Stadthaus N 1 - Reaktionen auf Übernahme des privaten Anteils durch Diringer & Scheidel / Keine Mehrheit für Ankauf durch Stadt

Nutzer und Stadträte setzen große Hoffnung in neuen Eigner

Von 
Peter W. Ragge
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"Hier gäbe es so viel zu tun, hoffentlich ändert sich was": eine von vielen Stimmen zur Übernahme des privaten Anteils von N 1 durch Diringer & Scheidel.

© Prosswitz

Für Überraschung hat bei Kommunalpolitikern wie Nutzern vom Stadthaus N 1 die Nachricht gesorgt, dass Diringer & Scheidel den privaten Anteil an dem Gebäude von der LBBW Immobilien sowie der SV Versicherung gekauft hat (wir berichteten). Über den Kaufpreis wurde, so hieß es, Stillschweigen bewahrt. Nach "MM"-Informationen liegt er zwischen fünf und zehn Millionen Euro. Die Stadt hätte zwar ein Vorkaufsrecht gehabt - doch im Gemeinderat zeichnet sich keine Mehrheit dafür ab, hier zuzugreifen.

Carsten Südmersen, CDU: "Bei Herrn Scheidel ist dieser Anteil in guten Händen. Die jahrzehntelange vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Unternehmensgruppe und der Stadt sind eine gute Grundlage für künftige Entwicklungsmöglichkeiten des Stadthauses. Die CDU sieht zur Zeit keine Notwendigkeit zur Ausübung des Vorkaufsrechtes. Hierzu müsste es einen Plan geben, was man mit der Immobilie vorhat, und es wären enorme Finanzmittel erforderlich, die die Stadt nicht hat."

Ralf Eisenhauer, SPD: "Wir haben uns damit noch nicht befasst und müssen uns erst informieren. Aber wir teilen die Meinung, dass das nicht wirklich eine gelungene Immobilie ist und man dafür neue Perspektiven entwickeln muss. Mit einem Mannheimer Unternehmer geht das womöglich besser."

Dirk Grunert, Grüne: "Wir sind mit der aktuellen Situation, gerade auch dem baulichen Zustand, unzufrieden. Es wäre sinnvoll, dass sich Stadt und Diringer & Scheidel (D&S) zusammensetzen und gemeinsam eine Perspektive für das Haus entwickeln. Einen Kauf des kompletten Stadthauses durch die Stadt sehen wir skeptisch. Herr Specht berichtet ja regelmäßig, dass die Stadt nicht genügend Geld für Investitionen hat. Daher sehen wir keinen Spielraum. Eher stellt sich die Frage, ob D&S Interesse hätte, auch den städtischen Anteil zu erwerben, wenn man sich auf ein gutes Konzept einigt."

Achim Weizel, ML: "Wir begrüßen den Kauf durch Herrn Scheidel. Als lokaler Investor kennt er die Verhältnisse am besten. Mit Q 6/Q 7 beschäftigt er sich intensiv mit dem Einzelhandel und bringt hier Kompetenz ein. An sich liegt das Gebäude zentral und sollte bei einem attraktiven Angebot auch gut angenommen werden. Eine Übernahme durch die Stadt ist keine Perspektive."

Volker Beisel, FDP: "Wenn die Stadt erwägt, ihr Vorkaufsrecht zu ziehen, müsste schon ein konkreter Plan für eine städtische Nutzung dieser schwierigen Immobilie vorliegen. Das sehen wir nicht. Daher sehen wir keinen Grund, jetzt über den Kauf einer problematischen Einzelhandelsimmobilie nachzudenken. Ohne Ideen im Hinterkopf wird ein Familienunternehmen bestimmt nicht in eine solche Immobilie investieren. Wir ersparen uns besserwissende Ideen zur Nutzung des Hauses. Investor Scheidel versteht sicherlich mehr von seinem Fach."

Carmen P. Linka-Gamil, Oststadttheater: "Toll, toll, toll. Wir sehen das sehr positiv. Die bisherigen Eigentümer saßen in Stuttgart, haben sich hier für nichts wirklich interessiert. Wir setzen große Hoffnungen in Diringer & Scheidel, dass jetzt N 1 aufblüht, Leben ins Haus kommt. Der große Leerstand ist hoffentlich bald vorbei. Und hier müsste sich noch so viel mehr tun, etwa bessere Wegweiser und Toiletten. Ich denke, mit einem Mannheimer Unternehmen haben wir mehr Glück! Ich freue mich wirklich!"

Ingrid Bohnert, Mannheimer Seniorenrat: "Es kann nur besser werden. Das Oststadttheater hat das Haus ja schon aufgewertet. Aber sonst - schlimm. Wir hören hier so viele Beschwerden. Die Toiletten sind katastrophal, oft kaputt. Im Haus ist alles völlig lieblos, ungepflegt. Nur Gastronomie funktioniert hier gut und die Stadtbücherei. Aber sonst: viel Leere."

Marion Kiefer, Geschäft Presse & mehr Kiefer: "Es kann nur besser werden. So hässlich ist keine Einkaufspassage in keiner Stadt. Alles ungepflegt, keine Weihnachtsdeko, keine Osterdeko, keine Pflanzen, keine Sitzgelegenheiten, keine richtigen Ansprechpartner für uns Händler. Hier gäbe es so viel zu tun, hoffentlich ändert sich etwas."

Ali Demir, Tinten-Toner-Shop: "Hier stehen so viele Läden leer. Es müsste viel mehr passieren, um Kunden anzusprechen und das alles attraktiver zu machen."

Fikret Kadem, Geschäftsführer N 1-Lounge: "Ich hoffe, dass künftig einige Sachen besser funktionieren, was die Verwaltung des Gebäudes betrifft. Hier ist viel ganz schwierig gewesen in letzter Zeit, da fühlte sich einfach keiner so richtig verantwortlich. Daher sehe ich die Veränderung positiv. Diringer & Scheidel ist in Mannheim sehr engagiert, an anderen Stellen hört man Gutes in Mannheim. Da werden die hier sicher auch mehr machen, denke ich."

Stadthaus N 1

In N 1 stand ab 1747 das "Alte Kaufhaus" - in der typischen "Mannheimer Symmetrie" mit Turn und zwei Flügeln. Es wurde im Zweiten Weltkrieg sehr stark zerstört. 1965 erfolgte der Abriss der Reste und des Turmstumpfs.

1960 und 1978 gab es Architektenwettbewerbe zur Wiederbebauung, die aber nicht realisiert wurde. Aus dem dritten Architektenwettbewerb 1986 gingen die Architekten Carlfried Mutschler, Joachim Langner, Christine Maurer und Ludwig Schwöbel als Sieger hervor. Dagegen gab es 1986 einen Bürgerentscheid, aber ohne Erfolg.

Der Neubau kostete damals 91 Millionen Mark, heute über 45 Millionen Euro. Die Stadt übernahm über ihre Tochter MWS 51 Millionen Mark, von denen sie 20 Millionen Mark vom Land bekam. Die privaten Bauherren Mannheimer Versicherung und ÖVA-Versicherung zahlten je 20 Millionen Mark. Zuletzt vertrat die LBBW Immobilien die privaten Eigner.

Nun hat Diringer & Scheidel die bisher LBBW Immobilien und der SV Versicherung gehörenden privaten Flächen mit Läden, Gastronomiebetrieben und Büros gekauft.

Der Stadt gehören weiter die öffentlichen Flächen wie Ratssaal, Bürgersaal, 4 Sitzungsräume und die Stadtbücherei sowie Räume, die zeitweise die Abendakademie nutzte. pwr

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