Zum Thema AWO-Ballett:
Diese Buga-Gesellschaft ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Erst lässt man die AWO-Damen nur nach Änderungen ihrer Kostüme (wegen kultureller Aneignung) auftreten. Danach verspricht man eine Diskussionsrunde wegen dieses strittigen Themas. Und jetzt wird diese Diskussionsrunde wegen „hoher Emotionalität“ einfach verschoben. So was nennt man, den Schwanz einziehen – Angst vor der eigenen Courage haben. Man kann auch sagen: einfach das Thema aussitzen, bis Gras über die Sache gewachsen ist.
Großartige Gartenschau mit großen gärtnerischen Leistungen, aber mit Bezug auf die Einschränkungen des AWO-Balletts geistige Kleingärtnerhaltung, die geradezu lächerlich ist. Die Beurteilungskriterien sind willkürlich. Warum ist die Hollandhaube zugelassen, der Sombrero aber nicht? Die Haare von Japanerinnen sind halt schwarz. Wo ist da eine religiöse oder kulturelle Aneignung? Kurz gesagt ein Witz!
Nachdem ich nun auch die schöne Aufführung des AWO-Balletts live gesehen habe, kann ich überhaupt nicht erkennen, was die ganze Diskussion um eine angebliche Aneignung kultureller Identitäten rechtfertigen könnte. Die Damen haben mit großer Freude und bewundernswerter tänzerischer Anmutung und fantasievollen Kostümen den 600 begeisterten Zuschauenden einen bunten, musikalischen und unterhaltsamen Nachmittag geboten. Mehr nicht, aber weniger auch nicht.
Ich kann nur empfehlen, die Veranstaltung zu besuchen. Mich beschleichen nun, da es offensichtlich wohl kaum der Sombrero oder die holländischen Holzpantinen sein können, die zu dem Eklat geführt und außenpolitischen Dissonanzen geführt haben können, andere Gedanken. Wäre es zu einem Skandal gekommen, wenn junge, durchtrainierte Tänzerinnen in aufreizenden Kostümen mit einer poppigen Performanz um einen Showtermin gebeten hätten?
Na, ahnt man, was vielleicht den Buga-Veranstaltern viel mehr nicht gefallen haben könnte? War es etwa das Alter der Damen, den man mit ihrer weniger telegenen Darbietung keine Aufmerksamkeit und Sogwirkung auf potenzielle Buga-Zuschauer zutraute? „Die großartige Buga, nationale und internationale Bühne Mannheims für die Welt, kann doch nicht von einer lokalen Arbeiterwohlfahrt vertreten werden.“
Ich meine, man sollte die derzeitige Diskussion auf eine andere Ebene heben. Denn wenn ich es mir recht überlege, gibt es hier eine Altersdiskriminierung von Frauen. Zwar werden die älteren Frauen als Ehrenamtliche gebraucht, aber wenn es um darstellende Künste geht, dann traut Mann ihnen nichts zu.
Ein Thema auch von Macht. Kunst und Kultur sind ein Medium für Begegnungen und dienen dem Zusammenhalt der Gesellschaft. Dabei sollte nicht das Geschlecht, das Alter, die Nation oder das Aussehen entscheiden, wer dazu- beziehungsweise nicht dazugehören darf. Die tanzenden Damen haben überzeugend vorgeführt, dass auch ältere Menschen dazugehören. Ich fand die Aufführung großartig.
Bevor die Leserbriefspalten im „MM“ demnächst vor Lobgesängen auf den Auftritt des AWO-Balletts überquellen, möchte ich meinen Senf dazugeben: Für mich ist dieser Auftritt ein Tiefpunkt der Buga23 und im Oktober muss man vielleicht sogar sagen: der Tiefpunkt. Warum? Weil der Auftritt eine Ansammlung primitivster Stereotype, die in Deutschland so über andere Länder gängig sind, darstellt, und mit der Wirklichkeit dieser Länder in krassem Gegensatz steht. Ich weiß nicht, ob das mit dem Stichwort „kulturelle Aneignung“ richtig eingeordnet ist, ich glaube eher nicht. Aber eines ist es sicher: strunzdumm. Die Krone setzen dem Ganzen noch Zuschauer auf, die einen Sombrero tragen und damit aller Welt ihre Ignoranz und Arroganz anderen Ländern gegenüber zur Schau tragen.
Eines muss ich auch noch loswerden: Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich bei den Mitgliedern des Balletts um Seniorinnen handelt. Ganz nach dem Motto: Lass doch die armen Alten machen, zu was Anderem sind die ja eh’ nicht mehr zu gebrauchen. Ich bin selbst in einem Alter, in dem ich mich als Senior bezeichnen lassen muss. Deshalb produziere ich aber noch lange nicht solchen Unsinn. Sich ohne stereotype Vorstellungen für andere Länder zu interessieren, ist keine Frage des Alters, sondern steht Jungen wie Alten gut zu Gesicht. Das Alter entschuldigt die Seniorinnen also nicht.
Es ist einfach nur zum Verzweifeln. Die Buga-Verantwortlichen planen Auftritte der AWO-Tanzgruppe. Man darf davon ausgehen, dass allen das Erscheinungsbild der Kostüme bekannt war. Die Auftritte der Damen wurden in den Köpfen der Buga-Macher als allerletztes problematisch eingestuft – ältere Damen, die seit Jahren zu ihrer Freude und der ihres Publikums bereits auf etlichen Bühnen aufgetreten sind. Was kann daran falsch sein? Der Migrationsbeirat der Stadt Mannheim hat sich jedoch am Outfit der fröhlichen Damen gestört, warum auch immer. Mit Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht zu allen integrationsbezogenen Angelegenheiten in Mannheim berät der Migrationsbeirat den Gemeinderat zu den Themen Migration und Integration.
Hätten die Buga-Verantwortlichen Rückgrat, hätten sie die Einwände dieses Beirates zur Kenntnis genommen – und fertig. Außerdem hat ihnen gegenüber dieser Beirat überhaupt nichts zu „beraten“. Stattdessen knickt man ein. Kein Auftritt mit diesen Kostümen, Punkt. Dann ein öffentlicher Aufschrei pro AWO-Ballett. Also schnell ein Kompromiss. Auftritt ohne die „kulturellen Aneignungen“, danach öffentliche Diskussion zu dem Thema. Alle stimmen zu, sogar der Beirat für Migration.
Dass nun sogar auch noch der Kompromiss aufgekündigt wurde (keine Diskussion) hat einen Grund: Die Verantwortlichen haben die Wut, das Unverständnis und die Enttäuschung der Bürger wahrgenommen, eine Diskussion wäre nicht kontrollierbar gewesen.
Mir wäre es lieber, die Damen hätten den Auftritt abgesagt. Verständnis für ihre Entscheidung zum Auftreten habe ich natürlich. In Deutschland wackelt immer häufiger der Schwanz mit dem Hund, Verantwortliche knicken lieber ein, als eine Meinung zu vertreten. Minderheiten bestimmen immer mehr, wie wir zu sprechen haben, welche Meinung politisch akzeptabel ist und was politisch korrekt ist und was nicht! Zu was dies führt, kann man leicht am Wahlverhalten der Deutschen ablesen! Als großer Buga-Fan und Mannheimer finde ich dieses Vorhalten einfach nur feige und armselig.