargelsaison. Allerdings läuft der Verkauf der Stangen dermaßen schleppend, dass viele Bauern in der Region schon jetzt ihre Felder buchstäblich ins Kraut schießen lassen. Durch ein Überangebot auch aus dem Ausland und aus Norddeutschland waren und sind die Preise keineswegs – wie prognostiziert – in die Höhe geschossen. „Wir sind sogar ein bis zwei Euro billiger pro Kilo als im vergangenen Jahr“, schildert Hartmut Magin aus Mutterstadt. Sein Kollege Willi Billau aus Lampertheim ergänzt: „Die Verkaufspreise decken die Kosten nicht, die wir aktuell haben.“

Steffen Großhans aus Hockenheim zieht die Zwischenbilanz einer außerordentlich holprigen Saison. Die Selbstvermarkter mit eigenem Hofladen seien deutlich besser dran als die Kollegen, die schwerpunktmäßig an den Lebensmitteleinzelhandel liefern. „In unserem Hofladen läuft’s nicht schlecht“, sagt er – von den Umsatzzahlen sogar besser als vor Corona. Die Pandemie hatte den Selbstvermarktern in den vergangenen beiden Jahren großartige Umsätze beschert. Die Menschen hatten Zeit, konnten nicht ins Restaurant – also haben sie den Spargel zuhause gekocht. Diese Umsatzzahlen könne man daher nicht als Vergleich heranziehen. In den Hofläden kauften zudem diejenigen ein, die Wert auf Qualität legten und dafür auch mal einen oder zwei Euro mehr ausgeben, so Großhans.

Gemüse aus dem Ausland

In den Supermärkten liegen die weißen Stangen indes wie Blei in den Frischeregalen. Hier hat es schon gleich zu Beginn der Saison ein sattes Überangebot gegeben. Schuld war nicht nur das gute und warme Wetter, das hierzulande den Spargel kräftig sprießen ließ. Zeitgleich flutete auch Gemüse aus dem europäischen Ausland und aus Übersee die Märkte. Und das zu Produktionspreisen, bei denen die deutschen Bauern nicht mithalten könnten, beklagt Willi Billau, der auch Vorsitzender des Regionalbauernverbands Starkenburg ist. Insgesamt beziffert er den Umsatzverlust der Spargelerzeuger auf 20 bis 30 Prozent. Viele Kollegen seien deshalb bereits dazu übergegangen, die Spargeläcker gar nicht mehr abzuernten, sondern schon jetzt auswachsen zu lassen.

Vielfach seien Kunden gleich zum Start in die Saison von vermuteten höheren Preise abgeschreckt worden, schildert Hartmut Magin. Diese Sorge sei völlig unbegründet gewesen, da sich die Preise schnell auf Vorjahresniveau, zum Teil sogar darunter eingependelt hätten. „Um den 20. April war der Spargel schon günstig zu haben“, so Magin. Auch er hat nach eigenen Angaben schon rund 80 Prozent seiner Felder abgeerntet. Zuletzt seien die Suppen- und Bruchspargel praktisch unverkäuflich gewesen. Und weil die Ernte zurückgefahren worden sei, seien schon einige Erntehelfer früher abgereist als vereinbart. Auch er sagt, dass er nicht auf die Umsätze der Vor-Pandemie-Zeiten komme. Das Problem: Es habe nie Spitzen gegeben, in denen die Kunden strömten wie in früheren Jahren. Das Interesse habe sich selbst vor den Feiertagen in Grenzen gehalten.

Dass 2022 ein sehr schwieriges Jahr für den Spargel ist, bestätigt auch der Pfalzmarkt. Der Zusammenschluss aus 120 Erzeugern, der Gemüse aus der Pfalz und Rheinhessen bundesweit auch im Lebensmitteleinzelhandel vermarktet, kann schon drei Wochen vor dem offiziellen Ende der Saison konstatieren, dass der Spargelabsatz im Vergleich zum Vorjahr definitiv geringer ausfallen wird. Dabei seien die Erzeuger rund drei Wochen früher als üblich in die Saison gestartet. Viele Felder seien in den Corona-Jahren nicht geerntet worden, die Pflanzen also kraftvoll und ausgeruht gewesen.

Zeitgleich zum guten und üppigen Erntestart hierzulande sei allerdings auch spanischer und griechischer Spargel auf den deutschen Markt gekommen – witterungsbedingt später als üblich, sagt Karl Völcker, Leiter des Spargelbüros beim Pfalzmarkt. Das Überangebot habe auf die Preise gedrückt. Gleichzeitig hätten der Krieg in der Ukraine, Inflation und Steigerungen der Lebenshaltungskosten auf die Konsumlaune gedrückt. Da hätten die Kunden beim „Luxusprodukt“ Spargel weniger als sonst zugegriffen.

Den Preisanstieg haben auch die Landwirte bei Diesel, Dünger und Verpackungen zu spüren bekommen. Zur Deckung des Zusatzaufwands beim Spargel wären rund 30 bis 40 Prozent höhere Erzeugerpreise nötig, sagt Völcker. Bislang seien die Bauern jedoch auf den Zusatzkosten sitzen geblieben. Willi Billau weiß: „Es gibt Kollegen, die sind richtig verzweifelt.“

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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