Rhein-Neckar. Eine siebenköpfige Familie – das klingt zunächst nicht ungewöhnlich. Ins Nachdenken mag der eine oder andere kommen, wenn diese Familie aus vier Erwachsenen und drei Kindern besteht. Dass eine solche Konstellation funktionieren kann, zeigen Elena, Julia, Lara und mitunter auch Viviane, auch bekannt unter ihrem Instagram-Namen „HappyPolyFamily“. Über 26 000 Follower verfolgen den Account, auf dem die Familie ihr Leben und somit auch ihre Form der Liebe mit der Öffentlichkeit teilt.
Damit wollen die vier Frauen aus der Region mehr Sichtbarkeit auf das Thema Polyamorie lenken. „Wir sind eine durchschnittliche Familie mit einem normalen Familienalltag“, sagt Elena im Gespräch mit dieser Redaktion. Genau das wollen sie der Welt zeigen. Seht her, es ist normal, wie wir leben und fühlen. Denn verstecken wollen sie sich nicht.
In die Polyamorie „reingestolpert“
Die beiden verheirateten Paare – Elena und Lara sowie Julia und Viviane – seien sich gleich sympathisch gewesen, als sie sich erstmals trafen. Zu dem Zeitpunkt wussten sie weder, dass sie poly sind, noch hatten sie Erfahrung in der Sache. „Keine hatte das auf dem Schirm“, betont Julia, die ebenfalls beim Gespräch dabei ist. Langsam habe sich dann eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut. „Und irgendwann“, erzählt Elena, „hat es sich familiär angefühlt.“ Sie seien somit in die Polyamorie „reingestolpert“.
Dabei wussten sie allesamt zunächst nicht einmal, dass gegenseitiges Interesse bestand. Unabhängig voneinander hätten beide Paare die Lage besprochen, erklärt Elena. Julia sei schließlich die treibende Kraft gewesen. Sie fragte sich: „Warum muss ich mich entscheiden?“ Die Ehe „wegschmeißen“ sei ebenso wenig eine Option gewesen, wie die Gefühle zu Elena und Lara nicht ausleben zu können. „Wir haben dann offengelegt, was Sache ist, und geguckt, was daraus wird“, erzählt Elena. Etwas mehr als zwei Jahre ist der Beginn der Beziehung jetzt her.
Das ist Polyamorie
- Bei Polyamorie handelt es sich um nicht-monogamische Beziehungen.
- Eine Person kann mehrere Menschen lieben und mit jedem von ihnen eine Liebesbeziehung führen.
- Die jeweiligen Partner wiederum können, aber müssen sich nicht lieben und eine Beziehung führen.
- Polyamorie ist nicht zu verwechseln mit freier Liebe oder einer offenen Beziehung. kpl
Seitdem die Frauen ihre Liebe zueinander offen ausleben, hätten sie erstaunlich wenig negative Erfahrungen gemacht. Befreit davon sind sie aber nicht. Elena nennt ein Beispiel: Bei der Wohnungssuche hatte ein Vermieter erst kein Problem mit einer siebenköpfigen Familie. Als er aber von der genauen Konstellation erfahren habe, habe der Vermieter gleich abgewinkt. Auch Vorurteile würden nicht ausbleiben. Beispielsweise, dass es sich bei Polyamorie um erlaubtes Fremdgehen handele. „Wir könnten es viel einfacher haben, wenn es uns nur um Sex gehen würde“, betont Julia.
Auf ihrem Instagram-Account verirre sich dafür öfter mal ein „Hater“, erzählt sie. Jeder dürfe zwar seine Meinung äußern. Beleidigen oder sich vorschreiben lassen, wie man zu leben hat, will sich die Familie aber nicht. „Wir sagen auch nicht, werdet alle poly“, macht Julia deutlich. Andere wiederum holen sich Rat bei den Frauen ab, denn „viele haben Angst, sich das einzugestehen“, so Julia. Auch das Outen und öffentliche Ausleben einer polyamoren Beziehung falle oft schwer.
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Umgang mit den Kindern
Die vier Frauen selbst hatten wenig Schwierigkeiten damit. „Wir haben großes Glück“, weiß Julia. Freunde und Familien tolerieren die Beziehung. Aber: „Wir wissen, dass andere anderes erleben“, sagt sie und spricht von seelischer und körperlicher Gewalt, die Gleichgesinnte erfahren würden. Darauf gelte es aufmerksam zu machen. „Mir geht es darum, dass meine Kinder in einer Welt leben, in der der man sich nicht outen muss und jede Form von Beziehung und Geschlechtsidentität normal ist“, betont Julia.
Julia und Viviane sind selbst Mütter. Sie haben drei Kinder im Alter zwischen zwei und acht Jahren in die Beziehung mitgenommen. Für die Drei sei das Ganze Normalität. Es komme zwar vor, dass es auf dem Pausenhof mal heißt: „Man kann keine vier Mütter haben.“ Doch würden die Kinder auch viel Unterstützung aus dem Umfeld bekommen.
Die Beziehung vor den Kindern zu verheimlichen, wäre das falsche Signal gewesen. Zumal die Kinder auch Vorteile haben, wie Julia sagt. So hätten sie verschiedene Charaktere, an die sie sich vertrauensvoll wenden könnten, und würden viel Liebe bekommen. Zugleich wird Elena genauso wie Lara als eine Art Mutter angenommen. Für Julia ist das kein Problem: „Was gibt es schöneres für mich als Mutter, als dass meine Kinder geliebt werden?“
Nicht „alles cool“
Doch es herrscht nicht nur eitel Sonnenschein bei der „HappyPolyFamily“. „Wir sind nicht wach geworden und alles war cool“, sagt Elena. „Wir müssen heute noch dran arbeiten und viel reden“, betont Elena. Eifersucht spiele oft eine Rolle, was aber in den besten Beziehungen vorkomme. Wichtig sei jedoch, so Julia, „woher die Eifersucht kommt und wie man damit umgeht“.
Wie die Liebe nun mal so spielen kann, hielt auch diese nicht für ewig. Viviane brach ihre Beziehungen zu Elena und Lara zwischenzeitlich ab. Es sei ein harter Schritt gewesen. Doch Viviane sei es zu viel geworden. Ein kompletter Bruch war das aber nicht. Julia und Viviane sind noch verheiratet, während erstere weiter Beziehungen mit Elena und Lara führt. Mit letzteren ist Viviane noch befreundet. Die Vier leben nach wie vor mit den Kindern, drei Katzen und einem Hund in einem gemeinsamen Haushalt – und sind nach eigener Aussage glücklich dabei.
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