Zur Viernheimer Diskussion über das Gehwegparken:
Das Thema Parken erhitzt derzeit die Gemüter in Viernheim. Anlass ist die Kampagne der Stadt „Alle brauchen Platz“, um das Parken auf Gehwegen zu regulieren. Für mich als langjährigen, ehemaligen Mandatsträger der Grünen ist das kein neues Thema. Neu sind für mich aber die Ansichten von Bürgern und Bürgerinnen sowie der Verwaltung.
Da ist zunächst, die scheinbar verbürgte Ansicht vieler Bürger, den öffentlichen Straßenraum uneingeschränkt privat als Parkplatz nutzen zu dürfen. Tatsächlich hat sich dies eingebürgert in den vergangenen Jahrzehnten, weil die Verwaltung dies akzeptierte. Fakt ist jedoch, dass die Straßenverkehrsordnung das Parken auf Gehwegen grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit verbietet. Das neue, oftmals zitierte Urteil zielt genau auf dieses Verbot ab, weil es die Städte verpflichtet, dieses durchzusetzen oder andere Regulierungen zu treffen. (...)
Äußerungen des Bürgermeisters lassen vermuten, dass er das Verhalten der Parkplatzsuchenden als rücksichtslos gegenüber anderen Nutzern der Straße empfindet. Das ist eine harsche Generalkritik an den Bürgern. (...) Mein Gefühl sagt mir, dass die wenigsten Menschen andere mit Absicht behindern. Oftmals folgen sie aber einer Bequemlichkeit, unterliegen Sachzwängen oder wissen nichts oder wenig über die gesetzlichen Vorgaben.
Die Fakten sind offensichtlich: viele enge Straßen im alten Stadtkern, Gehwege unter 1,30 Meter Breite, nicht benutzte oder zweckentfremdete Hofeinfahrten und Garagen, mehr Autos als Stellplätze, größere Fahrzeugbreiten – und eine städtische Politik,die dem Individualverkehr kaum eine Alternative entgegenstellt.
Da sich die Stadt selbst untreu ist, kann sie nicht an die Bürgerschaft appellieren, sich uneigennützer zu verhalten. Parkplatzprobleme beim neuen Rathaus? Kein Problem, einfache neue längs der Straße bauen. Gehwege zu schmal? Keine Mittel für Erweiterung! Rollstuhlfahrer als Maß für die Gehwegbreite, aber kaum abgesenkte Bordsteine.
Das obrigkeitsstaatliche Vorgehen, Gehwegparken ausschließlich als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, ist meines Erachtens der falsche Weg. Es gibt zu viele Feinheiten von Straße zu Straße, die eine solche Pauschallösung schwierig machen. Besser wäre es, mit den Bürgern gemeinsam Straße für Straße zu analysieren, wie man Autos von der Straße bringen und den Gehweg für alle nutzbar machen kann. (...) Auch über alternative Verkehrsmittel müsste mehr nachgedacht werden. In diesem Bereich erscheint mir das kommunale Angebot defizitär. Die Fahrradstraßen werden auch von PKWs benutzt, die Stadtbusse sind zu groß für die engen Straßen, das Ruftaxi stirbt aus und wird kaum gefördert. (...)
Die Beteiligungswissenschaft empfiehlt für solch diffizilen Problemlagen eine sogenannte Konsensuskonferenz, um Akzeptanz und Akzeptabilität zu erreichen. Darüber können sich die städtischen Gremien gerne informieren. Politisch tangiert das Thema den Umgang von uns allen mit Mobilität. Viele von uns sind sowohl Auto- als auch Radfahrer oder Fußgänger. Einer ehedem umweltorientierten Stadt hätte es gut zu Gesicht gestanden, eine umweltgerechte Mobilität zu fördern. Derzeit verhunzt die Stadtverwaltung eine gute Idee (Leitbild autofreie Stadt) einmal mehr durch Zwang und Kontrolle, wo Einvernehmen und Konsens besser wären. Und im Übrigen: Die Bußgeldeinnahmen aus diesen Ordnungswidrigkeiten sollten zweckgebunden für Verkehrsberuhigung verwendet werden.
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